Arche-Hof
Ein Platz für fast ausgestorbene Nutztierrassen
Kathrin und Beat Gerber verwandelten ihr Heimet in Schangnau in einen Biobetrieb und arbeiten ausschliesslich mit seltenen Nutztierrassen. Vom besonderen Weg einer Bauernfamilie im Emmental.
Schnattern und quaken. «Jetzt könnt ihr raus», sagt Kathrin Gerber und öffnet das Törchen. Drei Pommernenten watscheln an einem Morgen Anfang September über das Gras. Die schwarzen Gefiederteile schillern grünlich im jungen Sonnenlicht. «Sie können sich tagsüber frei auf dem Hof tummeln, doch wenn am Morgen noch Nebel über dem Boden hängen, müssen sie warten, sonst schleicht sich der Fuchs an», erklärt Kathrin Gerber. Ihr Mann Beat hat frühmorgens schon das Rätische Grauvieh und die Hinterwälder Rinder auf die Weide gelassen.
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Das sind alles ungewöhnliche Tiere – und noch lange nicht alle, die auf dem Arche-Hof in Schangnau im Kanton Bern leben. «Wir halten und züchten fast ausschliesslich seltene Nutztierrassen», sagt die Bäuerin. Gute Zuchttiere würden sie behalten oder weiterverkaufen, die anderen würden geschlachtet. «Wir vermarkten das Fleisch direkt ab Hof.» Der Weg zur unkonventionellen Landwirtschaft begann für Kathrin Gerber und ihren Mann Beat 1994. Sie bezeichnet ihn als logische Folge. Ursprünglich war das 5,14 Hektaren grosse Heimet ein Milchbetrieb mit Simmentalerkühen. Beat Gerber lernte Zimmermann, führte seine eigene Firma und half nebenher auf dem Hof. 1994, nach dem Tod seines Vaters, übernahmen er und seine Frau den Betrieb. Die Landwirtin erzählt: «Wir stellten auf biologische Landwirtschaft um. Das mussten wir uns nicht lange überlegen.» Sie hätten sehr viele Biokriterien längst schon erfüllt. Blacken hätten sie beispielsweise seit jeher von Hand gestochen und nicht gespritzt. «Bio beginnt im Kopf, sonst geht es nicht», sagt die Bäuerin.
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Als sich 2014 die Biorichtlinien änderten, kam die grosse Frage bei der Bauernfamilie mit zwei Kindern auf: Wie weiter? Der Betrieb sei zu klein, um ausschliesslich davon leben zu können. Beat habe eines Abends im Internet gesurft. Als er auf die Seite von Pro Specie Rara stiess, habe er gerufen: «Komm mal schauen, das wäre etwas für uns!» Die Idee des Arche-Hofs war geboren. Die neuen Biokriterien wurden zusätzlich umgesetzt.
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Bauernhof für alle
«Rundgang» steht am Wegrand auf einem Schild, das zum Arche-Hof zeigt. Vor dem 1748 erbauten Hausladen Tische und Stühle zum Verweilen ein. Davor leuchten Himbeeren verlockend in der Morgensonne. «Hier können alle schauen kommen», sagt Kathrin Gerber. Kein bellender Hund schreckt Interessierte ab. Neuankömmlinge werden trotzdem angemeldet – von Diepholzer Gänsen. Die sechs schneeweissen Entenvögel trompeten mit vorgestreckten Hälsen auf ihrer grossen Weide, wenn sie jemanden sehen. Schilder weisen auf die Rasse und ihre Geschichte hin. Anhand der Gänse erklärt die Bäuerin das Los vieler alter Rassen: «Wir schreiben nicht mehr mit Federkielen, füllen Duvets teilweise mit anderem Material als mit Daunen, vielen sind die Gänse zu laut. Da nützen ihnen auch die bergseeblauen Augen und das weisse Gefieder nichts mehr.»
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Nach heutigen, nur nach Profit ausgerichteten Kriterien können die alten Rassen nicht mithalten. «Wir halten unsere Wollschweine ein Jahr, bis sie schlachtreif sind, bei Schweizer Edelschweinen dauert es sechs Monate», stellt die Bäuerin fest. Ihre Stimme wird unterbrochen vom Krähen verschiedener Hähne. In Höfen mit alten Apfelbaumsorten tummeln sich weisse Schweizer Hühner, Appenzeller Bart- und Appenzeller Spitzhaubenhühner. Nachzuchten werden an Interessierte verkauft, die Eier werden im Hofladen angeboten. Der Arche-Hof Schangnau ist beispielhaft in der Geflügelhaltung. Alle Rassen haben einen Stall, eine Voliere und einen grossen Auslauf mit intakter Grasnarbe.
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Auf grüner Weide tummeln sich auch die Appenzellerziegen. «Sie sind meine besonderen Lieblinge», sagt Beat Gerber. Er ist eben von seiner Tätigkeit als Wegmeister der Gemeinde zurückgekehrt. Sein erster Gang führt ihn zu Zilla und ihrem Trupp. Die stattliche Ziege kommt sofort angetrippelt und lässt sich vom Arche-Hof-Landwirt streicheln.
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Sie schmiegt ihren Kopf an seine Beine und schaut sofort zu ihm auf, wenn er aufhört, sie zu flattieren. «Sie ist wählerisch punkto Kräuter», merkt Beat Gerber an. Er hat jetzt die Weide unterhalb im Blick, wo Köpfe von Skudden auf ihn gerichtet sind. «Für mich ist dies das weitaus schönste Schaf», schwärmt der Spezialist für seltene Rassen.
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Kathrin und Beat Gerber züchten alle Rassen nach Kriterien des Zuchtbuchs. Bei herkömmlichen Rassen ist die genetische Vielfalt erschreckend gering. Das kann zu Problemen führen, etwa bei Krankheitsausbrüchen. Auch darum ist der Erhalt alter Rassen wichtig. Sie sind zudem viel besser an Schweizer Gegebenheiten angepasst.
Nahrungsmittelproduktion hautnah
«Dank unserer verschiedenen Angebote und Nebenbeschäftigungen haben wir ein Auskommen», sagt Kathrin Gerber. Wenn sie abends Teemischungen aus eigenen Blumen zusammenstellt, ist ihr Mann Beat beispielsweise an Gemeinderatssitzungen beschäftigt, denn er amtet nebenbei als Präsident der Gemeinde Schangnau.
Wo ein Nahrungsmittel herkommt, lässt sich auf dem Arche-Hof direkt nachvollziehen. Das Chäslikraut in der Teemischung, eine Malvenart, blüht zusammen mit den Ringelblumen an einer besonnten Wand einer Scheune. Auch das Fleisch hat keine langen Wege hinter sich. «Ich verlade einen Ochsen, fahre fünf Minuten, führe ihn hinaus, der Metzger macht den Bolzenschuss», erzählt Beat Gerber. Der lokale Metzger verarbeitet all ihr Fleisch. «Wir halten nur so viele Tiere, wie wir mit unserem Land ernähren können», kommentiert Kathrin Gerber.
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Gerbers mähen, silieren oder heuen. «Hier auf 972 Meter über Meer wächst vor allem Gras», merkt Kathrin Gerber an. Auf jedem Feld lassen sie zehn Prozent als Rückzugsstreifen für Insekten und Vögel stehen. Dank einem speziellen Mähwerk werden die Halme schonend geschnitten, sodass kaum Insekten zu Schaden kommen. Auf dem ganzen Gelände finden Höhlenbrüter 20 Nistkästen vor, aus Asthaufen aus dem Schnittmaterial der Obstbäume flattern Zaunkönige. «Wir arbeiten mit dem, was wir haben, und nehmen das, was es gibt», ist unisono die Meinung des unkonventionellen Ehepaars.
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Die Pommernenten sind zurück von ihrem Marsch, der Kater Murrli räkelt sich auf der Laube vor einem Kistchen mit Erdbeeren. Auf der Weide äsen die Kühe. Idylle am Mittag auf dem Arche-Hof Schangnau.
Arche-Höfe –Leuchttürme für gefährdete RassenArche-Höfe sind von Pro Specie Rara zertifizierte Betriebe. Dort werden mehrere besonders intensiv gefährdete Nutztierrassen gehalten und gezüchtet. Sie können teilweise besucht werden; auf Führungen wird Wissen zu den Abläufen und Tieren vermittelt. Eine Möglichkeit, gefährdete Rassen hautnah zu erleben und sich über die Erhaltungszucht zu informieren.
Mehr Infos: prospecierara.ch
Arche-Hof SchangnauAuf dem Arche-Hof Schangnau kann täglich zwischen 10 und 17 Uhr frei vorbeigeschaut werden, um die zehn seltenen Tierrassen kennenzulernen. In einem Hofladen werden eigene Produkte angeboten, von der Geflügelwurst bis zu Honig. Führungen mit Apéro für Gruppen sind nach Anmeldung jederzeit möglich. Am 24. und 25. Mai 2025 findet das nächste Arche-Hof-Fest statt.
Mehr Infos: bauernhof-emmental.ch
Anreise: Von Escholzmatt (LU) führt das Postauto 251 in Richtung Schangnau und Kemmeriboden zur Station Grunachen. Der Arche-Hof liegt zehn Gehminuten von der Station entfernt. Von der Station wenig zurückgehen, dann rechts abbiegen: Hubel 34 c, 6197 Schangnau.
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