Tierwelt 18/2013
Fasziniert von einem flinken und scheuen Kraftprotz
Nur wenige haben ein solch exotisches Hobby: Urs Lenz führt mit seiner Partnerin in Niederwil SG eine Farm mit Bisons. Die Haltung dieser Tiere ist faszinierend, aber auch herausfordernd.
Ganz langsam schreitet Urs Lenz den Stall hinab. Er trägt einen Eimer Futter in der Hand. Die Bisons im Vorhof beäugen ihn argwöhnisch – und trauen der Sache offenbar nicht: Die mächtigen, bis zu zwei Meter grossen Wildrinder ergreifen die Flucht und rennen den Feldweg hinunter. «Bisons sind wachsam und intelligent, aber unberechenbar. Sie reagieren sogar auf das Rascheln eines Plastiksacks. Es ist daher sehr wichtig, dass man ruhig auftritt und unnötigen Lärm vermeidet. Auch fremde Menschen können sie nervös machen», erklärt Lenz.
Die Bisons haben sich nun unter einem Baum versammelt und beobachten das Geschehen aus der Ferne. Die Herde besteht aus einem Stier, 13 Mutterkühen und rund 15 Jungtieren. Sie können auf einer eingezäunten Fläche von 13,5 Hektaren weiden. Doch bei unserem Besuch Mitte März ist der Boden aufgeweicht, sie können daher nicht auf die Wiese. «Sie würden sonst alles niedertrampeln», sagt Lenz Wichtig ist ihm, dass die Tiere trotzdem viel Auslauf haben. So können die Bisons momentan auf den Feldwegen zwischen den Wiesen frei herumlaufen, ansonsten halten sie sich im offenen Stall auf.
Trotz grossem Zusammenhalt in der Herde herrscht eine klare Hierarchie
Lenz hält immer einen gewissen Abstand zu den Bisons und berührt sie auch nicht. «Sie kennen mich mittlerweile und wissen hoffentlich, dass ich es gut mit ihnen meine. Aber sie sind Wildtiere und sollten das auch so weit wie möglich bleiben dürfen.» So lassen sich die Tiere nur mit einer massiven Fanganlage oder mit einem Betäubungsgewehr einfangen.
Doch es sei spannend, das Verhalten der Tiere zu beobachten. «Der Bison hat einen extremen Herdenzusammenhalt, aber gleichzeitig eine klare Hierarchie», sagt Lenz. Er sei auch fasziniert vom asymmetrischen Körperbau des Tieres. Sein wuchtiger Vorderkörper verleiht ihm grosse Kraft. Ein Bison ist zwei- bis dreimal so stark wie eine Kuh. Gegen hinten wird er schlanker und agiler – so wird er bis zu 60 Stundenkilometer schnell.
«Meine Faszination für die Tiere habe ich im amerikanischen Yellowstone-Nationalpark entdeckt», erzählt Lenz beim Kaffeetrinken in seinem Wohnzimmer. Dort habe er grosse Bison-Herden in freier Wildbahn beobachtet. Ihre Erscheinung beeindruckte ihn. «Der Bison strahlt eine enorme Stärke aus.» Mit der Zeit sei dann der Entschluss in ihm gereift, selber Bisons zu halten.
Als sein Bruder vor acht Jahren das Bauern aufgab, übernahm Urs Lenz, auch er ein gelernter Bauer, dessen Hof «Langmatt» im St. Galler Dorf Niederwil. Dann setzte er seinen Bisontraum in die Realität um. Er habe den Hof aber erst umgestalten müssen, um die Genehmigung für eine Wildtierhaltung zu erhalten und die Vorlagen des Kantons zu erfüllen. Doch nun gehört Lenz dem «Klub» der 13 Schweizer Bisonhalter an und ist auch Vorstandsmitglied der «Swiss Bison Association». Die Halter pflegen einen regen Kontakt. «Wir tauschen uns regelmässig aus und geben uns gegenseitig Tipps.»
Eine zeitintensive Beschäftigung, die jedoch wenig Einnahmen generiert
Lenz wird tatkräftig unterstützt von seiner Lebenspartnerin Cäcilia Schmid. Von der Farm leben können sie aber nicht. «Monatlich verdienen wir unter tausend Franken damit – zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben», sagt der Bisonhalter schmunzelnd. Daher gehen beide zu 100 Prozent arbeiten. Er ist als Angestellter des Kantons St. Gallen tätig, sie betreut Besucher und organisiert Anlässe bei einer Ostschweizer Firma. Lenz: «Die Farm ist unser grösstes Hobby, wir verbringen unsere gesamte Freizeit hier.» Die Arbeitsaufteilung ist klar. Während er sich vor allem um die Bisons kümmert, besorgt sie den Haushalt – die Grenzen sind jedoch fliessend. Und an erster Stelle stehen immer die Tiere.
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Cäcilia Schmid und Urs Lenz halten Bisons aus Leidenschaft. Bild: © Jonas Baud
Die Bewirtschaftung des Hofes braucht vor allem im Winter viel Zeit: Pro Tag wendet das Paar mindestens eineinhalb Stunden auf – die Bisons brauchen morgens und abends ihr Futter. Nur einmal im Jahr gönnt sich das Paar ein verlängertes Wellness-Wochenende. Die beiden wären aber innert zwei Stunden daheim, falls etwas passieren sollte.
Die Haupteinnahmequelle der Bisonfarm ist der Verkauf von Fleisch. Dafür müssen drei- bis viermal im Jahr einige Jungtiere geschlachtet werden. Da kommt jeweils ein Jäger und schiesst die ausgewählten Bisons. «Das sind keine Freudentage», sagt Lenz. «Aber um den Hof kostendeckend zu bewirtschaften, ist es nötig.» Wichtig ist ihm, dass möglichst viel vom Tier verwertet wird: «Das ist eine moralische Verpflichtung dem Bison gegenüber», sagt Lenz. Auch die amerikanischen Ureinwohner hätten das so gemacht. So kann man hier auch ausgestopfte Bisonschädel und Felle bestellen. «Einmal hat jemand sogar Knochen für künstlerische Zwecke gekauft. Ein anderer Kunde bezog Sehnen, um Pfeilbogen und Traumfänger herzustellen», erzählt der Niederwiler. Die Bisonfarm bietet Produkte wie Würste, Hackfleisch, Steaks, Fleischkäse und auch Innereien an. «Alle Fleischwaren sind zu 100 Prozent aus Bison», sagt Lenz und ergänzt: «Aus medizinischer Sicht ist es das gesündeste und nährstoffreichste Fleisch, das es gibt.» Es ist meist sehr schnell ausverkauft.
Trotzdem ist die Zukunft der Bisonfarm unsicher. Aufgrund der Agrarpolitik des Bundes könnte es sein, dass Lenz in den nächsten Jahren immer weniger Direktzahlungen erhalten wird. «In einem solchen Fall müsste ich mir sehr gut überlegen, ob ich die Farm weiterhin betreiben will», sagt Lenz. Zusammen mit dem Verband kämpft er auf politischer Ebene dafür, dass die Haltung von Bisons weiterhin in ähnlichem Rahmen wie jetzt unterstützt wird. «Ich bin überzeugt davon, dass das Parlament in unserem Sinne entscheidet.» Denn dem Ostschweizer sind die Bisons trotz ihrer scheuen Art ans Herz gewachsen – er könnte sich ein Leben ohne die Tiere fast nicht mehr vorstellen.
Der Bison Er gilt als «heiliges Tier des Indianers»: der Bison. Das Wildrind war eine der Hauptnahrungsquellen der amerikanischen Ureinwohner. Die Indianer jagten aber jeweils nur so viele Tiere wie nötig, um ihren Bedarf zu decken. Sie verwerteten alles: Fleisch als Nahrung, Fell zur Herstellung von Kleidern, Sehnen und Knochen für ihre Pfeilbögen und Mist zum Anfeuern. Im 16. Jahrhundert rannten schätzungsweise 30 Millionen Bisons über die nordamerikanischen Prärien. Doch dann kamen die Europäer. Sie veranstalteten wahre Massaker und vernichteten die Bestände innert Rekordzeit. Ende 19. Jahrhundert gab es nur noch rund 100 Exemplare im Yellowstone-Nationalpark. Präsident Theodore Roosevelt kämpfte persönlich dafür, dass sie geschützt wurden. Heute gibt es wieder über eine halbe Million Tiere, die meisten leben nach wie vor in den USA. |
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