Eigentlich sind sie ja ganz woanders zu Hause. Verrauchte Szenelokale und kleine Showbühnen gelten als der natürliche Lebensraum von Slam-Poeten. Doch ab und an trauen sich diese Sprachartisten auch in ungewohnte Gefilde. Etwa in den Zoo Zürich. Hier finden nämlich diesen Sommer acht Poetry-Slams statt. Ein Balztanz mit Worten, um die Gunst des Publikums.

Poetry-Slams sind Dichterwettkämpfe, an denen die Teilnehmer ihre selbst verfassten Texte einem Publikum vortragen. Dieses bestimmt anschliessend per Applaus den Sieger. Oft kämpfen die Poeten dabei mit tiefgründigen, intellektuellen Abhandlungen um den Sieg, immer jedoch mit Humor, Schwung und Wortwitz. 

Als Moderator Phibi Reichling – selber auch ein aktiver Slam-Poet – vom Zoo Zürich angefragt wurde, einen tierischen Dichterwettstreit zu organisieren, sagte er zu und schnappte sich vier Slammer-Kollegen. Aus einer Liste von über fünfzig Zootieren durften sich diese ihren Liebling aussuchen und einen Text über ihn schreiben. An den Slam-Führungen im Zoo haben die vier Sprachakrobaten nun jeweils sechs Minuten Zeit, ihre Gedanken zu «ihrem» Tier möglichst erfrischend an die Zuschauer zu bringen. Dazu stellen sich die Poeten direkt vor das Gehege und tragen dem Publikum ihren Text vor, während sie den neugierigen Blick der Protagonisten im Rücken spüren. 

Der Löwe will nicht ruhig sein und der Uhu ist schwerfällig wie die EU
In der Regel sind es höchstens Zwischenrufe des Publikums, die einen Slammer aus der Fassung bringen können, doch im Zoo lauern ganz andere Schwierigkeiten auf die Poeten, wie Etrit Hasler feststellen musste. Mitten in seiner Abhandlung über den Europäischen Löffler (und sein Balzgehabe an der Vogelhochzeit) erdröhnte aus dem Löwenkäfig nämlich ein lustvolles Brüllen. Dem Slammer blieb nichts anderes übrig, als unter den Worten «Der macht das JEDES MAL!» zu warten, bis der Raubkater wieder ruhig wurde.

Die Poetry-Slam-Führung ist eine interessante Mischung aus Kultur und Zoobesuch. Eine Kombination, die in der Vergangenheit nicht immer funktioniert hat, wie Roger Graf betont. Graf ist Leiter Zooinformation und Edukation und neben Moderator Reichling der Tourguide, der als Ergänzung zu den selten völlig ernst gemeinten Slam-Texten Wissenswertes und Anekdotisches über die tierischen «Musen» der Poeten zu erzählen weiss.

In diesem Fall klappt es mit der Kultur im Zoo jedoch gut. «Wie kommt der auf so etwas?», fragt sich manch einer der Zuschauer, wenn er den Texten lauscht. Simon Chen etwa vergleicht den Europäischen Uhu mit dem schwerfälligen EU-Verwaltungsapparat. Eine absurde Idee, die der Wortakrobat im breitesten Berndeutsch ausführt. 

Skurril ist auch der Text von Gregor Stäheli. Gefühlvoll, ja fast mitleiderregend, versetzt er sich in die Lage des Kleinen Pandas, dieses frustrierten, fuchsroten Fellknäuels, das auf immer zu einem Schattendasein neben seinem allseits geliebten grossen Bruder, dem Naturschutzorganisations-Logo-Panda, verdammt ist.

Die Zuschauer am meisten überzeugt hat allerdings diesmal Kilian Ziegler, der eine regelrechte Ode an das Alpaka komponiert hat. Nach seiner Lobeshymne auf das wuschelige Andentier waren die Zuschauer derselben Meinung wie der Poet: «Wenn der Mensch die Krone der Schöpfung ist, dann sind Alpakas deren Wollmütze!»

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Einige Ausschnitte vom Slam im Zoo Zürich. Video: © Tierwelt/mg

Poetry-Slams im Zoo Zürich

90-minütige Zoo-Führungen mit Slam-Unterhaltung. Die weiteren Daten:
Achtung! Die Daten im Heft sind falsch!
Mittwoch, 10. Juli, 18 Uhr
Mittwoch, 10. Juli, 20 Uhr
Donnerstag, 11. Juli, 18 Uhr
Donnerstag, 11. Juli, 20 Uhr

Wettbewerb

Die Vorführungen sind bereits allesamt ausgebucht, doch die «Tierwelt» verlost je 2 Tickets für die beiden 18-Uhr-Führungen.

Schreiben Sie bis am Sonntag, 7. Juli eine E-Mail mit dem Betreff «Poetry Slam» und Ihrer Adresse an web@tierwelt.ch, um an der Verlosung teilzunehmen.