Die Schweinezucht war zuerst da. Dennoch klagte in Meggen LU ein Villenbesitzer erfolgreich gegen den benachbarten Landwirt. Der Geruch der Schweinezucht stört ihn. Der Stall muss weg. Die Rechtsprechung ist für viele schwer verständlich. Wie kann es sein, dass ein Landwirt den 300-jährigen Schweinebetrieb seiner Familie aufgeben muss, nur weil sich ein neu zugezogener Hauseigentümer in der Nachbarschaft an den Geruchsemissionen stört?
Sandra Helfenstein: Die Sachlage ist komplizierter als in den Medien dargestellt. Und eine Beurteilung ohne Kenntnis der gesamten Fakten ist schwierig. Sicher ist, dass 2010 eine neue Luftreinhalteverordnung eingeführt wurde. Diese regelt den Mindestabstand, den ein Stall mit Tieren zur Wohnzone einhalten muss. In Meggen ist dieser Abstand nicht eingehalten. Die Umzonung hat allerdings Jahrzehnte vor den neuen Vorschriften stattgefunden.

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Sandra Helfenstein ist stellvertretende Leiterin des Departements Kommunikation
und Services sowie Co-Leiterin Kommunikation, Bereich Medien & Öffentlichkeitsarbeit
beim Schweizer Bauernverband.
  Bild: zvg

Wenn hier ein Präzedenzfall geschaffen wird, könnte das für viele Landwirtschaftsbetriebe das Aus bedeuten. Jeder, der neben einem Bauernhof ein Haus baut, kann nach dieser Logik dann die Landwirte vertreiben. Dazu muss er nur geltend machen, dass er sich von deren Betrieb in eingeschränkt fühlt.
Der Punkt ist: Die Landwirte müssen sich bereits bei der Umzonung wehren. Wir raten ihnen stets, ein Augenmerk auf geplanten Änderungen im Zonenplan zu richten und die zugehörigen Debatten zu verfolgen. Wenn in ihrer Umgebung aus Landwirtschaftszonen plötzlich Bauzonen werden sollen, ist es wichtig, dass sie Einsprache erheben. Sonst besteht die Gefahr, dass die neuen Nachbarn sich an den Gerüchen oder anderen landwirtschaftlichen Tätigkeiten stören und es zu Konflikten kommt. Wie in Meggen, wo in unmittelbarer Nachbarschaft des Landwirtschaftsbetriebes eine Villa errichtet wurde.

Was unternimmt der Schweizer Bauernverband gegen diese Umzonungen?
Wir können nicht alle Umzonungen in den 2000 Schweizer Gemeinden verfolgen. Hier sind die Bauern vor Ort gefordert, selber aufmerksam zu sein. Darauf weisen wir immer wieder hin.  Und natürlich gibt es Landwirte, die von einer Umzonung ihrer Landwirtschaftsfläche in Bauland profitieren, weil sie diese dann als Bauland verkaufen können. Ihnen muss einfach bewusst sein, dass die neuen Nachbarn ihnen in naher oder ferner Zukunft vielleicht nicht nur wohlwollend gegenüberstehen und sich ab den Geruchs- oder Lärmbelästigungen stören können.

Die Thematik scheint ähnlich zu sein wie am Flughafen Zürich. Obwohl er schon seit vielen Jahrzehnten in Betrieb ist, decken Neuzuzüger ihn mit Lärmklagen ein.
Ja, da gibt es im Grundsatz tatsächlich Parallelen. Uns sind übrigens mehrere Dutzend ähnliche Fälle aus der Landwirtschaft bekannt. Um den Betroffenen zu helfen, betreiben wir ein Beratungsbüro. Zudem versuchen wir, die Landwirte mit regelmässigen Informationen in den Fachmedien zu sensibilisieren, damit sie sich regelmässig über Änderungen im Zonenplan in ihrer Gemeinde informieren. Der Ball liegt wie gesagt in erster Linie bei ihnen.

Das Thema Thema Bauern ausserhalb der Bauzone ist gerade aktuell. Der Bundesrat wollte vor kurzem die bodenunabhängige Tierhaltung näher an die Wohn- und Gewerbezonen bringen. Die Raumplanungskommission des Nationalrats (Urek) wollte davon allerdings nichts wissen.
Ja, hier haben wir eindeutig widersprüchliche Interessen. Landschaftsschützer wollen möglichst wenig Bauten in der Landwirtschaftszone um die Zersiedelung zu begrenzen. Aber sobald die Landwirtschaft zu nahe an den Siedlungen ist, gibt es Konflikte. Wir sind der Meinung, dass die Landwirtschaft vor allem in der Landwirtschaftszone die Möglichkeit haben soll, sich zukunftsfähig weiterzuentwickeln.

Zurück zum Fall Meggen. Welche Chancen hat der betroffene Landwirt – abgesehen von der Hilfe durch die Gemeinde, die sie ihm nach dem grossen Druck aus der Öffentlichkeit zugesichert hat sowie der grossen Solidaritätswelle aus der Bevölkerung?
Im Fall Meggen kommt erschwerend hinzu, dass der Bauer seinen Stall ohne Bewilligung erweitert hat. Das bringt den Bauern rein gesetzlich betrachtet in eine schlechtere Lage. Aber neben dem rechtlichen Aspekt gibt es auch andere Ebene.

Welche?
Auf dieser haben wir auf der einen Seite einen Biobauern, der seinen Schweinen Auslauf gewährt und der von der Landwirtschaft lebt. Auf der anderen Seite einen Zuzüger, der neben einem bestehenden Stall eine teure Villa baute. Diese David gegen Goliath-Situation bringt viel öffentliches Interesse mit sich. Ich hoffe, dass die Gemeinde alles daran setzt, dass eine für alle gute Lösung gefunden wird. Meggen ist ja in einer sehr guten finanziellen Situation und könnte das auf jeden Fall gewährleisten.