In der Schweiz leben 1,5 Millionen Rinder, weltweit sind es 1,5 Milliarden, und bilden beim Verdauen Methan. Gemäss der Uno-Welternährungsorganisation FAO geht global ein Siebtel der Treibhausgasemissionen auf das Konto der Nutztierhaltung, hierzulande ist der Anteil etwas geringer. Wissenschaftler weltweit forschen, wie die Rinderhaltung auch nach Klimaaspekten optimiert werden kann. Michael Kreuzer, Professor für Tierernährung an der ETH Zürich, und sein Team haben an der Forschungsstätte Agrovet Strickhof in Lindau ZH gemessen, mit welchen Futterzusätzen sich der Methanausstoss reduzieren lässt. Dafür verbringen die Tiere zwei Tage in einer Respirationskammer, bei der frische Luft rein- und verbrauchte rausströmt.

Herr Kreuzer, wie ist der Tagesablauf in der Respirationskammer?
Gleich wie im Stall. Die Tiere bekommen zur selben Zeit ihr Futter und werden zur gleichen Zeit gemolken. Sie haben einen Futtertrog und Wasser. Die Kühe fühlen sich in den Kammern wohl. Legt sich dennoch eine Kuh nicht innert sechs Stunden hin, brechen wir den Versuch ab. Im letzten Sommer waren sie allerdings sehr gerne in der Kammer, da es dort schön kühl war.

Wie viel Methan stiessen die Tiere aus?
Pro Tier 400 bis 500 Liter am Tag.

Stimmt es, dass Rülpsen schlimmer ist als Furzen?
Vorne kommt mehr raus als hinten. Da Methan auch in die Blutbahn geht, stösst das Tier selbst beim schlichten Ausatmen, ohne zu rülpsen, Methan aus.

Wie entsteht dieses Methan im Pansen?
Natürliches Futter hat sehr viel Faser, die hauptsächlich von Bakterien abgebaut wird. Die Endprodukte sind Essigsäure, was ein guter Nährstoff für die Kuh ist, und Wasserstoff. Dann gibt es die methanogenen Archaea, also Urzeit-Mikroben. Diese Archaeen machen aus Wasserstoff und Kohlendioxid Methan und gewinnen daraus ihre Energie. Dies ist im Prinzip etwas Sinnvolles.

Weil es bei der Verdauung hilft?
Wenn dies nicht passiert, sammelt sich Wasserstoff an. Rückwirkend wird dann die Faser schlechter verdaut.

Wenn man also das Methan auf null senkt, kann die Kuh nicht mehr verdauen?
Die Verdauung wäre reduziert. Tatsächlich wird bei vielen Methan-senkenden Massnahmen die Faserverdauung etwas schlechter. Die Kunst ist, dies so hinzubekommen, dass das Tier weniger Methan ausstösst und die Verdauung nicht zu stark reduziert wird. Dass beides funktioniert. Aber auf null zu senken, ist kein realistisches Ziel.

Leinsamen und Haselblätter wirken gut

Michael Kreuzer
ETH Zürich

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Aber mit Futterzusätzen lässt sich das Methan reduzieren. Sie haben verschiedene Zusätze getestet. Welche funktionieren?
Das Tannin aus der Rinde von Akazienbäumen wirkt verlässlich und sehr schnell. Nach weniger als einer Stunde haben wir die erste Wirkung gesehen. Das Methan reduziert haben auch die Tannine der Haselblätter.

Kühe mögen Haselblätter?
Wir haben eine grosse Zahl an Baum- und Buschblättern getestet. Ein paar haben sie ganz gut gefressen, die Pellets aus Haselblättern sogar erstaunlich gut. Wenn Futtermittel mit demselben Futterwert, zum Beispiel Ökoheu, durch die Blätter ersetzt werden, bleibt die Milchleistung gleich.

Was dagegen hat nicht gewirkt?
Knoblauch. Im Labor erzielten wir bis 90 Prozent weniger Methanausstoss. Im Tier aber waren es mal zehn Prozent, fünf Prozent oder null. Und es war eine entsetzliche Stinkerei.

Die anderen Zusätze stinken nicht und wirken besser. So auch Leinsamen.
Das haben viele Forschergruppen untersucht. Bei allen Ölsaaten ist der Schlüssel, dass man sie schrotet oder extrudiert, denn naturbelassen sind sie nicht verdaulich. Lein hat sich wegen seines Fettsäureprofils durchgesetzt.

Wegen der Omega-3-Fettsäuren?
Ja. Doch Leinsamen zeigen auch, dass Zusätze eine Gratwanderung sind. Man darf nicht zu viel davon verfüttern, da Öl im natürlichen Futter der Kühe nicht vorkommt. Aber im Fall von Leinsamen ist es tatsächlich so, dass das Öl beide Wirkungen hat: Das Milchfett und damit die Milchqualität werden besser und das Methan geht runter.

Sie sagen, man darf nicht zu viel geben. Welche Mengen braucht es, damit Zusätze Wirkung zeigen?
Leinsamen müssten drei Prozent des Grundfutters ausmachen, Haselblätter 10 bis 20 Prozent. Das eine ganze Menge. Man muss bedenken, dass es sich um Naturprodukte handelt, die manchmal wirken, manchmal nicht.

Sind sie trotzdem das Methan reduzierende Superfood für Rinder?
Die Wirkungen waren gut. Doch es wäre kaum sinnvoll, wenn die ganze Schweiz nur noch Lein anbauen würde. Auch Haselblätter sind sicher nichts für jeden Betrieb, auch wenn sich damit die Biodiversität steigern lässt und dann das Grasland mit Haselbüschen aufgelockert wird.

Was ist Ihrer Meinung nach die Lösung?
Meine Empfehlung ist, dass man nicht nur auf eine Massnahme für die ganze Schweiz zielt, sondern dass man ein Set hat, aus dem man eine Massnahme herauspickt oder mehrere miteinander kombiniert. Es ist nicht so, dass es nichts gibt. Und eine weitere Lösung wären langlebige Tiere.

Bilden ältere Kühe weniger Methan?
Das ist tatsächlich so. Ab der dritten, vierten Laktation im Alter von etwa sechs Jahren geht der Methanausstoss zurück.

Warum ist dies so?
Wir wissen, dass die Zähne sich abnutzen. Vielleicht wird die Faser deshalb nicht mehr so gut verdaut, vielleicht geht auch das Futter schneller durch den Vormagen. Wir wissen es nicht genau, aber so etwas könnte es sein.

In welchem Alter ist die Bilanz am schlechtesten?
Für die Gesamtbilanz ihres Lebens ist die Bilanz am schlechtesten, je jünger die Kuh beim Schlachten ist. Entscheidender als die direkten Alterseffekte ist, dass eine Kuh ihr erstes Kalb erst im Alter von zwei, drei Jahren bekommt. Zuvor frisst sie auch und bildet Methan, produziert aber noch keinen Liter Milch. Je älter eine Kuh wird und Kälber bekommt, umso geringer wird der Anteil der Aufzuchtperiode.

Fast-Food-Ketten haben einen enormen Hunger nach Schweizer Rindfleisch.

Michael Kreuzer
ETH Zürich

Das heisst, sie gleicht ihre methanreiche Jugend aus. Aber was spricht gegen ein längeres Kuhleben?Es spricht nichts dagegen, dass eine Kuh 15 oder 20 Jahre alt wird. Aber nicht alle Kühe bleiben gesund und fruchtbar. Dazu kommt, dass der Kuhfleischpreis in der Schweiz zurzeit brutal hoch ist.

Wieso, welche Auswirkungen hat dies?Fast-Food-Ketten haben einen enormen Hunger nach «Schweizer Rindfleisch». Es gibt mehr Bedarf, aber weniger Kühe. Das treibt den Preis in die Höhe. Dann ist die Motivation für den Landwirt nicht besonders gross, seine Tiere länger zu behalten.

Spielt es in der Frage des Methans eine Rolle, wofür die Tiere gehalten werden?Wenn man fragt, wie viel Methan je Kilo produziertes, essbares tierisches Eiweiss gebildet wird, dann spielt es eine Rolle. Käse oder Fleisch? Die Kuh ist viel effizienter als das Mastrind.

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Aber Methan-ärmere Rassen gibt es nicht?
Es gibt Rassen, die weniger Leistung haben und weniger fressen. Dann gibt es pro Tier weniger Methan. Wenn das Ziel die Landschaftspflege ist, dann brauche ich eine solche Rasse. Wenn das Ziel aber lautet, Lebensmittel zu produzieren, sind pro Liter Milch oder pro Kilo Fleisch schneller wachsende, mehr leistende Rassen besser.

Und wie steht es um den Methanausstoss anderer Wiederkäuer wie etwa Schaf oder Ziege?
Pro Kilo verzehrtes Futter gibt es kaum Unterschiede zwischen Rindern, Schafen und Ziegen. Aber: Nicht nur Wiederkäuer produzieren Methan. Jeder Pflanzenfresser tut dies.

Andere Pflanzenfresser stehen beim Thema Methan dennoch nicht im Fokus. Was ist der Unterschied?
Die Menge. Die meisten Pflanzenfresser produzieren pro Kilo Futter ein Viertel des Methans eines Wiederkäuers. Bei einem Versuch von Marcus Clauss und mir mit Schafen und Ponys, beide etwa 90 Kilo schwer, war das so, obwohl das Pony doppelt so viel Heu gefressen hat.

Wieso ist das so?
Alle Pflanzenfresser haben irgendwo in ihrem Verdauungstrakt Mikroben. Der Wiederkäuer produziert deshalb viel mehr Methan, weil das Futter viel länger im Verdauungstrakt bleibt, damit es besonders effizient vergärt wird. Auch wenn man alle Wiederkäuer durch Pferde ersetzen würde, käme man also nicht auf null Methanausstoss. Aber eine weltweit sinkende Rinderzahl würde dem Klima sicher helfen.

Zur PersonMichael Kreuzer (63) hat an der Technischen Universität München-Weihenstephan Agrarwissenschaften studiert und ist seit 1994 Professor für Tierernährung an der ETH Zürich. Er interessiert sich nicht nur für Kühe, Kälber und Munis, sondern generell für Tiere.