Der «Sprung»
Eisbaden für Anfänger: So trotzt du der Kälte mit Leichtigkeit
Eisbaden erfreut sich zunehmender Beliebtheit – sei es als Teil eines bewussten Lebensstils, zur Gesundheitsförderung oder einfach als Adrenalinkick. Immer mehr Menschen wagen sich freiwillig ins kalte Wasser.
Frostig fegt Wind über den kleinen See. Die Sonne steht tief, ihr Licht glitzert auf dem Schnee und der dünnen Eisschicht, die den See bedeckt. Am Ufer tummelt sich eine Gruppe von Menschen, dick eingepackt in Jacken und Mützen. Zwischen ihnen dampfen Thermoskannen, aus denen der Duft von Früchtetee aufsteigt. Es ist Samstagmorgen, und es ist Zeit fürs Eisbaden.
«Der erste Moment ist immer der schlimmste», sagt Sabine, 52 Jahre alt, während sie ihre Wollmütze gegen eine Badehaube tauscht. Neben ihr steht Tom, ein erfahrener Eisbader. Mit freiem Oberkörper und knapper Speedo-Hose sieht er so aus, als könnte ihm die klirrende Kälte nichts anhaben. «Das Geheimnis ist die Atmung», erklärt er. «Wenn du ganz ruhig bleibst, gewöhnt sich dein Körper schneller an die Kälte.»
Langsam und bedacht steigen die beiden in das Wasser. Die Temperatur beträgt knapp zwei Grad. «Jetzt bloss nicht panisch werden», sagt Tom und beginnt tief ein- und auszuatmen. Sabine folgt seinem Beispiel, ihre Schultern zittern leicht, als das Wasser bis zu ihrer Brust reicht. Nach wenigen Sekunden hat sie sich beruhigt. «Es fühlt sich gar nicht mehr so schlimm an!», ruft sie und lacht.
Booster für Körper und Geist
Das, was Sabine und Tom hier praktizieren, hat eine lange Geschichte. In nördlichen Ländern wie Finnland und Russland ist Eisbaden seit Jahrhunderten Teil der Kultur. Dort tauchen die Menschen nach einem heissen Saunagang in eisige Seen, um Körper und Geist zu erfrischen. Doch auch in Mitteleuropa erfreut sich das Eisbaden seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit. «Es ist dieser Moment, wenn du aus dem Wasser kommst. Du fühlst dich lebendig, wach und irgendwie unbesiegbar», sagt Tom später, als er wieder an Land ist, in eine Decke gehüllt und mit einem heissen Tee in der Hand.
Doch das Eisbaden ist mehr als nur ein Abenteuer für Adrenalinjunkies. Zahlreiche Studien zeigen, dass das regelmässige Eintauchen in kaltes Wasser viele positive Effekte auf den Körper hat. Der Kälteschock setzt eine ganze Reihe von Prozessen in Gang. So werden zum Beispiel Adrenalin und Endorphine freigesetzt, die Durchblutung wird angeregt und das Immunsystem erfährt einen Schub. Tom, der schon seit acht Jahren regelmässig eisbadet, kann das bestätigen. «Ich werde kaum noch krank», sagt er. «Seitdem ich damit angefangen habe, hat sich meine Gesundheit enorm verbessert.» Früher war er regelmässig erkältet und mindestens einmal im Jahr setzte die Grippe ihn ausser Gefecht. Doch seit dem regelmässigen Eisbad heisst es «Goodbye Pfnüsel».
Doch nicht nur der Körper profitiert. Viele Eisbader berichten von einem Gefühl der mentalen Stärke, das sie durch das Training mit der Kälte entwickeln. «Es ist reine Kopfsache», sagt auch Tom. «Die Kälte zwingt dich, deine Komfortzone zu verlassen. Du lernst, deine Gedanken zu kontrollieren und ruhig zu bleiben, auch wenn dein Instinkt schreit: Ganz schnell raus hier! Und das hilft nicht nur im Wasser, sondern auch im Alltag.»
Vorbereitung ist alles
Wer das Eisbaden ausprobieren möchte, sollte allerdings ein paar Regeln beachten. Tom gibt Neueinsteigern immer den gleichen Rat: «Nicht einfach ins Wasser springen! Fang mit kalten Duschen an und steigere dich langsam.» Der Körper muss sich an die Kälte gewöhnen, um nicht mit einer Überreaktion wie Schwindel oder Atemnot zu reagieren. Wichtig ist auch die richtige Ausrüstung. Neben einem warmen Umhang oder einer Decke sind Handschuhe, dicke Socken und warme Getränke essenziell, um den Körper nach dem Baden wieder aufzuwärmen. «Das Aufwärmen danach ist genauso wichtig wie das Baden selbst», betont Tim. Das Wichtigste ist jedoch, nie allein baden zu gehen. «Mindestens eine Person sollte als Aufsicht am Ufer bleiben», räumt der Eisbader ein. Ja, so gesund Eisbaden für viele sein mag, es ist nicht für jeden geeignet. Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder chronischen Atemwegserkrankungen sollten unbedingt vorher ihren Arzt konsultieren. Auch für Schwangere und Menschen mit empfindlichen Nerven ist Eisbaden potenziell gefährlich.
Am Ufer des Sees sind mittlerweile alle wieder trocken und gut eingepackt. Die Gruppe plaudert noch, teilt Kekse und Tee, während die letzten Sonnenstrahlen des Wintertages verschwinden. «Eisbaden hat etwas Gemeinschaftliches», sagt Sabine. «Es schweisst zusammen. Alle hier haben etwas überwunden – die Angst, die Kälte, vielleicht auch den inneren Schweinehund.» Und so ist für viele Menschen Eisbaden mehr als nur eine Aktivität – es ist eine Lebensphilosophie. In einer Welt, die oft von Stress, Hektik und Komfort geprägt ist, bietet das kalte Wasser einen Moment der Klarheit und Einfachheit.
Ein entscheidender Faktor beim Eisbaden ist die richtige Vorbereitung. Wer einfach untrainiert ins kalte Wasser springt, riskiert gesundheitliche Probleme wie Unterkühlung oder Herz-Kreislauf-Belastungen. Hier sind die wichtigsten Schritte für sicheres Eisbaden:
1. Langsame Gewöhnung
Für Anfänger ist es ratsam, zunächst mit kaltem Duschen zu beginnen, um den Körper schrittweise an die Kälte zu gewöhnen. Alternativ kann man im Herbst starten, wenn die Wassertemperaturen allmählich sinken.
2. Passende Kleidung und Ausrüstung
Vor und nach dem Eisbaden ist warme Kleidung essenziell. Ein Handtuch, warme Getränke und eine Mütze sind unverzichtbar. Auch spezielle Neoprensocken oder Handschuhe können hilfreich sein, um die Extremitäten vor Erfrierungen zu schützen.
3. Die richtige Atemtechnik
Tiefe, kontrollierte Atemzüge sind entscheidend, um den Schock des kalten Wassers zu bewältigen. Hyperventilation sollte vermieden werden, da dies die Sauerstoffversorgung des Körpers beeinträchtigen kann.
4. Zeitbegrenzung
Einsteiger sollten nur wenige Sekunden bis maximal eine Minute im Wasser bleiben. Mit der Zeit kann die Dauer langsam gesteigert werden, aber länger als fünf Minuten im eiskalten Wasser zu verbringen, ist selbst für erfahrene Eisbader oft nicht ratsam.
5. Aufwärmen danach
Nach dem Eisbaden ist es wichtig, den Körper langsam wieder auf Normaltemperatur zu bringen. Dies kann durch Bewegung, warme Kleidung oder heisse Getränke geschehen.
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