Anne-Kathrin Witschi steht vor der Tür zum Schweinestall des Hofs Schweikhäusern im luzernischen Buttisholz und zieht sich als Erstes Stiefelüberzieher aus Plastik und einen weissen Einwegmantel an. «Das ist nicht etwa, damit wir hier nicht schmutzig werden, sondern damit wir keine Krankheiten einschleppen, wenn wir im Rahmen unserer Arbeit von Betrieb zu Betrieb gehen», erklärt sie schmunzelnd. 

Mit Bauer Leo Sidler und seinem Sohn Roland tritt sie durch die Türe. Ein mittelgrosser Stall – sechs Mastbuchten, ausgestattet mit einer eingestreuten Liegefläche mit reichlich Stroh darin und einem angrenzenden, permanent zugänglichen Auslauf ins Freie. Sie zückt ihr Laser-Messgerät und richtet den roten Punkt auf die Buchtenwände. «16 Quadratmeter», liest sie ab und sagt: «Mehr als genug Platz für die 26 Schweine dieses Gewichtsabschnitts von 60 bis 80 kg.» Gemäss den Coop-Naturafarm-Richtlinien, deren Einhaltung Anne-Kathrin Witschi auf ihrer heutigen Tour kontrolliert, muss jedes Schwein mit diesem Körpergewicht mindestens 0,5 Quadratmeter eingestreute Liegefläche zur Verfügung haben – das ist mehr als das Tierschutzgesetz vorschreibt. Die Schiebewände in den Buchten verschiebt der Bauer mit zunehmendem Gewicht seiner rund 260 Schweine nach hinten.

Einstreuen ohne Ende
Auch mit der Einstreu ist Anne-Kathrin Witschi zufrieden: reichlich und trocken. «Und das, obwohl Sommer ist. Viele Schweine liegen bei hohen Temperaturen lieber draussen im Auslauf, gehen zum Koten und Harnen aber dann in den Liegebereich im Stall, was natürlich alles andere als erwünscht ist», sagt sie. Die Strohhalme sind ausserdem lange genug, und das verwendete Stroh kann so auch als die vorgeschriebene Beschäftigungsmöglichkeit für die Tiere akzeptiert werden. «Beschäftigung ist wichtig, sie beugt Verhaltensstörungen wie Schwanzbeissen und Kannibalismus vor.» Als Nächstes sind die Ohrmarken dran: Sind es die richtigen und sind sie auch bei jedem Tier vorhanden? Positiv äussert sich die Kontrolleurin zur guten Luftqualität im Stall. «Gerade im Sommer steigt in vielen Ställen der Ammoniakgehalt stark an», erzählt sie.

Witschi tritt mit Leo und Roland Sidler durch die hintere Stalltür ins Freie, wo sie den befestigten Auslauf prüft: Sind die Spalten der Rostelemente in einem Zustand, der den Vorgaben der Tierschutzverordnung entspricht, oder sind ausgebrochene Stellen vorhanden, welche für die Schweine eine Verletzungsgefahr darstellen können? Gibt es genügend Tränke-Nippel? Und funktioniert die geforderte Abkühlungsmöglichkeit in Form von Wasservernebelung? Auch die fix eingerichtete, betonierte Verladerampe nimmt sie lobend zur Kenntnis. Diese ermögliche ein stressfreieres und somit auch schonendes Verladen der Tiere für den Transport in den Schlachthof.

Dann steht auf dem Hof die Überprüfung der «Büroarbeit» an, wie Anne-Kathrin Witschi sich ausdrückt. Landwirt Leo Sidler zieht den Coop-Naturafarm-Produzentenordner aus dem Regal. Er enthält diverse Dokumente wie beispielsweise die Begleitdokumente der angelieferten Tiere, die Übersicht über die vorgenommenen medizinischen Behandlungen sowie die Liste mit dem Inventar an den auf dem Betrieb vorhandenen Medikamenten. Anne-Kathrin Witschi blättert sie alle prüfend durch. Als Letztes wirft sie noch einen Blick auf die Futterlieferscheine. «Coop Naturafarm akzeptiert nämlich nur den Einsatz von Futter ohne Fischmehl und ohne gentechnisch veränderte Komponenten. Ausserdem muss das Soja aus einer nachhaltigen Produktion stammen.» 

Nach rund einer Stunde ist die Kontrollrunde fertig. «Sauber geführter Betrieb mit für die Jahreszeit schöner Einstreu», notiert Anne-Kathrin Witschi ins Abschlussprotokoll und verabschiedet sich mit per Handschlag von den beiden Landwirten. Sie steigt in ihren Fiat Panda und peilt ihr nächstes Ziel an.

Der Hof Seeheim in Küssnacht am Rigi hält rund 120 Mastkälber, daneben aber auch Mutterkühe und betreibt nebst Obstbau aus­serdem Gästebewirtung. Er liegt idyllisch an den Gestaden des Vierwaldstättersees. Wie auf dem letzten Hof kontrolliert Witschi auch bei den Kälbern nun den eingestreuten Liegebereich und die Ausläufe. Stehen den Tieren immer Heu und Wasser zur Verfügung? Ist genug eingestreut? 

Alles in Ordnung auf dem Betrieb Seeheim. Nur einige Futterlieferscheine muss der Bauer im Stall zusammensuchen. Der Chauffeur stecke sie halt irgendwo hin, wenn beim Abladen niemand da sei, merkt der Landwirt Paul Weiss dazu an. Die Kontrolleurin zeigt Verständnis, vermerkt aber auf dem Protokoll die Auflage, ab sofort alle Lieferscheine in einem Ordner abzulegen sowie das Behandlungsjournal der Tierärztin zum Visieren zu geben.

Anspruchsvolle Kommunikation
Anne-Kathrin Witschi sagt, sie möge ihre Arbeit. Nebst der Freude an Tieren braucht es eine gute Portion Sozialkompetenz, was auch die Herausforderung bei dieser Arbeit darstelle. «Es ist nicht nur anspruchsvoll, Kritikpunkte zu kommunizieren. Man stösst im Rahmen der Kontrollen auch immer wieder auf schwierige Familiensituationen, wie zum Beispiel Krankheiten oder Todesfälle, bei denen es nachvollziehbar ist, dass die Tiere nicht oberste Priorität haben.» 

Und doch sei es auch da ihr Job einzugreifen, damit die Tiere nicht zu kurz kämen oder gar fast etwas vergessen gingen. Den Sinn ihrer Mission hat sie noch nie angezweifelt. «Label-Kontrollen schuldet der Auftraggeber den Konsumenten, und zwar unangemeldete. Wenn sie bereit sind, für das bessere Tierwohl mehr zu bezahlen, dann muss dies auch überprüft werden.»