Es herrscht Hochbetrieb in der Biofischzucht von August Nadler. Die Metallwannen im offenen Schuppen sind geflutet. Bis zum Rand. Es plätschert, gurgelt, spritzt und sprudelt vor lauter Regenbogenforellen. Mit kräftigen Flossenschlägen und flinken Bewegungen bringen sie das Wasser in Wallung, sodass es ständig überschwappt. Mitarbeiter Daniel Huber lässt sich davon nicht nervös machen. Ruhig, kontrolliert und vorsichtig passiert er die Fische durch einen Sortierrost.

«Wir teilen diese Jungfische in zwei Gruppen ein», erklärt Besitzer August Nadler die Prozedur. Die grösseren Exemplare dürfen in den Naturkanal umziehen. Die kleineren, die noch etwas nachwachsen müssen, gehen zurück ins Aufzuchtbecken. Die Separierung sei unter anderem nötig, um allfällige Verluste durch Kannibalismus zu vermeiden, sagt Nadler. «Das sind Raubfische. Was kleiner ist als sie und nicht schnell genug wegschwimmt, wird gefressen.»

Den innovativen Geist hat der 66-Jährige in die Wiege gelegt bekommen. Sein Grossvater, der ebenfalls August hiess, begann bereits 1901 mit der Fischzucht. Zunächst war es nur ein Hobby, in den 1920ern aber machte er dieses zum Beruf und gründete den Familienbetrieb. Der gelernte Drogist war damit einer der ersten professionellen Fischzüchter überhaupt in der Schweiz. «Das war ein völlig neues Metier», sagt Nadler. In der Tat wurde die moderne Fischzucht erst im Jahr 1840 in Frankreich begründet, als es einem Fischer erstmals gelang, Forelleneier künstlich zu befruchten. Mit der Fischzucht an sich sollen aber bereits die alten Ägypter vor rund 5500 Jahren begonnen haben.

Auch Vater Jakob, der die Zucht ab den 1960ern führte, war ein findiger Kopf. Er entwickelte und baute das erste Elektrofischereigerät der Schweiz. Das Original kam bei Nadlers bis in die 1980er zum Einsatz, als bereits Sohn August den Betrieb führte. «Eines Tages kam das Starkstrominspektorat vorbei, um das Ding zu prüfen», erinnert er sich und muss sogleich lachen. Dabei habe es dem Kontrolleur so dermassen «eis putzt», dass er das Gerät natürlich gleich einmotten musste.

Wachstumsförderer verboten
Heute produziert die Biofischzucht August Nadler rund 20 Tonnen Speisefisch pro Jahr: hauptsächlich Regenbogenforellen. «Wir haben auch Bachsaiblinge, aber die machen einen relativ kleinen Teil aus», sagt Nadler. Das meiste geht an eine grosse Detailhändlerin. Daneben beliefert er einzelne Restaurants und verkauft auch direkt ab Hof. «Unsere Privatkunden schätzen das sehr. Frischer bekommt man den Fisch nicht.»

Während sich konventionelle Zuchten allein an die geltende Tierschutzgesetzgebung halten müssen, gelten für Biozüchter wie Nadler deutlich strengere Richtlinien. Unter anderem schreibt Bio Suisse vor, dass grundsätzlich nur heimische, den regionalen Verhältnissen angepasste Fischarten erlaubt sind. Ausnahmen bedürfen einer Bewilligung. Die präventive Abgabe von Antibiotika und der Einsatz von Hormonen und Wachstumsförderern ist verboten. «Unsere Fische wachsen entsprechend langsam und erlangen ihre Schlachtreife allerfrühestens nach 18 Monaten statt bereits nach 12 oder noch weniger», sagt Nadler.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Haltung. Während konventionelle Zuchten laut Schweizer Tierschutzverordnung pro Kubikmeter Wasser bis zu 100 Kilogramm Fische halten dürfen, sind es bei einem Knospe-Betrieb maximal 20 Kilogramm respektive 30 Kilogramm in Fliesswasserteichen. Auch die Lebensraumstruktur geniesst einen hohen Stellenwert. Bei Nadler zeigt sich dies in den naturnahen, bachähnlichen Kanälen und -becken. Diese werden von einer nahe gelegenen Quelle mit Frischwasser gespeist und verfügen unter anderem über Schattenplätze, Versteckmöglichkeiten und strömungsarme Hinterwasserbereiche, in denen sich die Fische ausruhen können. «Am Ende geht es immer darum, den Fischen ein möglichst tiergerechtes Leben zu ermöglichen und sie keinem unnötigen Stress auszusetzen», sagt Nadler.

Eine Rutschbahn für Fische
Stressvermeidung ist denn auch das nächste Stichwort. Die eine Gruppe der fertig sortierten Regenbogenforellen muss nämlich noch in den Naturkanal umgesiedelt werden. Dazu füllen Chef Nadler und sein Mitarbeiter Huber die Fische zunächst in runde, mit Wasser gefüllte Metallcontainer und wiegen sie auf einer alten Industriewaage. Danach werden sie auf einen Kleinlaster gehievt, wo sie in eine grosse Transportwanne kommen. Das Wasser darin blubbert. Daneben liegen festgezurrt zwei riesige Flaschen. «Wir pumpen reinen Sauerstoff hinein, damit die Fische nicht ersticken», sagt Nadler.

Ein paar Minuten später fährt Huber den Kleinlaster rund 150 Meter über einen holprigen Feldweg bis zu jenem Kanalabschnitt, wo er die Regenbogenforellen schliesslich über eine Plastikrohrrutsche ins Wasser gleiten lässt. «Diese Methode ist schonender, als wenn wir sie von der Pritsche kübelweise ins Wasser hinunterwerfen würden», sagt Nadler. Aber auch wenn man alles so schonend wie möglich mache, ganz ohne Stress für die Tiere gehe es nicht.

«Jagende Graureiher, Eisvögel oder Füchse sind im Übrigen ebenfalls ein Stressfaktor», gibt Nadler zu bedenken. Tauche ein Räuber auf, würden sich die Fische verstecken und entsprechend weniger fressen. Aus Angst, ihre Deckung aufzugeben. Daran ändere auch nichts, dass er seine Kanäle mit Vogelnetzen schützt. Die Fische wüssten das ja nicht. Und manche Fressfeinde fänden dann halt doch mal ein Schlupfloch. «Den Fischotter haben wir zum Glück noch nicht hier», sagt Nadler. «Sonst hätten wir ein Problem.»

Nadler ist mittlerweile zum Aufzuchtbecken gelaufen, wo er die Sömmerlinge füttert. Da Regenbogenforellen Fleischfresser sind, brauchen sie vor allem tierisches Eiweiss. Und das nicht zu knapp. Pro Kilogramm Gewichtszunahme braucht es ein bis anderthalb Kilogramm Futter. Bio Suisse schreibt diesbezüglich vor, dass das eingesetzte Fischmehl/-öl entweder aus Abfällen der Speisefischverarbeitung hergestellt sein muss oder aus nachweislich nachhaltiger Fischereiwirtschaft stammt. Ein wichtiger Punkt, denn der Fischfang zu Futtermittelzwecken ist noch immer weit verbreitet und trägt seinen Teil zur Überfischung der Meere bei (siehe Seite 16). Pflanzliche Bestandteile und Hilfsstoffe im Futter müssen zudem aus Knospe-zertifizierter Produktion stammen.

Ein aktuelles Thema unter den Schweizer Biofischzüchtern ist zudem der von den Richtlinien limitierte Fettgehalt des Futters. «Einige der grösseren Zuchten möchten, dass dieser erhöht wird, damit sie ihre Fische schneller zur Schlachtreife bringen können», sagt Nadler. Er wehre sich aber dagegen. Mehr Fett im Futter entspräche nicht dem, was der Fisch auch in freier Natur zu sich nehmen würde. «Und einen möglichst natürlichen Fisch zu produzieren, sollte doch das Ziel jeder Biozucht sein.»

Nachfolger gesucht
Bald wird Nadler aber eh nicht mehr mitreden können. Nach 50 Jahren harter Arbeit – er hat mit 16 auf dem Betrieb angefangen – plant er den Ruhestand. Zusammen mit seiner Frau Sonja, die sich um die Buchhaltung kümmert, sucht er nun einen Nachfolger für den Betrieb. «Unsere Kinder haben einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen, und das ist okay», sagt er ganz ohne Wehmut. Er habe seinen Job gern gemacht – trotz nur drei Wochen Ferien pro Jahr. «Ich meine, wer kann das schon: Am Morgen aus dem Bett rollen und schon am Arbeitsplatz sein?».

Das grosse Einfamilienhaus mit Blick auf die Fischzucht werden Nadlers aber verlassen. Sonst würde er seinem Nachfolger nur die ganze Zeit dreinreden, sagt Nadler. Mitnehmen werde er die vielen schönen Erinnerungen und lustigen Begebenheiten. «Das Schrägste, was mir je passiert ist, war, als mich eine Frau allen Ernstes fragte: ‹Wie machen Sie das nur, all diesen Fischen etwas zu trinken zu geben? Das muss doch furchtbar anstrengend sein!».