Vor rund einem Monat riss ein Wolf in Untereggen SG zwei Lämmer und in Heiden AR zwei Milchschafe («Tierwelt Online» hat berichtet). Die Tiere waren nachts auf der Weide, die Schutzmassnahmen ungenügend: Leicht fassbare Beute für den Wolf – sein Tisch ist reich gedeckt.

In Heiden handelte es sich laut Genanalyse um einen Wolf, der bereits in Italien bekannt ist. Ob es in beiden Fällen derselbe Wolf war, wird noch abgeklärt. In den vergangenen vier Wochen wurden keine neuen Risse mehr gemeldet.

Das heisst aber noch nicht, das der Wolf sich wieder getrollt und die Region verlassen hätte: «Auf seinem Speisezettel stehen auch Hirsch, Reh und Gämse,» sagt der Ausserrhoder Jagdverwalter Willi Moesch. Einzelne Jäger wollen beobachtet haben, dass das Wild vorsichtiger geworden sei.

Tagsüber im Stall, nachts auf der Weide
Wölfe meiden Elektrozäune, vor allem wenn sie als Jungtiere einmal schlechte Erfahrungen mit elektrischen Nasenstübern gemacht haben, so Ralph Manz vom Kora Wolfmonitoring. Die nächtliche Einstallung von kleinen Herden könne eine Option sein. 

«Jede Herdenschutzmassnahme muss aber genau vor Ort angeschaut und an die betrieblichen Verhältnisse angepasst werden. Es gibt nicht einfach ‹die Lösung›. Jede Situation bedarf einer spezifischen Auswahl von Massnahmen, gemeinsam mit dem Tierhalter», sagt Manz.

Die 100 Milchschafe in Heiden werden nachts nicht eingestallt, im Gegenteil: Sie sind tagsüber in den Ställen und nachts auf der Weide, wie Josette Egli, die betroffene Schafhalterin und Bio-Bäuerin, sagt: «Am Tag ist es zu heiss, da geben die Schafe weniger Milch.»

Ungenügender Herdenschutz
«Es fragt sich, ob es legitim ist, dass der Wolf da 100 Meter beim Dorf Schafe reisst», sagt sie. Ihr Mann, Ruedi Graf, fordert den Abschuss des Wolfs. Da stellt sich die Frage nach dem Herdenschutz: Der elektrifizierte Doppeldraht sei am Morgen zerrissen gewesen, sagt Josette Egli. Elektrifizierte Weidenetze seien Fallen für Igel: Der Igel fliehe nicht, er rolle sich beim ersten Stromschlag zur Kugel und sterbe unterm Netz.

Die tödliche Falle könne vermieden werden, wenn die untersten Drähte keinen Strom führten, schreibt dazu der Schweizer Tierschutz. Allerdings springen Wölfe selten über einen Zaun, sondern zwängen sich unten durch. Hilfreich sind auch Lappenzäune mit roten flatternden Streifen, Blinklampen oder Bewegungsmeldern mit akustischer Abschreckung.

Herdenschutzhunde kommen für Grafs nicht in Frage, so die Bio-Bäuerin. «Wir sind zu nahe am Dorf und Wanderer fühlen sich bedroht.» Zwar haben sie einen Border Collie. Doch er treibe die Schafe in den Stall; er eigne sich nicht zum Hüten.

Lamas oder Esel
«Kleine Herden in der Landwirtschaftszone lassen sich durch Zäune schützen. Es gibt verschiedene wolfssichere Systeme», sagt David Geerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz, die sich für Lebensräume für Wolf, Luchs und Bär einsetzt. «Wo keine Herdenschutzhunde eingesetzt werden können, lassen sich allenfalls Lamas oder Esel einsetzen. Sie sind zwar weniger effektiv als die Hunde, dafür viel weniger konfliktträchtig und wesentlich pflegeleichter», so Geerke, der gegenwärtig selber als Schafhirt unterwegs ist.