Frau Wägeli, wie erklären Sie einem Laien, was Pferdezucht bedeutet?
In der Pferdezucht wird gezielt aus einer Stute und einem ausgewählten Hengst ein Nachkomme gezeugt. Die Anpaarung, sprich die Auswahl der Stute und des Hengstes, wird dabei nicht dem Zufall oder der Natur überlassen. Ziel ist es dabei, einen Zuchtfortschritt zu erzielen und dem Zuchtziel, welches durch den Züchter oder auch durch einen Zuchtverband definiert werden kann, so nahe wie möglich zu kommen.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein simples Zuchtziel kann sein, ein geschecktes Pferd zu züchten. Damit dies erreicht werden kann, müssen entsprechende Elterntiere ausgewählt werden – und das ist dann Pferdezucht.

Welche Voraussetzungen muss eine Pferdezuchtorganisation erfüllen?
In der Schweiz wird unterschieden zwischen durch das Bundesamt für Landwirtschaft BLW anerkannten und nicht anerkannten Pferdezuchtorganisationen. Wenn die Zuchtorganisation durch das BLW anerkannt werden will, muss es diverse Voraussetzungen erfüllen, die auch im regelmässigen Abstand wieder überprüft werden durch einen Wiederanerkennungsprozess.

Was gehört zu diesen Voraussetzungen?
Eine sehr wichtige Voraussetzung ist zum
Beispiel die Führung eines Herdebuchs. Wenn die Zuchtorganisation jedoch auf die Anerkennung über das BLW verzichtet, bestehen keine Vorgaben. Oftmals orientieren die Zuchtorganisationen sich in solchen Fällen auch an ihren internationalen Dachverbänden.

[IMG 2-11]

Dazu zählt auch Ihr Verband. Welche Aufgaben haben Sie genau?
Wir kümmern uns um Angelegenheiten, die die gesamte Schweizer Pferdezucht betreffen, und sind politischer Vertreter für die Pferdezuchtbranche. So beschäftigen wir uns mit Fragen der Tierschutz- und Tierzuchtverordnung oder auch im Bereich des Imports und Exports.

Stichwort Tierschutz: Was gilt es dabei zu beachten?
In der Schweizer Tierschutzverordnung wird ganz klar festgehalten, dass das Züchten darauf ausgerichtet sein muss, gesunde Tiere zu erhalten und Zuchtziele keine «eingeschränkten Organ- und Sinnesfunktionen und Abweichungen vom arttypischen Verhalten zur Folge haben, sind nur dann zulässig, wenn sie ohne das Tier belastende Massnahmen bei Pflege, Haltung oder Fütterung, ohne Eingriffe am Tier und ohne regelmässige medizinische Pflegemassnahmen kompensiert werden können».

Wie viele Pferdezuchtorganisationen gibt es in der Schweiz?
So genau kann ich diese Frage leider nicht beantworten. Da der derzeitige Wieder-/Anerkennungsprozess durch das BLW aktuell noch läuft, ist noch offen, wie viele Verbände anerkannt sein werden. Zudem gibt es kein Verzeichnis von nicht anerkannten Zuchtverbänden. Eigentlich kann jede Privatperson einen eigenen Zuchtverband gründen, solange er nicht anerkannt werden möchte. Im Vergleich zu anderen Tierarten in der Schweiz haben wir in der Pferdebranche jedoch sehr viele Zuchtverbände.

Welche Rassen werden hierzulande gezüchtet?
Eine Vielzahl. Fast alles, was es auf der ganzen Welt auch gibt. Die Schweizer Pferdezuchtbranche ist sehr bunt. Nur um ein paar wenige zu nennen: Schweizer Warmblutpferde, Haflinger, diverse Ponyrassen, Araber und Berber. Der Freiberger gilt als einzige Schweizer Pferderasse. Oft werden aber auch der Burgdorfer, der Einsiedler oder das Schweizer Warmblut als solche betrachtet. Burgdorfer und Einsiedler sind keine Rassen mehr, sondern Schläge, also Untereinheiten von Rassen.

«Die Rahmenbedingungen für eine rentable Pferdezucht in der Schweiz sind sehr schwierig.»

Simone Wägeli

Wie steht es um die Schweizer Pferdezucht im europäischen Vergleich?
Wir sind ein kleines Pferdezuchtland – ohne Frage. Aber wir haben eine sehr vielfältige, bunte Pferdezucht und Pferdezüchter mit grosser Leidenschaft. Im sportlichen Bereich konnten wir in den letzten Jahren auch international mit unseren Pferden durchaus brillieren. In der Schweiz ist jedoch das gleiche Phänomen wie in vielen anderen europäischen Ländern zu beobachten, dass die Anzahl der Zuchttiere zurückgeht.

Das klingt nicht gerade nach rosigen Zukunftsaussichten.
In den letzten Jahren haben viele ältere Züchter die Zuchttätigkeit aufgegeben – ohne Nachfolger –, wodurch ein Teil der sinkenden Geburtenzahlen zu erklären ist. Die Rahmenbedingungen für eine rentable Pferdezucht in der Schweiz sind sehr schwierig: steigende Produktions- und Aufzuchtkosten, strenge Tierhaltungsrichtlinien und Einschränkungen in der Pferdehaltung durch die Raumplanung sowie den Denkmalschutz. Deshalb werden wohl in Zukunft viele Schweizer Pferdezüchter nur noch hobbymässig Pferde züchten. Wir sehen zudem einen weiteren Trend zur Diversität: Es werden immer mehr Rassen gezüchtet, die vor ein paar Jahren in der Schweiz noch unbekannt waren. Im Gegensatz dazu gehen die Geburtenzahlen der eingesessenen Schweizer Pferderassen, des Warmbluts, des Freibergers und des Haflingers, weiter zurück.

Begeistern Sie sich eher für diese Rassen oder haben Sie einen anderen Favoriten?
Ich selbst züchte Schweizer Warmblutpferde. Meine Familie züchtet bereits seit Generationen diese Pferderasse. Deshalb habe ich persönlich einen sehr starken Bezug zu dieser Rasse. Aber es gibt zahlreiche Pferderassen, die ich faszinierend finde. Für jeden Geschmack hat es etwas dabei, diese Vielfalt finde ich toll.

[IMG 12]

Zur Person
Salome Wägeli ist die Vizepräsidentin des Verbandes Schweizerischer Pferdezuchtorganisationen (VSP). Sie ist zudem die Betriebsleiterin des Nationalen Pferdezentrums Bern. Die 36-jährige Thurgauerin hat einen Doktortitel in Agrar- und Lebensmittelmarketing, den Master in Agribusiness, den Bachelor in Pferdewissenschaften und eine Ausbildung zur EU-Besamungswartin.