Eine erwachsene Milchkuh frisst und trinkt nicht nur viel, sondern uriniert und kotet auch zünftig: Vorne stopft sie bis zu 100 Kilogramm Futter in sich hinein und trinkt im Sommer, wenn es heiss ist, bis zu 200 Liter Wasser täglich. Hinten kommen im Schnitt 20 bis 30 Liter Urin sowie 30 bis 40 Kilogramm Kot heraus. Im Gegensatz zu Schweinen, die sich für diese Geschäfte in eigenen Stallecken zurückziehen, erleichtern sich Bella, Fiona, Bianca und Co. dort, wo sie sich gerade aufhalten.

Die Exkremente und die Art des Toilettengangs der Rinder haben durchaus unerwünschte Folgen für die Umwelt und die Tiere selbst. Ein verschmutzter Stall kann sich negativ auf die Klauen- und Eutergesundheit auswirken respektive ein sauberer Stall reduziert das Infektionsrisiko. Und vermischen sich im Stall Harn und Kot, entsteht das klimaschädliche Gas Ammoniak. Auf die Felder verstreut, verursacht die Gülle zudem das Treibhausgas Lachgas. Weit über 90 Prozent der Ammoniakemissionen hierzulande gehen auf die Landwirtschaft zurück. Deshalb ist das Interesse durchaus vorhanden, diese zu reduzieren.

Ein Weg wäre die Trennung von Kot und Urin. Der Niederländer Henk Hanskamp hat dafür eine «CowToilet» entwickelt: Bei dieser Kuhtoilette handelt es sich um eine bewegliche Schüssel, die das Zentralband, den Nerv zwischen Schwanzansatz und Euter, stimuliert und den Blasenentleerungsreflex auslöst. Die Kuh pinkelt in die Schüssel, die so verhindert, dass der Urin auf den Boden gelangt und sich mit Mist vermischt. Die Kunst des Systems freilich ist, dass die Kuh ihr
Pissoir freiwillig aufsucht. «Der Besuch der Toilette sollte daher mit der Verabreichung ihrer täglichen Futterbrockenmenge kombiniert werden», schreibt das Unternehmen Hanskamp auf seiner Homepage.

Wie die Kuh auf die Kuhtoilette geht

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Bestrafende Dusche
Dass es möglich ist, Rindern den Gang auf ein eigentliches WC beizubringen, haben Verhaltensbiologen des deutschen Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock kürzlich aufgezeigt. «Wir wollten untersuchen, ob auch Kühe ein kontrolliertes Ausscheidungsverhalten lernen können», sagt Projektleiter Jan Langbein zur Forschung, die in der Fachzeitschrift «Neuro­science and Biobehavioral Reviews» publiziert wurde. «Diese Frage können wir mit einem klaren Ja beantworten.»

Dies zeigten die Trainings, bei denen insgesamt 40 Holstein-Kälbern lernten sollten, ihr kleines Geschäft in einer zwei mal zwei Meter grossen Latrine zu verrichten. Insgesamt fanden von 2018 bis kurz vor der Corona-Krise fünf Durchgänge statt mit jeweils acht bis zehn Kälbern, die bei Versuchsbeginn fünf Monate alt waren. Nach jedem Durchgang sei aufgrund der Resultate die Anleitung geändert und die Latrine vereinfacht worden, erklärt Langbein. «Bei den letzten beiden Durchgängen gingen 11 von 16 Kälbern zum Urinieren in die Latrine.»

75 Prozent sei ein schöner Erfolg. Denn der Vorgang ist komplex. Die Jungtiere mussten als Erstes die Umgebung kennenlernen. Geübt haben sie zuerst in Gruppen, dann zu zweit und am Schluss alleine. Auf die Frage, wie man Kälber denn dazu bringt, zum Urinieren in die Latrine zu gehen, sagt Langbein: «Indem man sie kurz darin einsperrt und ihnen eine Belohnung gibt, wenn sie dort pinkeln.»

Von Training zu Training haben die Forschenden die Daumenschraube etwas angezogen, bis die Klappe mit den 40 Gramm gequetscher Gerste schliesslich nur noch aufging, wenn das Kalb eigens zum Wasserlösen in die Latrine schritt. Wenn es sich dagegen draussen auf dem Gang breitbeinig hinstellte, den Schwanz in die Höhe reckte und damit andeutete, bald zu pinkeln, gab es zur Strafe eine kurze Dusche.

Frage der Praxistauglichkeit
Das Vorgehen sei wie bei Hundewelpen oder Kleinkindern, erklärt Langbein: Schimpfen respektive Strafe beim Wildpinkeln und Lob respektive Belohnung für den Gang aufs WC. So haben die Kälber im Training gelernt, auf ihren Körper zu «hören» und zu merken: «Ich muss mal und nun gehe ich aufs Klo.»

Rindern kann man also beibringen, den Toilettengang zu steuern. Schliesslich urinieren und koten sie auch nicht im Liegen, sondern stehen dafür auf. Dass sie sich dabei nicht gerne anspritzen, zeigt auch die breitbeinige Körperhaltung. Deshalb haben die Leibniz-Wissenschaftler die Latrine mit einem durchlässigen Boden ausgelegt, der als Spritzschutz diente. Als weiterer Schlüsselreiz war das WC in Grün gehalten – eine Farbe, die Kühe laut Langbein gut erkennen.

Es stellen sich nun die Fragen, ob Bella noch macht, was «Klein Bella» einmal gelernt hat, und wie so eine Kuhtoilette praxistauglich in den Stallalltag integriert werden kann.  Man könnte den Vorgang durchaus im Kälber-Iglu trainieren, ist Langbein überzeugt. Und dann würde es das Tier auch in einem anderen Stall so handhaben.

Derzeit laufen Versuche mit Wärmebildkameras, die erkennen, ob Kälber im oder ausserhalb des Iglus zum Urinieren ansetzen. Auch in anderen Ländern, von Dänemark über England und Holland bis nach Australien und Kanada, forschen Wissenschaftler daran. Denn von «stallreinen» Kühen haben alle etwas: die Umwelt, die Tiere selber und nicht zuletzt der Landwirt, weil er weniger ausmisten muss.

Dennoch haben nicht nur deutsche Milchbauern ihre Zweifel an einer praktikablen Umsetzung. Auch Schweizer Landwirte schütteln den Kopf. Bei einer Umfrage auf der Homepage des Fachblattes «Schweizer Bauer» befanden 80 Prozent der Teilnehmenden, die holländische «CowToilet» sei eine Schnapsidee. Und die Vorstellung, seine Kühe auf ein WC zu schicken, kommentierte einer schlicht, dies sei «en Seich».