Die zwei sehen aus, als ob sie gerade auf Pirsch durch den Wald unterwegs sind. Sam Keller ist grün gekleidet wie ein Jäger, neben ihm trottet der Entlebucher Sennenhund Floyd. Das Duo ist in den Fluren der Kantonsschule Zug unterwegs. Klingt ungewöhnlich. Ist es auch. Der 37-Jährige arbeitet seit 2011 als Naturwissenschaftlicher Assistent und Tierpfleger an der Kanti. «Es gibt einige Schulen, die Tiere halten, die dann im Unterricht integriert werden. Es sind aber meistens nur wenige Tiere  – das hängt vom Engagement der Schule ab», sagt Keller. 

Hier in Zug ist das ganz anders: In rund 30 Käfigen, Volieren, Aquarien und Terrarien leben verschiedenste Tiere wie Feuersalamander, Mäuse, Ratten, Kornnattern, Papageien und Fische. Mehr als 100 Tiere sind hier zu Hause. Auch Gifttiere? «Nein. Als aussergewöhnlichstes Tier haben wir seit Jahren eine Kraushaar-Vogelspinne bei uns. Deren Brennhaare können ein unangenehmes Jucken auf der Haut auslösen  – mehr aber auch nicht.» 

Auch Tierpfleger im Tierpark Goldau
Früher hat sich eine Biologielehrerin um die erst wenigen Tiere gekümmert. Das wurde ihr zu viel und die Schule stellte als Assistent einen diplomierten Tierpfleger an, der dann die Tierhaltung immer stärker ausbaute. Viele Tiere werden im Biologieunterricht eingebaut: Dort werden beispielsweise Mäuse von den Schülern, die Bio als Schwerpunktfach belegen, auf dem Hochlabyrinth für Konditionierungsexperimente eingesetzt. Die Jugendlichen sehen aber auch zu, wenn die Schlangen tote Mäuse verdrücken. Fressen und gefressen werden wird so anschaulich demonstriert.

Ich liebe den Umgang mit den Jugendlichen und erkläre ihnen gerne Aspekte der Natur.

Sam Keller
Tierpfleger Kantonsschule Zug

«Zudem kümmern sich die Schüler um einzelne Tiere. Sie machen die Käfige sauber und füttern sie», erklärt Sam Keller. Daraus könnten tiefe Beziehungen zwischen Schülern und Tieren entstehen. Gegen ein kleines Entgelt kümmern sich die Kantischüler auch am Wochenende um ihre Schützlinge an der Schule. «Es kommt sogar vor, dass Schüler, die sich während der ganzen Schulzeit um ihre Tiere gekümmert haben, diese nach Ende der Schulzeit mit nach Hause nehmen. Eine Schülerin hat so eine Schlange von hier als Haustier adoptiert.» Auf Schüler, die Kontaktschwierigkeiten haben, wirken die Tiere zudem positiv, erzählt Sam Keller, der eine 60-Prozent-Stelle an der Kantonsschule Zug belegt.

Zu 20 Prozent arbeitet er noch im Natur- und Tierpark Goldau als Tierpfleger. Dort war er früher als Ranger engagiert und hat Besuchergruppen durch den Tierpark geführt. Nun ist er unter anderem zuständig für das Projekt «Tierpark macht Schule». In Rahmen dessen können Tierarten wie Farbmäuse und Fauchschaben für das Klassenzimmer für eine begrenzte Zeit ausgeliehen werden. Keller begleitet die Schulklassen, um das nötige Wissen für die tiergerechte Versorgung weiterzugeben und steht für Fragen zur Verfügung.

Keller hat zusätzlich Ausbildungen im Bereich Jugendarbeit absolviert. So ist er Leiter Jugend und Sport im Bereich Winter, wobei er sich auch mit dem Aspekt der Wildtiere beschäftigt. «Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. «Ich liebe den Umgang mit den Jugendlichen und erkläre ihnen gerne Aspekte der Natur», sagt Keller.

Videoporträt von Sam Keller

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Zuerst Gärtnerlehre gemacht
Bei den meisten Tieren an der Kanti Zug handelt es sich um Findel- oder Verzichtstiere. «Statt ins Tierheim gelangen sie hierher. So beherbergen wir Aquariumsfische, die jemand nicht mehr haben wollte oder einheimische Kröten und Salamander, die es nicht rechtzeitig ins Winterquartier geschafft haben.» Sind die Amphibien wieder bei Kräften, wird Sam Keller sie am Fundort aussetzen. 

«Eigentlich wäre ich gerne Bauer geworden. Doch ich habe zuerst eine Lehre zum Gärtner gemacht. Danach habe ich mich noch zum Tierpfleger für Heimtiere im Tierheim des Tierschutzes Luzern ausbilden lassen», erzählt Keller auf dem Gang durch die Kantonsschule. Er selber hält eine Katze und Hühner. «Das ist eigentlich wenig», sagt Keller. «Viele Tierpfleger haben mehr Haustiere. Aber ich habe ja noch die Tiere hier in der Kantonsschule.» Hund Floyd gehört eigentlich seinen Eltern, er begleitet Sam Keller aber häufig während seiner Arbeit. In seinem kleinen Büro züchtet Sam auch Fliegen und Schaben, die an die Amphibien verfüttert werden.

Im Gang schrillt die Pausenglocke. Eine Schar Mädchen steht plötzlich in Kellers Büro. Sie holen den dreijährigen Hund Floyd zum Spielen ab. «Er ist der Liebling der Schüler und bekannter als ich. Schon als Welpe ist er hier in der Kanti unterwegs gewesen. Floyd kennt hier alles und hat keinen Stress wegen den vielen Menschen.» 

Es kommt vor, dass Schüler, die sich während der ganzen Schulzeit um ihre Tiere gekümmert haben, diese nach Ende der Schulzeit mit nach Hause nehmen.

Sam Keller
Tierpfleger Kantonsschule Zug

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Sogar einen Löwen seziert
Und wie erlebt er den Umgang der Schüler mit den Tieren? «Es gibt schon den Trend, dass die Jugendlichen mit den Tieren auf die Schnelle Tricks einüben wollen, wie sie es auf YouTube gesehen haben», sagt Keller. Aber er mache klar: Tiere seien keine Spielsachen, die man einfach beliebig rumtragen könne. Und Keller weiter: «Ein Tier professionell zu trainieren, das ist durchaus möglich. Das braucht aber viel Wissen, Zeit und Geduld.» Eine Schülerin habe es nun beispielsweise geschafft, dass die Papageien ihr auf die Hand fliegen. «Sie hat aber zuvor viele Stunden intensiv mit den Tieren verbracht», betont Keller.

In den Fluren des Biologietrakts der Kantonsschule Zug sind in Schaukästen zahlreiche ausgestopfte Tiere zu sehen. Und viele Skelette. Gelegentlich werden auch aussergewöhnliche Sektionen von Tieren durchgeführt. In einem der Schaukästen ist das ganze Skelett einer Kuh zu sehen, welches die Schüler freigelegt haben. 

Nun wurde kürzlich sogar ein Löwe seziert. «Das Tier stammte aus einem Zoo aus der Schweiz», verrät Keller. Der enthäutete Tierkadaver wurde an der Kantonsschule vom Fleisch befreit, entfettet und das Skelett freigelegt. Dieses wird nun als Modell zusammengebaut und soll später die schon eindrückliche Skelettsammlung der Schule ergänzen. Dass das Tier überhaupt in Zug gelandet ist, dafür hat Sam Keller mit seinen Kontakten gesorgt. «Es ist nicht unüblich, dass tote Zootiere der Wissenschaft übergeben werden», erklärt Keller, während Hund Floyd schon wieder weg ist – eben hat eine Kollegin den Vierbeiner nach Draussen zum Spielen entführt. Und der Tierpfleger ist ganz vertieft daran, die skelettierte Löwen-Wirbelsäule auf dem Modell zu befestigen.