Kaum betritt Hans Schmutz den Futterplatz der «Magic-Vision-Ranch» in Rubigen BE, lassen seine beiden Quarter-Horse-Stuten alles stehen und liegen, um ihn zu begrüssen. «Firevision Magic» und ihre Tochter «Hotfire Magic» erinnern in diesem Moment an Hunde, die es kaum erwarten können, ihr Herrchen zu empfangen. Der Eindruck täusche nicht, bestätigt der Rubiger und lächelt zufrieden: «Die beiden bringen mir oft Gegenstände und freuen sich, wenn ich mit dem Halfter komme – wie Hunde, wenn sie eine Leine erblicken.» 

Selbst der ohrenbetäubende Lärm von einem Laubbläser schreckt die Vierbeiner nicht sonderlich ab, sondern lockt sie sogar noch an. Sie stehen inmitten der herumwirbelnden Blätter. Welch eindrücklicher Vertrauensbeweis!

Wilder Westen in den Vogesen
Sein Erfolgsrezept erklärt der 65-Jährige, der als Schweizer in Lothringen aufgewachsen ist, mit einem Vergleich. Pferde dürften nicht wie Sklaven auf einer Galeere gehalten werden. Gerade als Fluchttiere bräuchten sie Freiheit. «Der Mensch engt das Pferd seit Jahrhunderten ein. Ich mache das Gegenteil.» Wie die berühmten amerikanischen Horsemen, zum Beispiel Monthy Roberts, vertraut er auf die Methoden des sogenannten Natural Horsemanship, also auf ein Trainingsspiel, das die Tiere nicht überfordert. Er wartet darauf, bis das Pferd etwas gut macht und belohnt es dann. Strafen kennt er dagegen nicht. «Rösser senden Telegramme mit Botschaften. Diese müssen aufmerksam beachtet und nicht mit Peitschenhieben beantwortet werden», erklärt Schmutz, der sich weder als Pferdeflüsterer noch als Cowboy sieht, obwohl er gerne wetterbedingt auf langen Ausritten die dazupassenden Hüte trägt. «Am liebsten bezeichne ich mich als Horseboy.»

Der Trailer zu Hans Schmutz' Film (Video: Hans Schmutz):

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Wie es sich für einen richtigen Horseboy gehört, tut Schmutz alles für das Wohl seiner Pferde. Davon können sich seine Ranchbesucher schnell überzeugen. Die Pferde können sich völlig frei bewegen. Sie verfügen über mehrere Weiden, einen Spiel-, Schlaf-, Futter- und Toi­lettenbereich, können sich an einer selbst gebauten Anlage den Rücken mit einem Besen massieren lassen und an heissen Tagen sogar ein kühles Bad in ihrem eigenen Swimmingpool gönnen. 

Zwar hat nicht jeder die Möglichkeit, seinem Pferd eine solche Wohlfühloase zu bieten, dafür aber einen artgerechten Umgang.  Wichtig ist es laut dem Experten, sich mit der Psyche und der Verhaltensweise des Pferdes auseinanderzusetzen. Nur so sei es möglich, die Rosssprache zu lernen. Diese hat Hans Schmutz offenbar mit der Muttermilch aufgesogen. «Ich habe wohl ein Pferde-Gen in mir», sagt er und lacht. 

Bereits als zweijähriges Kind sass der Horse­boy das erste Mal auf dem Rücken eines Pferdes. Sein Vater war Karrer, darum war Schmutz täglich von Rössern umgeben. Mit Glaceverkäufen finanzierte er sich im Alter von zehn Jahren einen Esel, weil das Geld für ein Pferd nicht reichte. Sein Langohr behandelte er in der für ihn selbstverständlichen Art wie einen Freund und nicht wie ein Arbeitstier. «Wir waren viel in den Vogesen unterwegs», erinnert sich Schmutz. «Ich fühlte mich dort immer wie im Wilden Westen und genoss es, die Natur hautnah zu erleben.»

Reiten für einen guten Zweck
So verwundert es nicht, dass Wanderritte bis heute zu seiner grossen Leidenschaft zählen. Aus diesem Grund entschied er sich für nordamerikanische Quarter Horses. Sie gelten laut Schmutz als die Bodybuilder unter den Pferden, sind ausdauernd, schnell und wendig und deswegen perfekt für seine Bedürfnisse geeignet. 

Der weiteste Ritt führte ihn bis nach Slowenien. Dabei legte das Mensch-Tier-Gespann rund tausend Kilometer zurück, durchschnittlich 27,5 Kilometer pro Tag. Unterwegs frage er jeweils spontan nach einem Unterstand, wo er dann neben seinem Pferd schlafe, erzählt Schmutz. «Mir werden aber auch Übernachtungsmöglichkeiten in Wohnungen angeboten. Oft entstehen dabei wunderbare zwischenmenschliche Begegnungen mit den Gastgebern.» 

Die Wanderritte macht der Pferdeliebhaber aber nicht nur aus Vergnügen, sondern auch für einen guten Zweck. «Ich reite über Grenzen, deshalb spende ich auch über die Grenzen hinweg, nämlich für Ärzte ohne Grenzen», sagt er. Die Idee entstand, als eine Frau ihm 50 Franken in die Hand drückte, damit er sich und sein Pferd versorgen konnte. Das machte Schmutz zunächst auch und spendete die Summe später für die Hilfsorganisation.

Ein weiteres grosses Anliegen ist dem Horseboy, den tiergerechten Umgang und das Bewusstsein dafür zu fördern. «Ich möchte aufzeigen, was alle Pferdeinteressierten mit loyaler, friedlicher und ruhiger, aber auch autoritärer Gerechtigkeit erreichen können», sagt Schmutz. Das tut er mit Vorträgen, Ratgebern und Filmen, die er als Drehbuchautor und Kameramann komplett in Eigenregie dreht. Ein aktueller Lehrfilm ist gerade am Entstehen. Er zeigt, was man spielerisch alles mit Pferden erreichen kann.

Pferde haben keinen Preis
An Interessenten dürfte es nicht mangeln. Denn längst hat sich Hans Schmutz einen guten Namen gemacht, nicht nur bei Hobbyreitern, sondern auch beim Schweizer Tierschutz und bei bekannten Persönlichkeiten aus der Pferdesportszene. So würdigen unter anderem der Weltcupsieger im Springreiten, Romain Duguet, und die ehemalige Dressur-Olympiasiegerin Christine Stückelberger seine Arbeit. «Ich hätte nie gedacht, mit meinen Büchern und Filmen so viel Erfolg zu haben», gibt Schmutz zu. «Aber es ist natürlich schön, einer breiten Öffentlichkeit meine Philosophie präsentieren zu können.»

Schön fände es der Mann mit dem Westernhut auch, wenn es nicht nur Wettbewerbe im Spring- oder Dressurreiten gäbe, sondern auch im anständigen Umgang mit Pferden. Er hätte dabei mit Firevision Magic und Hotfire Magic beste Chancen. Die beiden Stuten haben übrigens einen berühmten Gross- beziehungsweise Urgrossvater, wie Schmutz beiläufig erwähnt. Rugged Lark gilt als bester Allround-Hengst aller Zeiten und steht als Statue im Pferdemuseum des US-amerikanischen Amarillo. «Dass es so kam, war Zufall und ist über einen Kollegen in Basel zustande gekommen», sagt der Ranch­betreiber. An einen Verkauf habe er aber trotz lukrativer Angebote nie gedacht. Denn für ihn haben «Menschen und Tiere keinen Preis und keine Farbe».