Ein Gefühl von Freiheit, die Verbundenheit zum Tier und die Nähe zur Natur. Reiten bietet viele Vorzüge. Schliesslich heisst es nicht umsonst: «Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.» Rund 80 Prozent der 60 000 Pferde in der Schweiz werden für Freizeitritte eingesetzt. Doch nicht immer sind die Ausflüge mit den Vierbeinern von Harmonie und Idylle geprägt. «Freizeitreiter teilen sich die Strassen und Wege mit vielen anderen Nutzern, was zu Konflikten führen kann», sagt Rowena Rutz. Sie hat sich intensiv mit der Reitweginfrastruktur in der Schweiz beschäftigt und ihre Masterarbeit an der ETH Zürich zu dem Thema verfasst.

Sie ist dabei teilweise auf Kuriositäten ge­stossen. Etwa, dass Pferde seit 1958 gesetzlich dem motorisierten Verkehr gleichgesetzt sind. Fuss- und Velowege sind tabu, sodass sich Reiter an den rechten Strassenrand halten müssen. Vor gut 50 Jahren lag das Verhältnis Pferd zu Auto aber noch bei 1:3, heute ist es bereits bei 1:95. «Die Gefahr für Pferd und Reiter auf der Strasse hat sich damit drastisch erhöht», sagt Rutz. «Und das Reiten im Wald ist nicht überall erlaubt.» Rutz würde es deshalb für sinnvoll halten, Reiter auf eine Stufe mit den Velofahrern zu stellen, um mehr Möglichkeiten zu haben, dem motorisierten Verkehr auszuweichen und heikle Situationen zu vermeiden.

Viele Wege zwingen zur Langsamkeit

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="f1a01933-e187-4784-9890-6cbe9137333f" data-langcode="de"></drupal-entity>
 Bild: Günter Hommes/pixelio.de

Es lauern aber noch weitere Gefahren auf Ross und Reiter. Wasserrinnen, Barrieren oder Baumstämme verhindern häufig ein Durchkommen. «Es besteht vielerorts ein Handlungsbedarf hinsichtlich der Konstruktion der Strassen und Wege», sagt Rutz. Dies hat die vor zehn Jahren gegründete IG Reiten Thur erkannt. Vertreter von Reitställen und dem Reitverein Andelfingen ZH haben es sich zum Ziel gesetzt, ein attraktives Reitnetz für die Region zwischen Andelfingen und der Thurmündung zu schaffen. «Wir vertreten die Anliegen der Reiter gegenüber Gemeinde­behörden», sagt der Präsident Peter Hunziker. «So war es nicht nur möglich, Reitverbote zu verhindern, sondern auch zwei neue Galoppstrecken zu erstellen.»

Davon können viele Reiter nur träumen. Eine Umfrage von Rowena Rutz unter rund 1500 Freizeitreitern ergab, dass die Mehrheit der Befragten auf grossen Teilen ihrer Ausritte im Schritt reiten muss, weil der schlechte Zustand der Wege keine schnellere Gangart zulässt. Zu harte oder zu steinige Wege können die Gelenke und den Huf des Pferdes schädigen. Da sogar immer mehr Strecken im Wald auf die hohe Belastung durch schwere Maschinen ausgelegt werden, sind auch die Oberflächen härter. 

Es ist wichtig, Verbote zu respektieren
Eine positive Ausnahme für Pferdesportler liefert der Kanton Jura, der beim Bau und Unterhalt der Reitwege in den Freibergen finanzielle Unterstützung bietet. Doch davon profitieren Reiter aus anderen Landesteilen nicht. Rutz schlägt daher eine flächendeckende Zusammenarbeit der Reitvereine vor. «Um etwas für das Wohl von Pferd und Reiter zu erreichen, ist es wichtig, dass die Reitvereine auch auf regionaler Ebene zusammenarbeiten und nicht nur individuelle Vorstösse unternehmen.» Dadurch erhalte ein Antrag ein stärkeres Gewicht gegenüber einer Behörde oder der Öffentlichkeit. Wie viel ein geschlossenes Auftreten von Reitställen und -vereinen bewirken kann, zeigt das Beispiel der Millionenstadt Hamburg und ihres Umlands. Dort befindet sich ein dichtes Netz gekennzeichneter Reitwege, das von einer Interessengemeinschaft gepflegt wird. 

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="49582861-8c0c-4b29-a28d-086fac8af076" data-langcode="de"></drupal-entity>
 Bild: Jörg N./pixelio.de

Doch gerade wenn eine solche Infrastruktur nicht vorhanden ist, sollten sich laut Rutz  Reiter unbedingt vorbildlich verhalten und nicht gegen Regeln verstossen. Das ist nicht immer der Fall. «Meine Recherche ergab zum Beispiel, dass viele Reiter im Kanton St. Gallen das Verbot ignorieren, auf Wanderwegen zu reiten.» Das sei eine schlechte Voraussetzung, um von Behörden Gehör zu erhalten.

Um gar nicht erst auf den falschen Pfad zu geraten, schlägt Rutz ein Reitwegnetz in Form einer Karte vor. Sie könnte dazu dienen, potenziellen Konflikten zwischen Reitern und Grundbesitzern vorzubeugen. Es gibt zwar bereits Reitwegkarten, auch im Internet, aber ohne Möglichkeit, dass Informationen durch Dritte eingespeist werden können. «Damit garantiert werden kann, dass die Angaben auf der Karte eine hohe Aktualität aufweisen, müssen einige Personen für die Website sowie die Organisation zuständig sein», erklärt Rutz. «Es wäre ausserdem wichtig, die Routen regelmässig abzureiten und die dabei gesammelten Daten ins System zu übertragen.»

Doch diese Idee ist (noch) Zukunftsmusik. Kurzfristig viel bewirken könnte ein kooperativer Umgang der verschiedenen Interessengruppen. «Helfen etwa lokale Reitvereine bei der Instandhaltung von Wegen mit, könnte dies für Grundbesitzer ein Anreiz sein, Reitern die Benutzung zu genehmigen», vermutet Rutz. Optimal wäre es ihrer Meinung nach, wenn die Bauweise oder Sanierung eines Weges Reitern, Fussgängern und Velofahrern gleichzeitig gerecht würde.