Der Spruch «Ein Ruck im Maul, schon steht der Gaul» ist nicht gerade tierfreundlich. Dennoch kam er Reitlehrern alter Schule über die Lippen, wenn ein Schüler sein Pferd durch kräftiges Ziehen am Zügel zum Stillstand brachte. Für erfahrene Rösseler, Ausbilder sowie Turnierrichter sind Übergänge zum Halt oder von einer Gangart zur anderen von grosser Aussagekraft, denn sie entlarven Ausbildungsdefizite von Pferd und Reiter schonungslos. Ein weicher Übergang ohne Stocken und Spannung gelingt nur mit entsprechender Vorarbeit und einer guten Feinabstimmung: Der Reiter muss die richtigen Hilfen im richtigen Moment geben, das Pferd sie willig annehmen und umsetzen.

Hat der unsichtbare Draht zwischen den beiden Lebewesen irgendwo einen Knick, wars das mit dem harmonischen Wechsel. Das Pferd hebt sich aus der Anlehnung heraus, geht nicht mehr über den Rücken, fällt auf die Vorhand. Der Vierbeiner verliert den Takt, der Reiter Sitz und Gleichgewicht, der Übergang erfolgt abrupt oder auslaufend – beides ist weder für Tier noch Mensch ein Wohlfühlmoment.

Video: Gangartwechsel und Anhalten mit Paraden

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Halb, einfach und schwer

Übergänge sind für das Pferd anspruchsvoll und anstrengend: Für ein schnelleres Tempo muss es Schubkraft aus der Hinterhand entwickeln, beim Wechsel in eine langsamere Gangart ist seine Tragkraft gefragt. Richtig ausgeführt, gehören Übergänge durch diese gymnastizierende und kräftigende Wirkung zu den wertvollsten Elementen eines Trainings. Das geschickte Spiel mit den Tempi fördert die Aufmerksamkeit, Koordination, Balance und Durchlässigkeit des Pferdes, verbessert Kraft und Aktivität seiner Hinterhand sowie die Rückentätigkeit.

Übergänge sind also sowohl Mittel als auch Ziel der Ausbildung. Und das gilt nicht nur für Dressurreiter, sondern auch für den Freizeitreiter, der sein Pferd mit korrekt gerittenen Übergängen im Gelände effizient trainieren kann. Denn häufige Tempo- und Gangartenwechsel bringen nicht nur Abwechslung in die tägliche Trainingsroutine oder in den Ausritt, sondern helfen auch, den Bewegungsapparat des Pferdes gesund zu halten. Denn sie fördern das Schwingen des Rückens, lockern die Muskulatur und lösen durch das ständige An- und Entspannen der Muskeln Blockaden und Verspannungen.    

Die Reitlehre kennt verschiedene Formen von Übergängen. Als halben Übergang bezeichnet man die Tempi-Wechsel innerhalb einer Gangart, zum Beispiel vom Mitteltrab in den starken Trab ebenso das Rückführen, also vom starken Trab zurück in den Mitteltrab. Die einfachen Übergänge, die wie beschrieben gar nicht so einfach zu reiten sind, bezeichnen den Wechsel von einer Gangart in die nächsthöhere oder nächstniedrige, also Schritt-Trab, Trab-Galopp, Galopp-Trab und Trab-Schritt. Noch komplexer sind die schweren Übergänge Schritt-Galopp, Galopp-Schritt oder Trab-Halt, die bereits eine gewisse Versammlungsbereitschaft und Tragkraft des Pferdes voraussetzen.

Video: So bleibt das Pferd leicht am Schenkel

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So gelingen harmonische Übergange

Die Basis jeder Lektion und damit auch der Übergänge ist eine gute Vorbereitung. Diese erfolgt durch halbe Paraden oder zum Halt durch eine ganze Parade. Die beiden Begriffe tauchen im Reitunterricht immer wieder auf und werden trotzdem oft falsch verstanden und ausgeführt. Eine halbe Parade wird immer dann gegeben, wenn der Reiter etwas von seinem Pferd verlangt. Man versteht darunter fein abgestimmte Hilfen, mit denen der Reiter sein Pferd aufmerksam macht: auf vermehrte Gewichts- (Kreuz anspannen), Schenkel- (beidseitiger kurzer Impuls) und durchhaltenden Zügelhilfen (Hand stehen lassen, leicht einwärts drehen) folgt eine nachgebende Zügelhilfe. Nimmt das Pferd die Hilfe an, schiebt es sich ganz leicht zusammen, seine Hinterbeine treten vermehrt unter den Schwerpunkt, es kommt zurück. Dabei soll es im Takt bleiben und in sicherer Anlehnung leicht am Gebiss stehen.

So ist der Vierbeiner perfekt vorbereitet für die Änderung im Bewegungsablauf, die bei einem Übergang erfolgt. Danach ist gutes Timing gefragt. Möchte man in die nächsthöhere Gangart wechseln, etwa vom Schritt in den Trab oder vom Trab in den Galopp, gibt man treibende Hilfen in dem Moment, in dem der äussere Hinterfuss aufsetzt und der innere Hinterfuss frei wird. So kann sich das Pferd schwungvoll in die neue Gangart abstossen und sofort den neuen Rhythmus finden. Wird der Bewegungsfluss dadurch nicht unterbrochen und ist der erste Schritt, Tritt oder Sprung nach dem Übergang sicher im Takt, dann ist dieser gut gelungen.

Das können Übergänge Sie überprüfen Gehorsam und Durchlässigkeit des Pferdes und sind ein Gradmesser für den Ausbildungsstand Sie machen das Pferd sensibler für die Hilfen des Reiters Sie bringen Abwechslung in die Trainingsroutine und den Ausritt Sie fördern Takt und Geschmeidigkeit des Pferdes und verbessern die Losgelassenheit Sie lockern durch das Wechselspiel von An- und Abspannen die Muskulatur Sie verbessern die Rückentätigkeit, steigern die Aktivität der Hinterhand und kräftigen die Muskulatur

Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die Einstellung des Reiters. Er muss überzeugt sein, dass der Übergang durch gute Vorbereitung klappt und die entsprechenden Hilfen konsequent und sicher geben. Je deutlicher sie erfolgen, desto leichter fällt es Pferden, sie zu befolgen. Das gilt auch für den Wechsel von einer höheren in eine niedere Gangart, zum Beispiel beim einfachen Übergang vom Galopp in den Trab. Der Reiter soll dabei nicht aktiv den Galopp beenden, in dem er beim Durchparieren rückwärts wirkt. Vielmehr stellt er sich vor, dass er aus dem Galopp heraus den Trab verlangt, wodurch dann die treibenden Hilfen dominieren und der Übergang flüssig gelingt. Dabei darf das Nachgeben mit der Hand nicht vergessen werden. Stösst sich das Pferd am Gebiss, kommt es zu Taktverlust, der Übergang stockt. Die halben Übergänge oder Tempowechsel innerhalb einer Gangart erfolgen nach der gleichen Methode und auch sie sollten flies­send sein. Beim Verstärken, der Reitlehrer spricht auch gerne vom Zulegen, sowie beim Rückführen bleibt der Rhythmus erhalten, auch wenn sich das Tempo ändert. In der Trabverstärkung wird das Pferd nicht einfach nur schneller, sondern seine Tritte verlängern sich und decken mehr Raum ab.

Während der Bewegungsfluss in allen anderen Übergängen erhalten bleibt, wird er beim Halten bewusst unterbrochen. Die Parade zum Halt ist eine reiterliche Notwendigkeit, um ein Pferd zu kontrollieren. Nur wer anhalten kann, kann kritische Situationen und Unfälle vermeiden. Der Halt gilt als gelungen, wenn das Pferd, egal aus welcher Gangart, in einer weichen, von hinten nach vorne durch seinen Körper fliessenden Bewegung zum Stehen kommt, ruhig und sicher an den Hilfen steht und sein Gewicht gleichmässig auf seinen vier Beinen verteilt ist.

Das Durchparieren wird nicht erreicht, indem der Reiter an den Zügeln zieht. Vielmehr müssen dafür alle reiterlichen Hilfen fein aufeinander abgestimmt werden. In dem Moment, in dem das durch die halbe Parade vorbereitete Pferd mit den Hinterbeinen vermehrt untertritt, wird die Vorwärtsbewegung mit einer durchhaltenden Zügelhilfe weich abgefangen. Gleichzeitig animiert die vorwärtstreibende Schenkelhilfe die Hinterhand des Pferdes mehr Last aufzunehmen, das Pferd «schliesst» sich und kommt zum Halt.