Viele Wanderrouten sind ausgetreten, nicht so im Clos du Doubs. Einwohnerzahlen in dieser Region nehmen stetig ab, Wanderern kommt es selten in den Sinn, dort auf Tour zu gehen. Erst bei näherem Betrachten der Landkarte wird überhaupt klar, dass die Region noch zur Schweiz gehört. Der Fluss Doubs formt hier nicht wie üblich die Grenze. Der Clos du Doubs wirkt wie eine Leihgabe Frankreichs.

Ausgangspunkt ist Saint-Ursanne, das mittelalterliche Städtchen am Doubs, wo sich um 612 Ursicinus als Einsiedler niedergelassen hat. Wer vom oberhalb liegenden SBB-Bahnhof dem Wanderweg unterhalb des Bahngeleises entlang folgt, gelangt zur Höhle, wo der Eremit gelebt haben könnte; unten am Fluss erinnert eine Plastik an den Heiligen mit seinem Bären, der ihm treu gedient haben soll. Die Sicht von oben auf die Stadt ermöglicht Einblick in den geheimnisvoll wirkenden Kreuzgang der Kirche. Teile davon stammen aus dem 10. Jahrhundert.

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Über die Brücke mit der Statue des heiligen Nepomuk führt der Weg aus dem verschlafenen Ort. Der Hauch von Vergangenheit verstärkt sich beim Aufstieg in Richtung Montenol: Weiden, Nebel, die vom Doubs-Tal aufsteigen und zwischen dem dichten Laub in den Baumkronen wabern, regennasses Gras. Eine Lerche singt an diesem Mittwoch im Mai hoch am Himmel ihr Lied. Ein Zeichen, dass der Bodenbrüter im Clos du Doubs noch unbebaute Steppenstreifen entlang kleiner Ackerflächen findet, anders als im Mittelland.

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Nach dem happigen, aber kurzen Aufstieg führt der Weg querfeldein entlang von charakteristischen Hainbuchen bis ins verträumt wirkende Dorf Montenol, das auf 692 Metern über dem Meeresspiegel liegt. Trockenmauern, mit zwischen Ritzen spriessenden Wollblumen und wuchernde Hauswurz säumen den Weg, bis rechts die kleine Kapelle Notre-Dame-de-Lourdes aus dem19. Jahrhundert auftaucht. Unter dem Dachvorsprung einer Scheune fliegen Mehlschwalben zu ihren Nestern, Kaninchen mümmeln Gras in transportablen Freigehegen. Irgendwo rattert ein Traktor, ansonsten scheint das Dorf ausgestorben.

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In Chez le Baron, dem nächsten Weiler, reicht der Blick nördlich über Felder, dahinter lässt sich die Doubs-Schlucht erahnen. Südlich hat es Anhöhen und Wald, die den steil zum Doubs abfallenden Hang verbergen. Der Fluss windet sich eben um die Halbinsel Clos du Doubs wie die Aare um die Bundesstadt. Im nächsten Dorf Epauvillers heisst es: nicht der Versuchung erliegen und gleich abwärts in Richtung Doubs, La Charbonière, wandern. Es geht wieder mal bergauf, doch bald entschädigt ein Fuchs die Mühsal auf dem Waldweg in Richtung Norden. Er tänzelt leichten Schrittes aus dem Dickicht, findet die einfallenden Sonnenstrahlen attraktiv und setzt sich gar eine Weile am Rand hin, um in den Vormittag zu staunen. Im nach dem Wald folgenden hüfthohen Gras und entlang von Kornfeldern wird das Ausfindigmachen der gelben Wanderweg-schilder zur Herausforderung, Hosen und Schuhe sind klitschnass.

In Epiquerez, mit etwa 90 Einwohnern eine der kleinsten Gemeinden des Juras, überraschen Zisternen aus dem 18. Jahrhundert, die um acht Meter tief sind und das ganze Jahr über etwa gleich viel Wasser aufweisen. Es steigt mit artesischem Druck in die Zisternen, die von aussen wie prähistorische Gräber aus-sehen. Auch in der Sahara gibt es Stellen, wo der Wasseraustritt unterhalb des Grundwasserspiegels liegt und sich so ein artesischer Druck ergibt.

Abenteuerlicher Abstieg zum Doubs

Abseits aller Verkehrsachsen führt der Weg geradeaus bis zur französischen Grenze. Dass die Region etwas vergessen ist, zeigen auch die Grenzsteine, über die der Berner Bär spaziert, obwohl es seit 1979 jurassisches Gelände ist. Richtungswechsel: Jetzt geht es südlich der Grenze entlang in eine Senke mit einem Bauernhof. Das Wanderwegschild weist darauf hin, dass es sich um «Le Chaufour, 842 m», handelt. Wer hier nicht dem Strässchen abwärts nach Soubey folgt, erlebt Abenteuer. Darum: Nochmals ein Aufstieg, dann windet sich der Feldweg über südlich exponierte Weiden mit Kühen, Rindern und lichtem Föhrenwuchs bergabwärts bis zu einem etwas verwilderten Hof. Hühner gackern, mehrere Bruno-de-Jura- oder Jura-Laufhunde bellen, zum Glück in einem Zwinger.

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Nach unsicheren Schritten vor dem Gehöft über einen Feldweg nach rechts wird bald klar, dass hier wohl kein Wanderweg weiterführt. Wieder zurück, wieder schlagen die Hunde an, kein Mensch ist zusehen. Durch Zufall fällt ein verwachsenes Wanderwegschild links ins Auge. Kaum zu glauben, dass hier der Weg durchführen soll, doch wenig später bieten weitere Schilder Orientierung. Aus hohem Gras recken plötzlich frei laufende behornte Ziegen ihre Köpfe und äugen neugierig.

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Bald danach folgt der genussvolle Abstieg in die Doubs-Schlucht entlang von glucksenden Bächen mit Hirschzungenfarnen, Wurzelstöcken, unter umgestürzten Bäumen hindurch bis zu einer Lichtung mit verfallender Mauer. Die Sonne bricht wieder mal durch die Wolkendecke, wärmt, ein Grünspecht schreit, junge Kohlmeisen betteln. Was will man mehr!

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Nach der Pause ist der Doubs rasch erreicht. Ein Gefühl einer prähistorischen Welt voller Moose und Farne! Wenig flussaufwärts, kurz bevor die Schweiz am linken Ufer endet, führt ein Fusssteg hinüber. Abschied vom Clos du Doubs! Bei Moulin Jeannottat, flussaufwärts, beginnt ein steiler und anstrengender Aufstieg über Les Pommerats bis nach Saignelégier. Nach gut zehn Stunden Exkursion lockt die Jurabahn.

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