Fische liegen im Trend: Immer öfter landen sie auf dem Teller von Herr und Frau Schweizer. Der Pro-Kopf-Konsum stieg seit 1980 um rund drei Kilo auf neun Kilo im Jahr 2011. Eine «wünschenswerte Entwicklung» sei diese Zunahme, heisst es im neusten Ernährungsbericht des Bundes, der Ende Januar veröffentlicht wurde. Und weiter: «Möglicherweise trägt die Zunahme des Fischkonsums in der Schweiz zu einer Senkung des Risikos für Herz-Kreislauf-Krankheiten bei.» Dies, weil Fische reich an mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren sind. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt denn auch, ein bis zwei Mal pro Woche Fisch zu essen, auch, weil dieser ein ausgezeichneter Lieferant von Eiweiss, Vitamin A und D ist. 

Von den rund 71'300 Tonnen Fisch, die im Jahr 2011 verkauft wurden, kamen 98 Prozent aus dem Ausland. Laut WWF Schweiz stammten zwei Drittel aus Wildfang, der Rest aus Zuchten. Beides ist aus Sicht der Naturschutzorganisation problematisch: Zum einen seien drei Viertel der kommerziell genutzten Fischbestände überfischt oder stehen kurz davor; zum anderen würden Zuchtfische in der Regel mit Fischmehl und Fischöl gefüttert, was wiederum zum Leerfischen der Meere beitrage. 

Berichte über zweifelhafte Zuchtbedingungen, über Antibiotikaeinsatz und die Überfischung der Weltmeere haben die Konsumenten sensibilisiert. Coop und Migros haben reagiert: Die Migros hat im letzten Jahr angekündigt, dass bis 2020 das ganze Angebot von Fisch und Meeresfrüchten aus nachhaltigen Quellen stammen wird. Coop verfügt gemäss eigenen Angaben über das grösste Bio-Fisch-Sortiment. Rund 65 Prozent des Wildfang-Sortiments stamme derzeit aus MSC-zertifizierter Fischerei.

Fisch-Pioniere starten durch
Boomender Fischkonsum einerseits, Trend zu mehr Nachhaltigkeit bei der Produktion andererseits: Diese Ausgangslage wollen Schweizer Produzenten nutzen. Denn bislang nahmen nur die Mengen von importiertem Fisch zu, während der Trend an den Schweizer Produzenten vorbeiging. Das soll sich nun ändern. Es herrscht geradezu Aufbruchstimmung in der Branche. Verschiedene Zuchtprojekte sind bereits in der Umsetzung oder stehen kurz davor. Ihnen gemeinsam ist, dass es sich um Fischzucht handelt, wie sie in der Schweiz noch nie betrieben wurde. So stehen in den nächsten Monaten lauter Premieren an: Erste Zander-Zucht, erste Shrimps-Zucht, erste Zucht von Salzwasserfischen, erste Fischzucht in Städten.

Crevetten aus der Schweiz
Alles begann mit einem Film: Vor etwas mehr als zwei Jahren sah Thomas Tschirren eine Dokumentation im Fernsehen über einen deutschen Schweinemäster, der auf die Zucht von Crevetten umgesattelt hatte. Das müsse doch auch in der Schweiz möglich sein, sagte sich Tschirren. Damit war die Idee der ersten Crevetten-Zucht der Schweiz geboren – SwissShrimp. Hinter dem Projekt stehen vier Solothurner, die sich in den letzten zwei Jahren in ihrer Freizeit intensiv mit den kleinen, weiss-rosaroten Krustentieren auseinandergesetzt haben. Der Konsum von Crevetten habe in den letzten 20 Jahren stark zugenommen, erklärt Projektleiter Rafael Waber. Die hierzulande erhältlichen Shrimps haben die vier Jungunternehmer aber nicht überzeugt. Alles schmecke gleich. Das verwundert wenig, denn Crevetten werden tiefgefroren importiert und erreichen die Schweiz nach einer Transportzeit von zwei bis drei Monaten. SwissShrimp will hingegen bei den Konsumenten mit Frische punkten. Und mit Swissness: In der Schweiz naturnah und nachhaltig hergestellt statt wie im Ausland unter teils ökologisch zweifelhaften Bedingungen. Man wolle Geniesser ansprechen, die bereit sind, auch etwas mehr zu bezahlen, erklärt Waber.

Der Businessplan werde demnächst fertiggestellt, danach gehe es auf Investoren- und Standortsuche. Ziel sei es, eine Anlage zu bauen, in der jährlich 25 Tonnen Shrimps produziert werden können. Der dazu nötige Strom soll von Solarzellen stammen. 2014 wird es laut Waber die ersten Schweizer Crevetten geben. Um den Absatz muss er sich keine Sorgen machen. «Der Gourmet-Detailhandel, der Fischfachhandel, als auch die gehobene Gastronomie haben bereits Interesse signalisiert», so Waber.

Fisch vom Bauernhof
Luzerner Bauern halten Kühe, Rinder, Hühner, Schafe – vor allem aber Schweine. In keinem anderen Kanton ist die Schweinedichte grösser. Mit negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Wenig erfreulich sind auch die Aussichten auf dem Markt. Dieser ist übersättigt, und infolge des Überangebots sind die Preise im Keller. Die Suche nach alternativen Betriebszweigen hat 2010 zur Gründung der Interessengemeinschaft «Fisch vom Buur» geführt. Diese will Bauern die Fischproduktion schmackhaft machen. Die Grundlagenphase sei abgeschlossen, erklärt Projektleiter Urs Brücker von Innovations-Transfer-Zentralschweiz (ITZ). Das erste Projekt in Dagmarsellen LU sei spruchreif. Im März würde voraussichtlich der Investitionsentscheid fallen, so Brücker. Dem vorangegangen sind zwei Jahre intensiver Aufbauarbeit. Denn: «Mit der Fischzucht haben wir Neuland betreten», erklärt der Maschineningenieur. Fragen zum Markt und zur Produktionstechnik mussten abgeklärt werden. Dafür sei man mehrmals nach Holland und Dänemark gereist, um sich von dortigen Fachleuten unterrichten zu lassen. Mit der Micarna hat sich «Fisch vom Buur» zudem einen Vermarkter an Bord geholt. Die Migros-Tochter riet zur Zucht von Zander. Denn zum einen sei dieser hellfleischige Fisch bei den Konsumenten beliebt; zum anderen sei das Angebot im Ausland knapp und Preis entsprechend hoch. «Fisch vom Bauer» sieht vor, dass die Landwirte die Fische in einer Kreislaufanlage auf dem Hof züchten. Vermarktet werden sollen diese dann von der «Fisch vom Buur AG», die sich zudem um Futterbeschaffung und um Setzlinge kümmert. Wie Urs Brücker betont, sei die Zucht von Zander im kleinen Stil kaum rentabel. Anders sehe es Anlagen mit Kapazitäten von jährlich mehr als 100 Tonnen aus. Doch der Einstieg in die Fischzucht ist teuer: Die in Dagmarsellen geplante 200-Tonnen-Anlage kostet rund sechs Mio. Franken. Brücker geht davon aus, dass es in der Schweiz Platz für fünf bis zehn Anlagen mit zwischen 100 und 200 Tonnen Platz hat.

Meeresfische aus der Zentralschweiz
Das ehrgeizigste Fischzuchtprojekt verfolgt Dirk van Vliet. Der Glarner ist Verwaltungsratspräsident der 2007 gegründeten OceanSwiss Alpine Seafood AG. Diese plant in Buttisholz LU die grösste Aquafarm der Schweiz – und zwar für Salzwasserfische wie Wolfsbarsch, Dorade oder King Fisch. Ab 2014 sollen in den sechs Becken über 1'000 Tonnen Fisch jährlich produziert werden. Den entscheidenden Trumpf gegenüber der ausländischen Konkurrenz sieht van Vliet in einer nachhaltigen Produktion nach Schweizer Qualitätsstandards.

Punkten will der Unternehmer auch mit der Frische der Fische: Denn aufgrund der bedeutend kürzeren Transportwege könne er eine Just-in-Time-Produktion gewährleisten: Abends könnten Kunden bestellen, morgens werde ausgeliefert. Für Detailhändler beispielsweise habe das den Vorteil, dass sie nicht schon im Voraus grosse Mengen einkaufen müssen, die dann, falls sie nicht abgesetzt werden können, auf dem Müll landen, was die Marge reduziere. Dank den kürzeren Transportwegen fallen zudem die Logistikkosten geringer aus. Die für die Fischzucht nötige Energie will van Vliet CO2-neutral erzeugen. Nach fünf Jahren soll die Gewinnschwelle erreicht sein, erklärte er am Fischforum der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Fisch aus der Stadt
Am weitesten gediehen ist das Fischzucht-Projekt von «Urban Farmers», eines 2011 gegründeten Start-up-Unternehmens der ZHAW. Ziel der «Stadt-Bauern» ist es, die Lebensmittelproduktion im urbanen Umfeld zu fördern, erklärt Rebecca Woywod. Derzeit läuft mitten in Basel ein Pilotversuch: Auf dem Dach eines Lokdepots werden in einem Gewächshaus seit Oktober 2012 Fische und Gemüse produziert. Die Urban Farmers setzen dabei auf Aquaponic. Dabei handelt es sich um ein geschlossenes Kreislaufsystem, bei dem der Fischkot als Dünger für das Gemüse verwendet wird. Dieses wiederum reinigt das Wasser, das dann wieder zurück zu den Fischen fliesst.