Landwirtschaft
Echte Stiere statt «Köfferlimuni»
Die künstliche Besamung von Kühen hat den Natursprung fast ganz verdrängt. Doch in den letzten Jahren halten Landwirte wieder vermehrt einen Stier in ihrer Herde, weil das Besamen mit dem Stier oft einfacher und kostengünstiger ist.
Emil Breitenmoser in Andwil SG ist einer der wenigen Milchbauern, welche noch einen Zuchtstier für die eigene Nachzucht im Stall halten. Die Zeiten, in welchen es in jeder Gemeinde noch einen Zuchtstier gab, sind längst vorbei.
Die meisten Milchbauern lassen ihre Kühe künstlich besamen, das heisst der Besamungstechniker – spasseshalber auch Köfferlimuni genannt – kommt mit tiefgefrorenem Sperma auf den Hof und besamt die Kuh. Im Fachjargon spricht man von künstlicher Besamung oder einfach KB. In der Milchviehhaltung liegt der Anteil der künstlichen Besamung heute bei über 90 Prozent.
«Mir würde etwas fehlen»
Emil Breitenmoser in Andwil SG lässt wie schon sein Vater seine Kühe meistens vom Stier im Natursprung decken. «Mir fehlt etwas, wenn der Platz vom Stier leer ist», sagt Breitenmoser. Dahinter steht nicht nur Tradition, sondern auch langjährige Erfahrung und die Freude des Landwirtes, mit eigenen Zuchttieren Erfolg zu haben. Der Satz «Ich will das Tier gesehen haben», drückt wohl am besten aus, worauf es dem Züchter ankommt.
Auch Breitenmoser studiert die KB-Kataloge mit den Zuchtstieren. Doch die Auswahl allein nach Zahlen, den sogenannten Zuchtwerten, genügt ihm nicht. Er schaut den Stier an, ob er zu seiner Herde passt. Man könnte es das Fingerspitzengefühl des Züchters nennen. Mehr als seine Kollegen, die bei der KB den Samen geprüfter Stiere aus einer grossen Population einsetzen, muss er darauf achten, dass er nicht zu stark auf einen Stier setzt und Inzucht vermeidet.
Original-Braunvieh hat Hörner
80 Kühe stehen im alten und im neuen Anbindestall von Breitenmoser. Die meisten Bauern entscheiden sich heute für einen Laufstall als Neubau. Doch Breitenmoser gefällt die Anbindehaltung besser. Das Striegeln der Kühe gehört für ihn zur täglichen Arbeit und stärkt die Bindung zwischen ihm und seinen Tieren. Es sind fast alles Braunviehkühe und fast alle tragen Hörner. «Ich finde die Hörner schön und sie stören mich nicht», sagt der Landwirt.
Bei den Original Braunen gehörten die Hörner einfach dazu. Als Original Braunvieh (OB) bezeichnen Landwirte das Braunvieh, welches nicht mit nordamerikanischen Brown Swiss (BS) Stieren eingekreuzt wurde, die sehr stark auf Milchleistung gezüchtet wurden. Der Schweizer Verband für KB importierte ab den 60er Jahren zunehmend Samen von BS-Stieren, um die Milchleistung des Schweizer Braunviehs zu erhöhen. Allerdings ging dabei Erbgut der einheimischen Rasse verloren.
Um dies zu vermeiden, verzichtete ein kleiner Teil der Züchter auf die Einkreuzung. Während die durchschnittliche Milchleistung bei den Original Braunen heute bei etwa 6‘000 kg Milch liege, beträgt sie bei den Brown Swiss etwa 7000 kg. Dafür haben die OB mehr Fleisch und sind robuster. Ähnlich wie beim Braunvieh ging es auch beim Schweizer Fleckvieh, welches mit Red Holstein gekreuzt wurde.
Stierenhalter sichern Bestand
Die privaten Stierenhalter haben sich im Jahre 1979 in der Stierenhaltervereinigung zusammengetan. «Ohne die private Stierenhaltervereinigung wäre unsere Braunviehpopulation um einiges ärmer und OB-Tiere gäbe es keine mehr», ist im Jubiläumsbericht zum 25 jährigen Bestehen im Jahre 2004 zu lesen.
Heute befinde sich das Original Braunvieh in einer starken Wachstumsphase und seine Qualitäten überzeugten immer mehr Betriebsleiter, die bisher mit milchbetonten Kühen gearbeitet haben, berichtet Reto Grünenfelder von der Fachstelle Rindvieh des Landwirtschaftlichen Zentrums St.Gallen (LZSG). Ohne die privaten Stierenhalter und den Natursprung wäre offensichtlich viel Erbgut verloren gegangen.
Es lohnt sich wieder
Während die Zahl der Stierenhalter lange Zeit abnahm, gibt es heute wieder mehr Landwirte, welche einen eigenen Stier halten. Häufig sind sie auf Mutterkuhbetrieben anzutreffen, wo das Kalb an der Mutter saugen darf. Hier läuft der Stier in der Herde mit und sorgt für den Nachwuchs, ohne dass der Landwirt sich darum kümmern muss. Die guten Preise für Kälber von Fleischrassen haben grössere Milchviehbetriebe animiert, wieder vermehrt einen eigenen Stier zu halten, erklärt Grünenfelder. Sie halten sogenannte Fleischrassenstiere zum Beispiel der Rasse Limousin, was bei der Kreuzung mit den Milchkühen zu wüchsigen Mastkälbern führt.
Für grössere Betriebe könne sich auch die Nachzucht von Milchkühen mit einem eigenen Stier finanziell lohnen, sagt Grünenfelder, falls mit einem genetisch hochwertigen Zuchtstier gearbeitet wird. Denn für die künstliche Besamung sind mit Kosten von etwa 100 Franken je Kuh und Jahr zu rechnen. Allerdings ist es nicht jedermanns Sache, Meister eines bis 1300 kg schweren Stieres zu sein. «Viele haben Angst vor einem grossen Muni», sagt Breitenmoser. In der Tat ist es – wie die Unfallstatistik zeigt – nicht ungefährlich. Die Unfallverhütungsstellen lassen es klar wissen: Ein Stier, der sich mit seinem Meister anlegt, ist konsequent zum Schlachten zu geben.
Nicht nur auf Analyse des Erbgutes setzen
Zurzeit hält Breitenmoser den dreijährigen Stier Nino. Er gehört nicht ihm, sondern er hat ihn von einem anderen Stierenhalter ausgeliehen. Man tausche die Stiere untereinander aus, erklärt der Landwirt. Unter den OB-Züchtern kenne man einander; es sei fast eine familiäre Einrichtung. Ein Höhepunkt jedes Jahr sind der Zuger Stierenmarkt im September und der Winterzuchtstiermarkt in Sargans.
Doch ist diese Art der Zucht noch zeitgemäss? Seit etwa zwei Jahren verwenden die Besamungsorganisationen die genomische Selektion für die Auswahl der KB-Jungstiere. Dieser liegt eine Laboranalyse des Erbgutes zu Grunde, so dass sich Zuchtwerte von Stieren relativ sicher schätzen lassen, ohne dass man auf die Ergebnisse einer Nachkommenprüfung warten muss.
Für Breitenmoser ist die genomische Selektion allerdings nur ein Hilfsmittel unter mehreren. Verlasse man sich zu sehr auf sie, dann bestehe die Gefahr, dass ganze Linien ausgelöscht würden und damit wertvolles Erbgut verloren gehe. «Auch von mittelmässigen Stieren gab es manchmal Superkühe», begründet er seine Aussage. «Bisher haben wir es mit dem Gefühl so weit gebracht, warum sollen wir uns jetzt nur auf die genomische Selektion verlassen?», fragt der Züchter.
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