Rollkur & Barren
Was wehtut, ist jetzt verboten
Als erstes Land hat die Schweiz zwei höchst umstrittene Trainingsmethoden für Sportpferde, die sogenannte Rollkur und das Barren, explizit verboten. Doch was steht hinter diesen beiden Praktiken und welche Auswirkungen hat ihr Verbot?
Der Rücken überspannt, das Maul aufgesperrt, die Augen schmerzerfüllt, der Kopf durch die Kraft der Reiterhände oder durch Hilfszügel so stark hinabgezogen, dass sich der Hals «aufrollt» und das Pferd fast in die eigene Brust beisst: Die extremen Auswirkungen der als «Rollkur» bekannten Trainingsmethode sind kein schöner Anblick und sorgten in jüngster Vergangenheit immer wieder für Diskussionen in Pferdesportkreisen.
Dabei ist die starke Biegung und Dehnung des Pferdehalses in der Dressurreiterei keine Modeerscheinung: Schon im 19. Jahrhundert beschrieb der französische Rittmeister François Baucher eine Methode, mit welcher der Hals stark gedehnt wurde, um die Beweglichkeit des Pferdes in den Seitengängen und Wendungen zu fördern. Die Befürworter dieser Trainingsmethode, die heute noch in zahlreichen Ausbildungsställen vor allem in der erfolgreichen Dressurnation Holland verbreitet ist, sehen darin eine Weiterentwicklung des Dressursports. Ihr berühmtestes Aushängeschild ist die mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin Anky van Grunsven, deren Erfolge viele Nachahmer auf den Plan riefen.
Schmerzhafte Methode für das Pferd
Die Vertreter der klassischen Reiterei, die meisten Ausbildungsexperten und Pferdemediziner lehnen die Rollkur ab. Der Weltpferdesportverband FEI will zwar keine klinisch nachweisbaren Gesundheitsprobleme mit der auch «Hyperflexion» genannten Praktik in Verbindung bringen, verurteilt sie jedoch «als ein Beispiel von mentalem Missbrauch».
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Hans Wyss, Tierarzt und BLV-Direktor. Bild: Angelika Nido Wälty |
Deutlicher wird Hans Wyss, Tierarzt und Direktor des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV: «Die Rollkur ist eine gewaltsame Methode, die dem Pferd körperliche und psychische Schmerzen zufügt.» Tierschutzrelevant sind vor allem Extremfälle, bei denen die falsche Einwirkung des Reiters beziehungsweise die falsche Verwendung von Hilfszügeln sowie die unnatürliche Haltung des Pferdes offensichtlich sind und über mehrere Minuten andauern. Die Rollkur lässt sich nicht vereinbaren mit der Grundidee der Schweizer Tierschutzgesetzgebung, wo nach Artikel 4, Absatz 2 niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. In der revidierten Tierschutzverordnung, die am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist, sind deshalb sowohl die Rollkur als auch das Barren, bei dem ein Springpferd durch das Verursachen von Schmerz oder Angst dazu gebracht wird, die Beine über dem Hindernis höher zu heben, explizit verboten.
Die Bestimmungen wurden dem Artikel 21 («Verbotene Handlungen bei Pferden») jedoch nicht deshalb hinzugefügt, weil hierzulande grobe Missstände herrschen. «Ich bin nicht der Meinung, dass wir bei uns ein gravierendes Problem mit der Rollkur haben. Dramatische Beispiele habe ich auf Schweizer Abreiteplätzen selten gesehen», sagt Wyss, der selber ein begeisterter Springreiter ist. Vielmehr gehe es darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was erlaubt ist und was nicht: «Es ist wichtig, dass jeder, der Reitstunden nimmt, von Anfang an lernt, dass die Rollkur und das Zwingen des Pferdes in eine unnatürliche Haltung keine Methoden sind. Das Pferd bleibt ein Tier und ist kein Sportgerät!»
Steigende Preisgelder, sinkende Moral
Auch das Barren ist künftig keine vom Gesetzgeber mehr geduldete Methode, um ein Springpferd dazu zu bringen, seine Beine über dem Hindernis höher zu heben. Das gilt sowohl für das aktive Barren, wie etwa das Anheben der Stange oder der Sprungauflage, nachdem das Pferd abgesprungen ist, als auch für passive Massnahmen, wie das Anbringen eines dünnen Rohrstocks oder eines Drahts über der Stange. In diese Kategorie fällt auch das «chemische Barren», bei dem Substanzen auf die Pferdebeine aufgetragen werden, die diese so empfindlich machen, dass die Berührung mit den Hindernisstangen zu Schmerzen führt. Noch vor wenigen Jahren galt das Barren unter Springreitern als Gentleman-Delikt: Nach der Barr-Affäre um den ehemaligen deutschen Springreiter und Pferdehändler Paul Schockemöhle in den 1990er-Jahren bezeichneten selbst Springreiterlegenden wie der Brite John Whitaker das Barren öffentlich als legitime Methode.
Längst geht es im Pferdesport um grosse Geldsummen – und wie in allen anderen Sportarten auch gehen Trickserei, Doping und fragwürdige Trainingsmethoden mit der zunehmenden Kommerzialisierung einher. Doch während ein zweibeiniger Sportler für seine Entscheidungen selber verantwortlich ist, ist der vierbeinige Athlet seinem Reiter oder Besitzer ausgeliefert. In unserer westlichen Gesellschaft, in der das Tier einen immer wichtigeren Stellenwert einnimmt, wird die Ausbeutung und Misshandlung von Pferden zu Sportzwecken nicht mehr toleriert. «Meiner Meinung nach bewegt sich der Pferdesport zurzeit auf einem schmalen Grat. Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Pferd im Sport wird für die Zukunft entscheidend sein», sagt BLV-Direktor Wyss.
Die Organisation und Reglementierung von Pferdesport-Wettbewerben ist zwar primär die Aufgabe der zuständigen Verbände, doch kommt dem Staat eine Aufsichtsfunktion zu. Das Festlegen von Bestimmungen wie dem Rollkur- und dem Barr-Verbot in der Gesetzgebung erleichtert den Verbänden allerdings die Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Das Barren von Pferden ist im Regelwerk des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport SVPS bereits seit einigen Jahren verboten und kann sanktioniert werden. Für die Hyperflexion ist noch kein entsprechender Artikel vorhanden, doch setzt man sich zurzeit beim Verband intensiv mit der Auswirkung der neuen Bestimmung auf den Pferdesport auseinander.
Das grösste Problem im Turniersport wird die Kontrolle und die Durchsetzung des Rollkur-Verbots sein. Denn wo genau hört pferdegerechtes Reiten auf und wo beginnt der Missbrauch des Tieres? Mit dieser Frage setzte sich in den vergangenen Monaten auch ein Expertengremium der Deutschen Reiterlichen Vereinigung auseinander. Es erarbeitete einen umfangreichen Kriterienkatalog, der nicht nur den Richtern auf dem Abreiteplatz, sondern auch allen Reitern, Trainern und der Öffentlichkeit die Einschätzung der Situation leichter machen soll. Der SVPS will in dieser Angelegenheit mit dem deutschen Verband kooperieren, was gemäss SVPS-Präsident Charles F. Trolliet «nicht nur aus Gründen der Effizienz und der Kosten Sinn ergibt, sondern auch im Hinblick auf einheitliche Standards in ganz Europa».
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