Es war einmal ein Pferd namens Figure. Es wurde im Jahr der Französischen Revolution 1789 im US-Bundesstaat Massachusetts geboren. Der Vierbeiner eroberte die Herzen der Pferdeliebhaber im Sturm, so wie das Volk die Bastille. Er war braun mit schwarzem Behang, ausdrucksstarken Augen, einer breiten Stirn und einem kurzen, bemuskelten Rücken. Obwohl Figure als sehr temperamentvoll galt, hatte er einen umgänglichen, sanften Charakter. Seine überschaubare Grösse von 142 Zentimetern (Stockmass eines Ponys) hinderte ihn nicht daran, gewaltige Baumstämme zu ziehen und dabei sogar kräftige Kaltblüter in den Schatten zu stellen. Auch in den verschiedenen Gangarten machte kein anderes Pferd Figure etwas vor. Er besiegte sogar die schnellsten Rennpferde über eine Viertelmeile (gut 400 Meter).

Was wie ein Märchen klingt, soll sich tatsächlich genauso zugetragen haben. Figure hatte den Ruf, in den USA das Paradepferd der damaligen Zeit zu sein. Der Komponist und Lehrer Justin Morgan nahm es als Fohlen unter seine Fittiche und förderte Figure, weshalb die Rasse später seinen Namen erhielt und nur auf einen einzigen Hengst zurückzuführen ist. Die aussergewöhnlichen Fähigkeiten sprachen sich sogar bis zum amerikanischen Präsidenten James Monroe herum. Er investierte zusätzlich in die Ausbildung des Wunderpferdes. 

Morgans wählen ihre Besitzer
Figure vererbte seine positiven Merkmale unabhängig von den ausgewählten Stuten auch an seine Nachkommen, sodass das Morgan Horse in Amerika in viele Rassen eingekreuzt wurde, etwa in das Quarterhorse, das Saddlebred oder den Tennessee Walker. Ab 1948 wurde jedoch das Einkreuzen von anderen Rassen in die Morgans untersagt, damit der klassische kompakte Ursprungstyp (siehe Kasten) erhalten bleibt.

In der Schweiz war das Morgan Horse selbst unter Pferdefreunden lange Zeit nahezu unbekannt. Philipp Wieland aus Sevgein GR erinnert sich, dass er vor einigen Jahren erstmals einen Artikel über die Rasse gelesen hat. «Danach habe ich mir das Morgan Horse in natura angesehen, und prompt war es um mich geschehen. Nicht umsonst heisst es, diese Rasse sucht dich aus und nicht umgekehrt.» Seitdem gilt für Wieland: «Einmal Morgan, immer Morgan!» Die Begeisterung für die amerikanischen Pferde ging so weit, dass er 2006 zusammen mit seiner Frau Gabriela die «Swiss Morgan Horse Associa­tion» gegründet hat. 

Rassenstandard des Morganhorse

 
Körperbau: kleiner Kopf mit grossen Augen; kräftiger, hoch angesetzter Hals; breite, schräge Schultern; gerader, kurzer Rücken; stark bemuskelte, leicht abfallende Kruppe (Gesäss); stabile, trockene Gliedmas-sen; runde, harte Hufe; üppiges, volles Langhaar.
Grösse: Stockmass von 140 bis 155 Zentimetern.
Charakter: lebhaft, leistungsbereit, lernwillig, freundlich, gutmütig, aufmerksam, intelligent, zuverlässig, ausdauernd, menschenbezogen.
Farben: vor allem braun, schwarz und fuchsfarben (bräunlich, rötlich oder gelblich) in allen Schattierungen, aber auch Spezialfarben wie Palominos, Buckskins, Cremellos, Perlinos, Duns oder Crullos. Sehr selten Schimmel, keine Schecken.
Ursprung: Die Herkunft der «Urmorgans» ist unbekannt. Man nimmt an, dass zu ihren Ahnen Welsh Cob, Englische Vollblüter, amerikanische Pferde mit orientalischem und iberischem Einschlag sowie Rassen europäischer Herkunft gehören.

Der Verband hat es sich zum Ziel gesetzt, die Rasse hierzulande bekannter zu machen. «Wir präsentieren unsere Pferde an Messen wie der BEA und an Shows, um die Werbetrommel für die Morgans zu rühren», sagt Wieland. Der Erfolg kann sich sehen lassen. In den vergangenen zehn Jahren stieg der Bestand an registrierten Morgan Horses in der Schweiz von 12 auf 52. Für den Bündner Verbandspräsidenten ist das nicht weiter verwunderlich, da sich das Morgan Horse durch seine grosse Vielseitigkeit auszeichnet und als Familien-, Freizeit-, Turnier-, Distanz-, Fahr-, Therapie- und Showpferd eignet. «Ein Morgan wird unabhängig von der Reitweise mitarbeiten – und zwar stets mit Freude und Ehrgeiz.»

Von West Virginia nach Graubünden
Morgan ist übrigens nicht gleich Morgan. Bei der Zucht unterscheidet man verschiedene Rassentypen. In den USA etwa ist eine regelrechte Industrie rund um den Showmorgan entstanden. «Er ist leichter und feiner mit oft hochgezogenen Vorderbeinen im Trab», erklärt Wieland. «Der Gangtyp zeigt dagegen eine Veranlagung zum Tölten, das im Gegensatz zum Trab und Galopp keine Schwebephase hat. Und der Sportpferdetyp zeichnet sich durch seine Grösse aus.» 

In der Schweiz werden die meisten Morgans western-, dressur- und freizeitmässig geritten oder für Wanderritte eingesetzt. Dafür eignet sich die Linie der Lambertmorgans am besten. Ein Hengst und zwei Stuten der weltweit nur 300 Lamberts kamen im Herbst 2006 aus Amerika zu den Wielands. Mittlerweile sind auf ihrem Bündner Hof mehrere Lambertfohlen auf die Welt gekommen.

«Sie sind fast alle Füchse mit teilweise aufgehellten Mähnen und Schweifen. Oft haben sie eine Blesse, also einen weissen Stirnfleck und weisse Fesseln über den Hufen, vor allem an den Hinterbeinen», erzählt Philipp Wieland. «Am auffälligsten ist jedoch ihr elastischer Trab, mit dem die Tiere scheinbar schwerelos über dem Boden schweben.» 

Der Hengst Daniel Lambert, auf den diese Zuchtlinie zurückgeht, wurde 1858 geboren. Er war als «King of Roadster» bekannt und galt zu seiner Zeit als das edelste Pferd. Die bekannteste Zucht (Quietude-Zucht) betreiben derzeit Susan und Shannon Hanley in Hilsboro, West Virginia. Genau wie die Wielands haben sie keine Probleme, Fohlen an Halter zu vermitteln. Schwierig könnte es dagegen für die Käuferseite werden. Vor allem Interessenten an einem dreijährigen oder einem bereits als Reitpferd ausgebildeten Morgan Horse könnten leer ausgehen. Denn wer einmal ein solches Pferd besitzt, trennt sich normalerweise nicht mehr von ihm. Denn nicht nur für Philipp Wieland gilt: Einmal Morgan, immer Morgan!

Das Video zeigt Bilder des original Morgan Horse (Video: GoldenOakFarm):

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