Endlich wieder raus aus der Box, ab auf die grüne Weide. Der Start der Weidesaison bietet Grund zur Freude. Für viele Pferde- und Ponybesitzer schwingt jedoch beim Anweiden auch ein bisschen Respekt mit. Denn das Verletzungs- und Erkrankungsrisiko ist während dieser Angewöhnungszeit schon etwas erhöht.

Der Gehalt an Eiweiss und Kohlenhydraten (Fructan) ist im Gras deutlich höher als im Heu, der Rohfasergehalt hingegen viel tiefer. Gerade das frische Frühlingsgras, das sich noch in der Wachstumsphase befindet, enthält besonders viel Protein und Fructan. Die Umstellung von Heu auf Weidegras stellt für den Pferdedarm und -magen also eine ziemliche Herausforderung dar. Ein plötzlicher Eiwissüberschuss setzt den Stoffwechsel stark unter Druck, besonders die Leber und die Niere. Als Folge können Durchfall, Koliken oder Hufrehe, eine sehr schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut, auftreten. Um das frische Gras gut verdauen zu können, müssen im Pferdemagen spezielle Darmbakterien vorhanden sein. Diese müssen sich nach der Winterzeit jedoch erst wieder bilden, was rund 14 Tage in Anspruch nimmt. Deshalb sollte die Anweidephase, in der die Weidezeit kontinuierlich gesteigert wird, mindestens so lange dauern.

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Schritt für Schritt

Dazu, wie lange die Pferde in diesen ersten Wochen täglich Gras fressen dürfen, findet man unterschiedliche Angaben. Die ersten Ausflüge ins frische Grün sollten aber kurz und kontrolliert, am besten am Führstrick stattfinden. Ein Pferd von heute auf morgen direkt mehrere Stunden auf die Weide zu lassen ist sehr risikoreich. Ein realistischer Anweideplan besteht aus:

Die erste Woche täglich 10 – 15 Minuten an der Hand grasen lassen.

Die zweite Woche täglich bis 30 Minuten an der Hand grasen lassen.

Die dritte Woche täglich eine Stunde auf die Weide lassen.

Dann kann die Weidezeit kontinuierlich etwas erhöht werden.

Während der Angewöhnungzeit sollten die Pferdehalter ihre Tiere genau beobachten: Tritt Durchfall oder Kotwasser auf nach dem Grasen oder gast das Pferd stark auf? Dann sollte die Weidezeit sofort wieder etwas reduziert werden. Auch angeschwollene Beine können ein Zeichen für Eiweissüberschuss im Organismus sein.

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Fütterung anpassen

Empfehlenswert ist auch, den Anweideprozess jeweils am Nachmittag oder sogar in den frühen Abendstunden zu starten und nicht früh morgens. Denn ab dem Mittag sinkt der Zuckergehalt im Gras.

Vor dem Weidegang sollte Heu oder Heulage gefüttert werden, damit der Magen schon mal gefüllt und die Gier auf das frische Gras etwas gedämpft ist. Kraftfutter direkt vor oder nach dem Weidegang zu reichen ist hingegen eine schlechte Idee. Denn Kraftfutter enthält viele Kohlenhydrate, dazu noch das kohlehydrathaltige Gras verdauen zu müssen, kann den Verdauungstrakt überfordern.

Bei übergewichtigen oder besonders hufreheanfälligen Pferden kann es ratsam sein, sie nur auf klein abgesteckte Weiden zu lassen, die vielleicht sogar schon etwas abgegrast sind. Auch eine Fressbremse kann hier gute Dienste leisten, damit solche Pferde gemeinsam mit ihren Artgenossen auf die Weide dürfen. Doch Fressbremsen sollten nur limitiert eingesetzt werden, denn sie nehmen dem Pferd viele Möglichkeiten der Mimik und verändert die Kiefermechanik.

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Bewegung hilft

Während der Anweidezeit ist es besonders wichtig, das Pferd gut und regelmässig zu bewegen. Damit kann die Verdauung des ungewohnten Futters unterstützt werden. Man sollte darauf achten, das Pferd möglichst lange und eher ruhig im aeroben Bereich zu bewegen. Ein ausgedehnter Ausritt oder Spaziergang ist hier besser geeignet als eine kaum 30-minütige, intensive Arbeitseinheit.

Wenn die Pferde gut bewegt sind, kann auch das Verletzungsrisiko bei den ersten paar Mal Weideauslauf etwas vermindert werden. Damit sich die Tiere nicht verletzen, wenn sie übermütig herumtollen, ist es ratsam sie anfangs einzeln auf die Weide zu bringen. Als Schutz können auch Gamaschen und Glocken angelegt werden.