Da staunt man nicht schlecht. Zum vereinbarten Hufschmiedetermin auf einem privaten Pferdehof nahe Wädenswil ZH fährt ein riesiger amerikanischer Pickup vor. Und als die Tür des schwarzen Dodge aufgeht und eine zierliche junge Frau aussteigt, ist die Verwunderung nochmals grösser. Das ist also die Hufschmiedin, die gleich drei stattliche Sportpferde ganz ohne Hilfe mit neuen Schuhen ausstatten wird? «Genau, ich bin die Miki Sukale», lacht die 37-Jährige verschmitzt, während sie sich Lederchaps über die Jeans anlegt und in die Arbeitshandschuhe schlüpft. Zur Ausrüstung gehören zudem Stahlkappenschuhe, falls ein Pferd seinen Huf einmal genau auf ihren Fuss platzieren sollte.

Schon ist die Hufschmiedin startklar und führt ihre erste Kundin, die hübsche braune Stute Hermine aus dem Stall. «Meist sind die Besitzerinnen der Pferde beim Beschlagen nicht anwesend und ich erledige alles selbst», erklärt Miki Sukale. Als Erstes nimmt sie der Stute mit Hilfe einer Zange die alten Eisen ab. Eine Beschlagsperiode dauert durchschnittlich sechs bis acht Wochen, dann ist der Huf so weit nachgewachsen und die Eisen so stark abgelaufen, dass eine Pediküre und neues Schuhwerk nötig sind.

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Währenddessen beginnt Miki Sukale, die in Berlin geboren wurde und im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie in die Schweiz zog, gutgelaunt zu erzählen. Als es gegen Ende der Gymnasialzeit darum ging, sich Gedanken um die berufliche Zukunft zu machen, habe sie gewusst, dass ein Studium für sie nicht in Frage käme. Nochmals etliche Jahre die Schulbank zudrücken, dazu hatte sie definitiv keine Lust. Viel lieber wollte sie draussen mit ihren geliebten Pferden arbeiten. Die Lehre zur Pferdefachfrau, also Bereiterin,sollte es nicht sein, und nach einem Schnuppertag bei einem Hufschmied war für die Tierfreundin klar, wohin es beruflich gehen sollte. Die vierjährige Lehre be-endete sie 2009. Damals war sie die einzige Frau in ihrer Berufsschulklasse. In den letzten Jahren hat sich das Geschlechterverhältnis in diesem Beruf allerdings etwas geändert, führt Christian Krieg vom Berufs-verband Farriertec Suisse aus. Der Einstieg in die selbstständige Tätigkeit als Hufschmiedin war für Miki Sukale mit einigen Anstrengungen verbunden. «Bis ich einen gewissen Kundenstamm etabliert hatte, war ich ergänzend nachts im Sicherheitsdienst tätig», erinnert sie sich an ihre beruflichen Anfänge.

Die Funken sprühen

Nachdem die alten Hufeisen entfernt sind, müssen die Hufe ausgeschnitten und mit einer grossen Feile abgeraspelt werden. Wie bei unseren Fingernägeln gilt es, das nachgewachsene Horn zu entfernen und auf die richtige Form zuzuschneiden. Miki Sukale macht dies mit grosser Ruhe und Konzentration. «Mir ist ein geduldiger und stressfreier Umgang mit den Pferden sehr wichtig», betont die ambitionierte Vielseitigkeitsreiterin. Die Tiere sollen Vertrauen in sie haben und den Beschlagstermin nicht als etwas Unangenehmes wahrnehmen. Auch zu den Pferdebesitzerinnen ist ihr ein guter Draht wichtig. Der Gedankenaustausch mit den Leuten, die das Pferd am besten kennen, sei von Bedeutung. Nur so könne sie auf die Bedürfnisse der Tiere und die Wünsche der Besitzer gut eingehen.

«Schön an meiner Arbeit finde ich auch, dass man mit kleinen Veränderungen viel Positives bewirken kann.»

Mittlerweile hat sich die kompetente Art der jungen Hufschmiedin weit herumgesprochen. Die anfängliche Skepsis mancher Pferdebesitzer konnte in Begeisterung umgewandelt werden. Miki Sukale zählt Sportpferde, aber auch Shetlandponys, Zuchtstuten und gar Esel im Umkreis von Luzern, dem Aargau bis nach Zürich zu ihren Kunden.

Als es ans Anpassen der neuen Eisen geht, sieht man, was der imposante Dodge alles in seinem aufklappbaren, extra in den USA angefertigten Aufbau verbirgt. Neben einem Lager an Hufeisen in verschiedenen Grössen versteckt sich hier eine ganze Werkstatt. In einem schwenkbaren kleinen Ofen werden die Eisen erhitzt und zur Probe auf den Huf gesetzt. Dabei entsteht eine beissend nach verbranntem Horn riechende Rauchfahne. «Wenn ich mal direkt von der Arbeit einkaufen gehe, kann ich beobachten, dass der ein oder andere die Nase rümpft», schmunzelt MikiSukale. Danach wird das Hufeisen an einem Amboss in die richtige Form gehämmert und im Wasserbad abgekühlt.

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Nun setzt sich Miki Sukale eine Schutzbrille und einen Pamir auf, denn es geht an die Schleifmaschine. Indem die Eisen den letzten funkensprühenden Schliff bekommen, werden sie in die exakt richtige Grösse und Form gebracht. Bevor die neuen Eisen auf-genagelt werden können, kommt noch eine Bohrmaschine zum Einsatz.Damit Stollen, das sind eine Art Spickes, die auf rutschigem Grund mehr Halt geben, bei Bedarf in die Eisen eingeschraubt oder -geschlagen werden können. Wer jetzt noch glaubt, als Hufschmiedin sei kein handwerkliches Geschickt gefragt, hat einiges verpasst.

Kalkulierter Kraftakt

«Klar, es steckt viel physische Arbeit in dem Beruf, ich habe es aber noch kaum je erlebt, dass meine Kraft dazu nicht ausgereicht hätte», wendet Miki Sukale ein. Nur beim Beschlagen eines riesigen Kaltblüters sei sie tatsächlich einmal an ihre diesbezüglichen Grenzen gestossen. Von Unfällen wie zum Beispiel Huftritten oder Verbrennungen sei sie bisher gänzlich verschont geblieben. Dass die noch junge Frau körperlich gut mit ihrem anstrengenden Beruf zurechtkommt, liegt auch daran, dass sie jeweils nur am Morgen zum Beschlagen unterwegs ist. Nachmittags gibt sie im eigenen Betrieb, der stilecht den Namen Farrierranch trägt, Reitunterricht oder bewegt Pferde. Die Arbeit auf ihrem Reithof im luzernischen Egolzwil bietet den optimalen Ausgleich. «Damit ich Lehrlinge ausbilden kann und einen offiziellen Fähigkeitsausweis auch im reiterlichen Bereich vorweisen kann, habe ich als Zweitausbildung doch noch die Bereiterlehre abgeschlossen», erklärt die umtriebige Miki Sukale.

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Bald ist auch Hermine wieder für die Arbeit auf dem Reitplatz oder ausgedehnte Ausritte bereit, fehlt nur noch, dass ihr die neuen Eisen aufgenagelt werden. Bis die überstehenden Nagelspitzen abgeknipst sind und die hübsche Stute wieder in ihre Box geführt werden kann, sind knapp eineinhalb Stunden vergangen. Miki Sukale nimmt sich gerne genügend Zeit für ihre Beschlagstermine. Rund um Pferde in Hektik auszubrechen, möchte sie vermeiden. Ihr nächster Kunde nimmt etwas weniger Zeit in Anspruch, erfordert dafür umso mehr Feingefühl. Der hübsche Schimmelhengst wird barhuf, also ohne Hufeisen geritten.

Er ist anfangs noch etwas ungestüm und hatte die letzte Zeit mit Hufproblemen zu kämpfen. Miki Sukale mustert erst die Hufstellung und -qualität ganz genau, bevor sie mit dem Besitzer diskutiert, wie sie die Hufe bearbeiten will. «In manchen Fällen ist sogar die Rücksprache mit dem behandelnden Tierarzt angezeigt», gibt die Fachfrau Auskunft. Dann macht sie sich auch beim Schimmel daran, dass überschüssige Horn mit einer grossen Zange abzuknipsen und mit einer Feile abzuraspeln, bis die Hufe in der richtigen Form und Stellung sind. Durch ihre ausgeglichene Art und die effiziente, aber nie hektische Arbeitsweise hat auch der Wildfang rasch Vertrauen gefasst und lässt das Prozedere ganz ohne Widerspruch über sich ergehen.

«Schön an meiner Arbeit finde ich auch, dass man mit kleinen Veränderungen viel Positives bewirken kann und direkt sieht, was man gemacht hat», sagt Miki Sukale und holt das nächste Pferd aus dem Stall, dem sie noch vor dem Mittagessen ein abgerissenes Eisen wieder anbringen will.