Seit sich Luchs, Wolf und Bär wieder vermehrt in den Alpen ansiedeln, brauchen Schafe und Ziegen besonderen Schutz. Zunehmend sollen Herdenschutzhunde die kleinen Wiederkäuer und ihren Nachwuchs bewachen. Diese Massnahmen werden hierzulande sogar finanziell unterstützt, nicht immer verlaufen sie aber reibungslos. Denn gelegentlich wollen die mutigen Hunde ihre Herde nicht nur vor grossen Raubtieren, sondern auch vor Wanderern, Bikern oder fremden Artgenossen schützen. 

Auch aus diesem Grund zweifelte Vreni Cadurisch, die mit ihrer Familie in Isola/Maloja GR einen Biobergbauernhof mit Geissen betreibt, ob ein Herdenschutzhund das Richtige für sie wäre, nachdem 2002 eine ihrer Ziegen vom Wolf gerissen wurde. «Bei uns sind viele Touristen unterwegs und es erschien uns für einen Hund äusserst schwierig, zu unterscheiden, wann er bellen und schützen soll und wann nicht», erzählt sie. «Zudem haben wir im Dorf ein gut besuchtes Restaurant, das sich über den Lärm bellender Hunde sicher nicht gefreut hätte.» 

Die Landwirtin schaute sich nach Alternativen um und kam auf den Esel. Ihre Geissen waren von den beiden neuen Aufpassern nach kurzer Skepsis begeistert, klettern den Lang­ohren sogar auf den Rücken. «Die Esel wissen um die Kraft der Geissen-Hörner, sind sehr fürsorglich und lassen rangniedrige Geissen gut geschützt zwischen ihren Vorderbeinen fressen», sagt Cadurisch.

So liebevoll die Huftiere mit den kleinen Herdenkollegen umgehen, so gefährlich können sie mit gezielten Tritten und heftigen Bissen für Angreifer werden. Schon die durchdringenden Schreie der Esel, die oft eine angeborene Abneigung gegen Hunde und Wölfe haben, an die Präsenz von Treib- und Hütehunden aber durchaus gewöhnt werden können, halten viele potenzielle Räuber auf Abstand. Landwirte in aller Welt wissen das zu schätzen: Im US-Bundesstaat Texas verteidigen grosse und mittelgrosse Esel Schafe und Ziegen gegen Koyoten, in Australien halten sie wilde Hunde von den Herden fern. Und in Namibia sollen sie sogar auf Löwen und Hyänen eine abschreckende Wirkung haben.

Touristen haben selten Angst vor Eseln
In der Schweiz werden Esel bislang nur selten als «Bodyguards» eingesetzt. Das könnte an landschaftlichen und bürokratischen Hürden liegen. Esel sind zwar trittsicher, aber weniger gebirgstauglich als Hunde. Auch auf dicht mit Stauden und Dickicht bewachsenen Weiden können sie nicht gut arbeiten. «Wir können unsere Esel nur im Frühling, Herbst und Winter als Teilschutz einsetzen. In der Zeit funktioniert es recht gut, aber dann besagt ein Gesetz zum Beispiel, dass nur Kleinvieh auf gewisse Weiden darf und da gehören Esel nicht dazu», sagt Cadurisch. Zudem könnten ihre Grossesel anders als die Geissen nicht einfach unter den Zäunen der Nachbars-Alp durchschlüpfen.

Die 49-Jährige ist trotzdem von den Vorteilen der Herdenschutzesel überzeugt: Sie sind Sympathieträger und werden selten von Touristen gefürchtet. Die Gefahr, dass sie Menschen beissen, ist geringer als bei Schutzhunden, schon deshalb, weil sie zwar auf streunende Hunde, nicht aber auf Menschen reagieren. Zudem fressen sie Gras und Laub, brauchen also keinen vor den Nutztieren gesicherten Futterdispenser – vor allem im Frühjahr und Sommer müsse man aber aufpassen, dass sie nicht zu dick werden und Hufrehe bekommen. 

Bauern, die Herdenschutzesel anschaffen wollen, sollten sich ausserdem bewusst sein, dass die Esel mindestens zu zweit gehalten werden müssen und sie je nach Abrieb alle zehn bis zwölf Wochen einen Hufschnitt brauchen. «Und wie Herdenschutzhunde müssen natürlich auch Esel erzogen werden – sonst werden sie frech», rät Cadurisch und lacht.

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