Auf seinem Betrieb im luzernischen Gunzwil züchtet und mästet Ruedi Rinert Schweine. Mindestens Zwei Mal im Jahr steht beim Bauer der Besuch seines Tierarztes Stefan Birrer an – auch dann, wenn es den Schweinen gut geht.

Birrer besucht den Betrieb im Rahmen der sogenannten Bestandesbetreuung: Statt sich um einzelne Tiere zu kümmern, die bereits krank sind, kontrolliert er Rinerts Schweinebetrieb in regelmässigen Abständen und bespricht mit dem Bauern, was er bei der Haltung in der Herde verbessern kann, damit die Tiere im Stall gar nicht erst krank werden. Auf die Bestandesbetreuung setzt auch die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte. Denn die Bauern halten immer mehr Nutztiere in grösseren Herden. Die Tiere müssen immer mehr leisten und die Bauern immer mehr wissen.

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 Tierarzt Stefan Birrer (links) und Bauer Ruedi Rinert.
 Bild: Helene Soltermann

«Ein Schwein muss produzieren»
Beim Besuch auf Rinerts Betrieb zeigt sich Tierarzt Birrer zufrieden. «Die Sauen sehen alle gut aus.» Birrer und Rinert stehen vor einer Bucht, die Mastschweine – aufgeschreckt durch den Besuch – rennen zuerst von der einen in die andere Ecke des Stalls und beschnuppern schon bald Bauer und Tierarzt. «Ein Schwein kann es sich nicht leisten, krank zu sein. Es muss produzieren», erklärt Birrer. Schon Fieber kann die Ursache dafür sein, dass eine Muttersau verwirft. Und das wirkt sich direkt auf die Einnahmen des Bauern aus: Denn gebärt die Sau keine Ferkel, kann Rinert diese auch nicht mästen oder verkaufen.

Stefan Birrer sieht schnell, ob es den Tieren in Ruedi Rinerts Stall gut geht. Bereits das Gewicht der Ferkel lässt auf die Gesundheit des Bestandes schliessen. Ferkel hat Rinert viele, nach Wurf und Alter aufgeteilt sind sie in verschiedenen Buchten untergebracht. «Wenn alle Ferkel eines gleichen Wurfs etwa gleich schwer sind, ist das ein gutes Zeichen.» Eine Muttersau gebärt pro Mal um die elf Ferkel. Vier Wochen bleiben die Jungtiere bei der Mutter und trinken Milch, danach werden sie von ihr getrennt und haben vor allem eine Aufgabe: Fressen, damit sie Fleisch ansetzen. Im Alter von zehn Wochen haben die Ferkel 25 Kilogramm auf den Rippen und sind bereit für die Mast. Rinert mästet zwei Drittel seiner Jungtiere selber, den anderen Drittel verkauft er an andere Schweinemäster.

Mehr Ferkel pro Schwein
Wie viel eine Sau zu produzieren hat, ist klar definiert. Pro Jahr ferkelt eine Muttersau durchschnittlich 2,3 Mal ab; im Jahresschnitt ergibt dies also rund 25 Ferkel pro Schwein. In diese Bilanz nicht miteingerechnet sind die Todgeburten und die Abgänge. «Ein Abgang von zwölf Prozent ist normal», weiss Birrer.

Der Hauptgrund ist heute der gleiche wie früher: Die Muttersau erdrückt einige ihrer Jungen, wenn sie sich hinlegt. Verändert zu früher hat sich hingegen die Leistung: Die Tiere müssen immer mehr produzieren. Als Birrer vor gut 20 Jahren studiert hatte, gebar eine Muttersau pro Jahr im Schnitt 20 Ferkel, erinnert er sich. Im Vergleich zu heute hat die Leistung also zugenommen. «Das Problem ist aber, dass das Futter immer noch das gleiche ist wie vor 25 Jahren.»

Bedarfsgerechte Fütterung
Die Fütterung ist denn auch einer der wichtigsten Punkte in der Schweinehaltung und somit beim Bestandesbetreuungs-Besuch in Rinert Stall entsprechend ein viel diskutiertes Thema. Rinert hat jedoch dieses Mal nur Gutes zu berichten: Die Ferkel haben sich schnell ans Fressen gewöhnt, erzählt er.

Die Umstellung von der Muttermilch auf Kraftfutter läuft aber nicht immer optimal. Denn solange die Ferkel am Euter Milch saugen können, fressen sie kaum Futter. Werden sie aber vom Muttertier weggenommen, müssen sie von einem Tag auf den anderen lernen, zu fressen. Die Futtermischung, die die jungen Tiere serviert bekommen, ist auf die Gewichtszunahme ausgerichtet. 

Rinerts Betrieb begleitet Birrer bereits seit zehn Jahren im Rahmen der Bestandesbetreuung. So weiss er auch, wo die Schwierigkeiten liegen. «Durchfall war immer wieder ein Problem auf diesem Betrieb.» Doch Birrers Tipp beim letzten Besuch war erfolgreich. Er hat Rinert geraten, den Schweinen ein anderes Futter zu verabreichen. «Das hat etwas gebracht», berichtet Rinert. Auch Birrer sieht den Erfolg: Der Mist im Stall der Ferkel ist nicht dünnflüssig, sondern fest.

Nach der Kontrolle die Formulare ausfüllen
Zur Bestandesbetreuung gehört nicht nur der ausführliche Rundgang durch den Betrieb, sondern auch das Ausfüllen von Papier. Birrer muss auf Formularen Rinerts Schweinemastbetrieb in verschiedenen Kriterien beurteilen – von der Hygiene über die Wasserversorgung bis zu Entwurmungsbehandlungen und Tierzukäufen. Neben dem Ausfüllen der Formulare wirft Birrer auch einen Blick in den Kühlschrank, in dem Rinert die Medikamente lagert. Welche sind drin? Gibt es welche, die abgelaufen sind? Viele Medikamente sind es nicht, die im Kühlschrank stehen – nicht zuletzt darum, weil Birrer Rinerts Schweinebetrieb regelmässig kontrolliert.

Einen Teil des Aufwands für die Bestandesbetreuung kann Birrer dem Schweinegesundheitsdienst in Rechnung stellen. Den grössten Teil der Kosten muss aber der Bauer selbst bezahlen. Obschon Schweinemäster Ruedi Rinert unter dem Strich für die Bestandesbetreuungs-Besuche des Tierarztes wohl tiefer ins Portemonnaie greifen muss als ein Schweinehalter, der nicht auf die Bestandesbetreuung setzt, bezahlt es sich unter dem Strich aus: Denn sorgt der Arzt dafür, dass die Schweine gesund bleiben, entstehen dem Bauern weniger Kosten bei der Behandlung kranker Tiere.