Im vergangenen Jahr wanderten 948 Millionen Schaleneier über die Ladentheke und bescherten jedem Schweizer rund 116 Spiegeleier, Rühreier oder gekochte Eier. Die Zubereitungsvarianten sind vielfältig, doch die Qual der Wahl fängt schon im Supermarkt an. In den Regalen finden sich nicht nur Eier aus Boden-, Freiland- oder Bio-Haltung, sondern auch verschiedenste Label, die auf eine artgerechte Hühnerhaltung hinweisen. Als Laie ist man schier überfordert und am Ende entscheidet oft der Preis. Doch worin liegen die tatsächlichen Unterschiede?

«Die Freilandhaltung unterscheidet sich grundsätzlich von der Bodenhaltung durch den zusätzlichen Weide-Auslauf», sagt Andreas Gloor vom Kompetenzzentrum der Schweizer Geflügelwirtschaft Aviforum. Und worin unterscheidet sich die Freiland- von der ebenfalls mit einer Weide ausgestatteten Biohaltung? «Der Vergleich ist nicht ganz einfach», warnt der Mitarbeiter vom Aviforum und verweist auf diverse Labels und Programme. Sie alle setzen ihre eigenen Massstäbe betreffend Fütterung und Stallung. Denn seitdem die Schweiz als erstes Land der Welt 1992 die Batteriehaltung verboten hat, haben sich verschiedene Standards entwickelt. 

Freilandhaltung bedeutet auch täglich fünf Stunden «Hofgang» für die Hühner
Wenn ein Betrieb zusätzliche Direktzahlungen vom Bund erhalten will, muss er die beiden Programme BTS (Besonders tierfreundliche Haltung) und RAUS (Regelmässiger Auslauf im Freien) entweder separat oder kombiniert erfüllen. So soll die Freilandhaltung gefördert werden. «Im Auslauf können Hühner ideal einem ihrer natürlichen Triebe, dem Scharren, nachgehen», sagt Stephan Jaun vom Label Bio Suisse. Während die Mindestanforderungen für die Bodenhaltung also in der Tierschutzverordnung festgehalten werden, verlangen das BTS- und das RAUS-Programm zusätzlich einen Wintergarten, wo die Tiere auf einem gedeckten Vorplatz nach draussen können. Mit RAUS geht es einen Schritt weiter zur Freilandhaltung und damit zum Zugang zu einer Weide. Die meisten Höfe sind laut Gloor dem BTS- und dem RAUS-Programm angeschlossen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass sich gut 70 Prozent unserer heimischen Hühner im Grünen austoben können. 

Möchte sich ein Betrieb ausserdem mit der Bezeichnung «Bio» schmücken, kommen weitere Anforderungen hinzu. Die Bio-Verordnung des Bundes und die verschiedenen Bio-Labels haben hier unterschiedliche Vorschriften (s. Tabelle ). Generell ist ein Höchstbestand von 18 000 Hennen pro Hof plus eine Maximalzahl von 10 Hühnern pro Quadratmeter Stall festgeschrieben, was die im Ausland übliche Massentierhaltung verhindert.   

Ein nach dem RAUS-Programm agierender Freilandbetrieb ist der Geflügelhof in Oberglatt ZH. Inhaber Paul von Euw produziert mit seinen 7400 Hennen 2,3 Millionen Eier im Jahr. Betritt man einen der mit dreistöckigen Volieren ausgestatteten Ställe, wird es laut. Aufgeregt fangen die Hennen an zu gackern. Während einige beinah panisch die Flucht ergreifen, picken andere frech auf die Schuhe des fremden Eindringlings. Die ganz zutraulichen unter ihnen lassen sich sogar streicheln. Obwohl sie über in die Wand eingelassene Luken permanenten Zugang zum überdachten Wintergarten haben, sind die meisten im Stall. Dort spielt sich das gesellschaftliche Leben ab. Im Erdgeschoss ist Platz zum Scharren, im ersten und zweiten Stock Futter und Wasser und auf der obersten Etage eine Ruhezone mit Sitzstangen und Wasser. 

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Auf dem Geflügelhof in Oberglatt ZH leben 7400 Hennen mit genügend Auslauf. © Daniela Poschmann

Sowieso sei die Freilandhaltung bei den hiesigen Wetterverhältnissen nicht ganz einfach, erzählt von Euw. Gemäss den RAUS-Vorschriften müssen die Tiere jeden Tag mindestens fünf Stunden die Möglichkeit haben, auf die Weide zu gehen. Ausnahmen sind Kälte und Niederschlag. Für die Kontrolle des Bundes muss der Auslauf der Hühner täglich dokumentiert werden. Konnten sie an einem Tag nicht nach draussen, muss dies begründet werden. Das tönt kompliziert, doch der Geflügelmeister nimmt es gelassen und meint: «Wenn Kinder auf die Spielwiese dürfen, dürfen meine Hühner auch auf ihre Weide.» 

Für die Legehennen ist der Auslauf wichtig, er hat jedoch auch seine Tücken
14 Prozent aller Schweizer Hühner geniessen die Luxusvariante des Bio-Hofs. Sie bekommen ausschliesslich Bio-Futter und haben mehr Platz zur Verfügung als ihre Kollegen der konventionellen Freilandhaltung. So dürfen pro Herde etwa maximal 500 Hennen gehalten werden, um eine bessere Sozialstruktur zu ermöglichen. Hat ein Bio-Betrieb also mehr als 500 Tiere, muss der Stall unterteilt sein (s. Tabelle ganz unten). Fast alle Bio-Eier-Produzenten richten sich nach dem Label Bio Suisse, dessen Richtlinien strenger sind als jene der staatlichen Bio-Verordnung. So ein Bio-Hof ist Murimoos in Muri AG. Hier leben gerade einmal 80 Hühner. Neben einer grossen Grünfläche von 10 000 Quadratmetern dürfen sie einen Wintergarten ihr Eigen nennen und vergnügen sich gerne im Sandbad. 

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Die 80 Hühner, die auf dem Bio-Hof Murimoos in Muri AG leben, können sich in einem Sandbad austoben. © Daniela Poschmann

So wichtig der Auslauf für die Tiere ist, hat er doch auch seine Tücken. Denn da sich die Hühner meistens in der Nähe des Stalls aufhalten, nutzt sich die Grasnarbe dort schnell ab. Dadurch kommen die Tiere eher mit ihrem eigenen Kot in Kontakt. Das kann zu einem Befall von Würmern und anderen Parasiten führen, deren Eier mit dem Kot ausgeschieden werden. Eine Gefahr für den Eier- oder Fleischkonsumenten besteht nicht. Jedoch können Parasiten zu einer erhöhten Sterblichkeitsrate unter den Hühnern und einer geringeren Legeleistung führen. Regelmässige Kotuntersuchungen sind daher angebracht.

Abgesehen von der Haltung des Geflügels stehen Bio-Eier auch für ökologische Transportwege getreu nach der Devise «Aus der Region, für die Region». Kritiker bezweifeln das allerdings. Oft wird behauptet, dass die Eier von den einzelnen Höfen abgeholt, zu einer zentralen Stelle transportiert und von dort aus im ganzen Land verteilt werden. Das hiesse also, dass die Eier zuerst aus der Region entfernt würden, um später dort wieder im Laden zu landen. Stimmt das? Zum Teil. «Es gibt in der Schweiz vier grosse Bio-EierHändler, welche rund 70 Prozent der Schweizer Bio-Eier umsetzen. Es sind die Firmen Ei AG, Eico, Hosberg und Hungerbühler», erklärt Stephan Jaun von Bio Suisse. Diese Betriebe haben einen bis zwei Standorte, unter anderem in Sursee LU, Rüti ZH, Flawil SG und Bern. Der Vorteil für die oft eher kleinen Bio-Bauernhöfe? Diese vier Grosshändler verteilen die Eier nicht nur, sondern prüfen sie auch auf ihre Qualität und sortieren sie. Das restliche Drittel der Bio-Eier gelangt auf direktem Weg vom Bauern zum Kunden. 

Der Code auf den Eiern verrät die Herkunft und den Verarbeitungsort
So unterschiedlich Boden-, Freiland- und Bio-Haltung sind, ein paar Methoden haben sie gemeinsam. Zum einen werden alle Legehennen im Alter von knapp 80 Wochen, also mit eineinhalb Jahren, ausrangiert, da ihre Leistung nicht mehr rentabel ist, die Eierschalen dünner und brüchig werden. Anders als noch vor ein paar Jahren, als die meisten Althennen in der Biogasanlage endeten, werden sie heute zu Charcuterie-Produkten verarbeitet oder landen in der Suppe. Mit Kohlendioxid getötet und zur energetischen Nutzung in Biogas umgewandelt wird nur noch ein kleiner Teil. Zum anderen werden in allen Haltungsformen die männlichen Küken direkt nach dem Schlupf aussortiert. Das hat sich bis heute nicht geändert. Einige landen als Tierfutter im Zoo, doch das Gros der unerwünschten Küken – rund 2,5 Millionen im Jahr – wird vergast. 

Wer auf Nummer sicher gehen will, woher die Eier stammen und welchen Weg sie auf sich genommen haben, um im Supermarktregal zu landen, kann sie online zurückverfolgen, dank dem Zahlencode auf der Schale. Die erste Ziffer bezeichnet die Tierhaltungsform (0 = Bio, 1 = Freilandhaltung, 2 = Bodenhaltung), danach folgt der Ländercode und schliesslich die Betriebsnummer. Diese Nummer einfach auf der Internetseite des Gross- oder Einzelhändlers eingeben und schon weiss man, wo die Eier gelegt und von wo aus sie verteilt wurden. 

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Diese Eier beispielsweise stammen aus Bodenhaltung in Deutschland. Bild: justusbluemer/Flickr/CC-BY

Bodenhaltung (mit BTS*)

Freilandhaltung (BTS+RAUS)Bio-Haltung (je nach Label oder Bundesverordnung)
  • Stall mit Tageslicht, Einstreu, Sitzstangen und Legenestern
  • Stall: maximal circa 10 Hühner pro m2  
  • Betrieb: maximal 18 000 Legehennen
  • kein Weidezugang
  • *Wintergarten 43 m2 pro 1000 Hühner  
  • Futter aus konventioneller Produktion
  • Stall mit Tageslicht, Einstreu, Sitzstangen und Legenestern
  • Stall: maximal ca. 10 Hühner pro m2
  • Betrieb: Maximal 18 000 Legehennen  
  • Weidefläche: Mindestens 2,5 m2 pro Huhn
  • Wintergarten: 43 m2 pro 1000 Hühner
  • Futter aus konventioneller Produktion
  • Stall mit Tageslicht, Einstreu, Sitzstangen und Legenestern
  • Stall: maximal circa 8 Hühner pro m2
  • Stall: maximal 2000 bis 3000 Hennen (maximal 500 Hennen pro Herde)
  • Weidefläche: Mindestens 5 m2 pro Huhn
  • Wintergarten: 100 m2 pro 1000 Hühner
  • Futter aus Bio-Produktion
  • Sandbad