Sie haben es vielleicht gelesen: US-Präsident Barack Obama hat zu Thanksgiving zwei Truthähne begnadigt. «Thanksgiving» bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie Danksagung, und so sei dem Präsidenten unser Dank ausgedrückt für die Tatsache, dass er zwei Tiere vor der Schlachtbank bewahrt hat.

Tierschützer schätzen, dass zum Thanksgiving-Feiertag Ende November jeweils 45 Millionen Truthähne zu kulinarischen Zwecken getötet werden. Die Opferzahl reduzierte sich nun also auf 44'999'998 Tiere. Diese Massenschlachterei mag immer noch herzlos wirken, doch statt den Brauch zu verurteilen, möchte ich die geschichtlichen Hintergründe beleuchten und damit vielleicht ein wenig Verständnis wecken.

Thanksgiving, wie es in den USA und in Kanada gefeiert wird, ist ein Erntedankfest. Wer also einen Truthahn auftischt, will dem Tier dafür danken, dass es in seinem kurzen Leben seine eigenen Bedürfnisse zurückstellte und sich nichts anderem widmete als der Futteraufnahme. Und um diese Wertschätzung zu zeigen, versetzten sich viele Menschen in einen Truthahn und widmen sich zumindest für einen Tag vollkommen der effizienten Gewichtszunahme.

Zu diesem Zweck kommen nebst dem toten Truthahn meist auch Kartoffelstock oder Süsskartoffeln auf den Tisch. So will es die Tradition, die zurückgeht auf ein dreitägiges Erntedankfest, das amerikanische Ureinwohner einst gemeinsam mit englischen Einwanderern abgehalten haben. Das war im Jahr 1621, als in Nordamerika weder Kartoffeln noch Süsskartoffeln bekannt waren. 

Nun, aus Sicht des Tierwohls ist gegen Kartoffeln und Süsskartoffeln nichts einzuwenden, hingegen stellt sich die Frage, ob Präsident Obama vielleicht mehr als zwei Tiere hätte begnadigen sollen. Die Antwort lautet: Nein. Er kann es gar nicht, da die übrigen 44'999’998 Truthähne nicht dem amerikanischen Staat gehören. Stattdessen dürfte sich jeder andere US-Bürger erlauben, für einen Tag Präsident zu spielen und auf einen Truthahn zu verzichten. Wenn schon nur jeder zehnte der 321'368'864 Einwohner der USA einem Truthahn das Leben schenken würde, müssten zu Thanksgiving nur noch 12'863'114 dieser Tiere sterben. Pardon, 12'863'113, Obama hat ja schliesslich mehr als nur einen gerettet.

Doch diese Überlegungen sind rein hypothetisch. Denn ohne Truthahn würde dieser Feiertag nicht mehr Funktionieren. Der zugrunde liegende Gedanke der Dankbarkeit ans Geflügel müsste aufgeschoben werden, bis ein andermal dieses Gericht auf den Tisch kommt. Zum Beispiel an Weihnachten.

Apropos, was werden Sie an Weihnachten essen?