Es sieht aus wie im Bilderbuch, wenn ein Mann auf seinem Holzboot auf den See hinaus paddelt, auf dem Bootsrand drei, vier Kormorane. Einen nach dem anderen schubst er sie ins Wasser, wo sie bald abtauchen. Kurz darauf kehrt der erste zum Boot zurück – mit einem Fisch im Kehlsack. Der Fischer lässt den Vogel seine Beute ausspucken und füttert ihm zur Belohnung eine Handvoll Garnelen.

In China und Japan ist diese Fischereimethode seit über tausend Jahren bekannt. Manche chinesische Fischer ziehen die Kormorane sogar selber auf und werden so zur wichtigen Bezugsperson für ihre Vögel. Das gehe soweit, dass sich die Kormorane nur von ihrem Fischer, nicht aber von dessen Familienmitgliedern füttern liessen, wie die Ethonologin Babet Naefe in ihrer Magisterarbeit an der Universität Köln schreibt.

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="b01339fa-ce7c-4e84-883e-56648abb20d7" data-langcode="de"></drupal-entity>
Bei der traditionellen Kormoranfischerei in China fahren die Fischer oft mit einer Art
Floss auf den See.
Bild: Andy Siitonen / cc-by

Kormorane, die so aufgewachsen seien, würden in der Regel frei mit auf den See genommen. Dagegen pflegten diejenigen Fischer, die mit gekauften Vögeln arbeiten, diesen eine Leine an ein Bein zu binden. Um die Kormorane am Schlucken der Beute zu hindern, binden ihnen die Fischer den Hals mit Reisstroh ab. So kann der Vogel laut Naefe nur noch die ganz kleinen Fische hinunterschlucken.

Nächtliche Touristenattraktion
Die Zahl der Menschen, die noch diese Form der Fischerei praktizieren, hat über die letzten Jahrzehnte allerdings massiv abgenommen. Die Netzfischerei liefert grössere Erträge, zudem fallen die Kosten für das Füttern der Kormorane weg. Laut Naefe hat zudem die Verschmutzung der Seen zu einem Rückgang der Erträge der Kormoranfischer geführt.

Während der Verkauf von Fischen aus der Kormoranfischerei kaum noch rentabel ist, hat diese traditionelle Methode ihren Reiz für Touristen. Das haben geschäftstüchtige Fischer zum Beispiel in Japan erlickt. Dort wird der Fischfang mit Kormoranen unter dem Namen «Ukai» inzwischen ausschliesslich touristisch praktiziert. Die Fischere tragen traditionelle Strohschürzen und gehen nachts auf Fang, beleuchtet von einem Feuer in einem Korb, der an einer Stange am Boot befestigt wird.

Unterhaltung für den König
Einst hielt die Kormoranfischerei für kurze Zeit gar in Europa Einzug, ungefähr Anfang des 17. Jahrhunderts, allerdings auch hier ausschliesslich wegen ihres Unterhaltungswert für das Publikum. In England soll sich König James I. davon fasziniert gezeigt haben, während aus Frankreich belegt ist, dass die Methode dem Thronfolger Louis XIII gezeigt wurde. Auch aus dem 19. Jahrhundert gibt es Berichte zur Kormoranfischerei aus ebendiesen Ländern. Dabei sollen die Vögel wie bei der Falknerei auf Handschuhen getragen und mit Hauben beruhigt worden sein, wie der Kurator des Naturhistorischen Museums Chicago im Jahr 1931 schrieb.

Ob in asiatischer oder europäischer Variante, aus heutiger Sicht ist die Kormoranfischerei nicht tiergerecht. Allerdings hat Babet Naefe in China bei denjenigen Fischern, die ihre Vögel selber aufziehen, ein enges Verhältnis zu den Tieren beobachtet. «Wenn die Tiere zu alt sind, um genügend Fische für den Fischer zu fangen, werden sie nach wie vor mit auf den See genommen und dürfen für sich Fische fangen», schreibt sie. In der Schweiz werden dagegen jedes Jahr rund tausend Kormorane geschossen.

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="808174e5-8343-4e1e-8ee3-c7c5ef4dcd5d" data-langcode="de"></drupal-entity>
Der Maler James Clarke Hook hat im Jahr 1874 festgehalten, wie der englische Autor Francis Henry Salvin mit
Kormoranen fischt.
Bild: James Clarke Hook

[IMG 2]