Rösseler gelten als tierliebend und naturverbunden. Entsprechend gross war der Aufschrei in der Pferdebranche, als im Dezember 2018 eine Studie zur Ökobilanz von Haustieren erschien. Schliesslich heisst es im Bericht des Schaffhauser Beratungsunternehmens ESU Services, dass Pferde den grössten ökologischen Fuss- beziehungsweise Hufabdruck aller Haustiere haben. Die Haltung eines Rosses sei sogar schädlicher als der Besitz eines grossen Autos und entspreche auf das Jahr gerechnet einer Klimabelastung, die so hoch ist wie eine 9200 Kilometer lange Autofahrt, was der Luftlinie von Bern nach Rio de Janeiro entspricht. Beim Hund sind es dagegen «nur» rund 2800 Kilometer.

Belastende Autofahrten
Auch im Nationalen Pferdegestüt in Avenches VD habe diese Meldung Aufmerksamkeit erregt, sagt Rudolf von Niederhäusern, Leiter Forschungsgruppe Pferdezucht und -haltung von Agroscope. «Der Schrecken war gross und die Ablehnung vieler Rösseler gegenüber den Resultaten dieser Studie ebenfalls.» Für von Niederhäusern und die anderen Mitarbeiter des Nationalgestüts war Empörung aber nicht der richtige Weg, mit der Problematik umzugehen. Vielmehr wollte man sich mit diesem Thema sachlich auseinandersetzen und nach Lösungen suchen.

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  Grafik: Corinne Bärtschi

 

Aus diesem Grund rückte die ökologische Pferdehaltung ins Zentrum der diesjährigen Pferdefachtagung. Zu Wort kam dabei auch der verantwortliche Studienautor Niels Jungbluth, der zusammen mit seinen Kollegen neben Pferden auch den Umwelteinfluss von Hunden, Katzen, Kaninchen, Ziervögeln und Zierfischen untersuchte. «Verglichen mit den anderen Haustieren verursacht die Haltung eines Pferdes mit Abstand die höchsten klimarelevanten Belastungen», betonte der Experte von ESU Services in seinem Vortrag. «Diese entsprechen, über ein Jahr gesehen, etwa einem Viertel der Klimabelastungen, die der Gesamtkonsum eines durchschnittlichen Schweizers verursacht.» Dazu zählen Mobilität, Ernährung, Wohnen, der Kauf und die Entsorgung von Dingen sowie öffentliche Dienstleistungen.

Die Datenerhebung erfasste bei allen Tieren Fütterung, Behausung, Fäkalien, Autofahrten und sonstige Anschaffungen, die durch das Haustier begründet sind. Bei Pferden fällt die Fütterung am meisten ins Gewicht (siehe Grafik unten), vor allem das Heu, das Stroh und das Pferdealleinfutter. Ebenfalls von grosser Relevanz ist die Unterkunft. Diese beinhaltet die Infrastruktur, den Stromverbrauch sowie das Wasser für die Reinigung und das als Einstreu verwendete Stroh. 

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  Grafik: Corinne Bärtschi

 

Einen grossen Klimaeinfluss haben bei Rössern zudem Autofahrten, die für das Pferd absolviert werden. Oft liegen Pferdehöfe nämlich abgelegen auf dem Land, was nicht nur die Mobilität der Halter, sondern auch jene von Tierärzten und Hufschmieden erfordert. Hinzu kommen aufwendige Transfers mit PS-starken Fahrzeugen und Pferdeanhängern zu Turnieren oder anderen Veranstaltungen. 

Umweltverträgliche Massnahmen
Der Fachmann betonte allerdings auch, dass es ein bedeutender Faktor sei, wie vielen Menschen das Tier zugutekomme. «Wird ein Pferd beispielsweise von mehreren Personen geritten, so verteilen sich die Umweltbelastungen entsprechend auf mehrere Schultern», sagte Jungbluth.

Das Verhalten der Pferdehalter hat also einen entscheidenden Einfluss auf die Ökobilanz ihrer Rösser. Wie sie diese verbessern können, erklärte Georg W. Fink vom gleichnamigen Beratungs- und Gutachtenbüro für Reitanlagen (www.fink-reitanlagen.de) in Deutschland. Er sprach die anwesenden Pferdefreunde in Avenches gleich direkt an und fragte, ob sie und ihre Tiere wirklich alles brauchen, was im Internet, in Reitershops und von der Futtermittelindustrie angeboten wird. Wie viele unnütze Produkte es für Pferde gebe, sei ihm zuletzt an der weltgrössten Pferdemesse «Equitana» im deutschen Essen deutlich geworden. «Ergibt es nicht viel mehr Sinn, sich wieder auf das Wesentliche zu reduzieren?»

Fink beliess es aber nicht nur bei mahnenden Worten und Appellen, sondern machte auch konkrete Vorschläge zu umweltverträglichen Massnahmen. Dazu gehören für ihn:

> Flächen sparen durch intelligente Planung
> Weniger Flächen versiegeln durch moderne Bauweisen
> Ökologische Baustoffe einsetzen und den Rückbau berücksichtigen
> Reitplätze umweltfreundlich bauen und pflegen
> Fassaden und Dächer begrünen 
> Regenwasser und Grundwasser nutzen statt Trinkwasser zu vergeuden
> Pferdemist ökologisch nutzen als Brennstoff, Dünger und zur Humuserzeugung
> Solarenergie für Strom nutzen
> Emissionen verringern durch technische Anlagen
> Grünland extensiv bewirtschaften
> Menschen informieren und für die «Pferde-Umwelt» sensibilisieren und begeistern.

Zumindest Letzteres dürfte Fink mit seinem engagierten Auftritt gelungen sein. Passend dazu schloss er seinen Vortag mit einer flammenden Botschaft: «Es ist wichtiger, unseren Sport als Teil einer weltweiten Öko-Bewegung rund um das Pferd zu sehen, als mit gewaltigem Aufwand und nicht immer im Sinn des Tierwohls nach Medaillen zu greifen.»