«Ich kann nur beim Gehen nachdenken. Bleibe ich stehen, tun dies auch meine Gedanken», hat der Philosoph Jean-Jacques Rousseau geschrieben. Mit diesem Statement ist er beileibe nicht allein: Viele bekannte und berühmte Menschen – Schriftstellerinnen, Komponisten, Wissenschaftlerinnen und Künstler – outen sich als passionierte Spaziergänger und schwören auf die beflügelnde Wirkung dieser leichtfüssigen Fortbewegungsart, die nicht erst seit der Corona-Pandemie ein Revival erlebt.

Bessere Durchblutung, mehr Ausdauer

Was sagt die Wissenschaft zu diesem Outdoor-Trend? Die Neurowissenschaftlerin Dr. Barbara Studer attestiert dem Spazieren einen hohen gesundheitlichen Nutzen: «Es erhöht die Durchblutung, senkt den Blutdruck und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.» Aber auch das Gehirn profitiert: «Spazieren fördert die Produktion neuer Nervenzellen und führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Endorphinen und Serotonin, was die Stimmung hebt und Stress reduziert», führt die Gründerin von Hirncoach, einem digitalen Fitnesszentrum fürs Gehirn, weiter aus. Besonders der präfrontale Kortex, der für Planung und Entscheidungsfindung zuständig ist, profitiert von regelmässiger Bewegung, da Spazieren den Sauerstofftransport im Gehirn verbessert.

Auch das Tempo ist nicht unerheblich. «Immer mal wieder etwas zügiger zu gehen, lohnt sich im Hinblick auf die Gehirngesundheit: Es fordert das Herz-Kreislauf-System heraus und führt zur Ausschüttung des sogenannten Brain-Derived Neurotrophic Factor», so Studer. Dieser Botenstoff unterstützt das Wachstum neuer Nervenzellen und stärkt Verbindungen zwischen Hirnregionen, was wiederum für das Gedächtnis und die Lernfähigkeit positiv ist. Studien empfehlen mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche bzw. mindestens 30 Minuten an fünf Tagen pro Woche oder 20 Minuten zügiges Gehen dreimal pro Woche.

Barbara Studer hat vier Tipps, damit sich Spazieren fix in den Alltag integrieren lässt:

  1. Routinen schaffen: Mit festen Zeiten für Spaziergänge starten, etwa nach dem Frühstück oder dem Mittagessen.
  2. Intensität langsam steigern: Mit kurzen Spaziergängen beginnen und allmählich das Tempo erhöhen.
  3. Für Abwechslung sorgen: Immer wieder neue Wege entdecken, um geistig stimuliert zu bleiben.
  4. Achtsam unterwegs: Sich beim Gehen auf die Umgebung, die Schritte und die Atmung konzentrieren. Das hilft, den Geist zu entspannen und Stress abzubauen.

Mehr Impulse für die Hirnfitness unter hirncoach.ch.

Wer sich nicht vom Sofa erheben mag und den kleinen Extrakick sucht, kann sich von folgenden Trends und Tipps inspirieren lassen:

Ab in den Wald!

Spaziergänge im Grünen sind für die Psyche besonders positiv: Nach einem 60-minütigen Spaziergang in der Natur nimmt die Aktivität in Gehirnregionen stark ab, die an der Stressverarbeitung beteiligt sind. Doch auch bereits kurze Aufenthalte in der Natur verringern die Aktivität der Amygdala, wirken sich günstig auf die mentale Gesundheit aus und verbessern die Immunfunktion. Studien aus Japan führen diesen Effekt in erster Linie auf die in ätherischen Ölen enthaltenen Terpene in der Waldluft zurück, die unsere Killerzellen stimulieren.

Bei Mondschein unterwegs

Spazieren in der Dunkelheit fordert die Sinne heraus: Kleine Tiere rascheln im Laub und in den Ästen, Fledermäuse und Eulen kommen aus ihrem Versteck, Füchse und Dachse sind unterwegs. Der Schriftsteller John Lewis-Stempel wandert seit Jahren mit einem Hund durch die Nacht bzw. durch Wälder, verlassene Dörfer oder über Felder und hat darüber ein Buch geschrieben. «Die Nacht ist eine Zuflucht für mich, sie ist entspannter als der Tag, weil einen niemand bei dem stört, was man tut. Wenn wir uns im Dunkeln auf den Weg machen, können wir den Ruf der Wildnis hören», sagt er. Seine Streifzüge durch die Dunkelheit sind eine Einladung, die Natur neu zu entdecken, wenn die Stunde der Tiere schlägt. Unsere Sinne schärfen sich in der nächtlichen Umgebung, die Vorstellungskraft wird stimuliert, das Gefühl für Zeit und Raum verändert sich.
John Lewis-Stempel, «Wandern bei Nacht», Dumont-Verlag

Trippel-Trappel, Wackel-Wackel

Im Basler Zolli spazieren die Pinguine von November bis Februar um 11 Uhr täglich eine Runde durch den Zoo, ohne Gehege und Zaun. Mitspazieren ist erlaubt, der Rundgang startet bei der Pinguin-Aussenanlage. Er wird von einer Tierpflegerin oder einem Tierpfleger begleitet und findet nur statt, wenn die Temperatur unter 10 °C fällt. Bei starkem Regen bleiben die Pinguine im Vivarium.
zoobasel.ch

Exotische Begleitung

In Begleitung von knuffigen Alpakas macht Spazieren noch mehr Spass. Damit die Exkursion für Mensch und Tier ein schönes Erlebnis wird, begleiten in der Regel Bezugspersonen der Vierbeiner die Touren. Die tierische Eskorte bringt Entschleunigung; die sensiblen, sozialen Tiere kauen, schauen sich um und lassen sich selten aus der Ruhe bringen. Eine Take-it-easy-Einstellung, die sich subito auf Zweibeiner überträgt.
alpaka-erlebnisse.ch