Mehrmals pro Woche klingelt beim STS das Telefon, weil Tierfreunde vermeintliche Quälereien in der Landwirtschaft melden wollen, etwa Rinder auf Gummiböden und Schweineställe ohne Einstreu. «Wir müssen den Leuten dann sagen, dass die Tierschutzverordnung diese Haltungsformen immer noch zulässt», sagte STS-Geschäftsführer Hans-Ulrich Huber am Dienstag in Zürich vor den Medien.

Meist seien die Anrufer enttäuscht. «Die meisten stellen sich die Tierhaltung in der Schweiz zu gut vor», sagte Huber weiter. Das liege nicht zuletzt an Signeten wie «Suisse Garantie» und» «QM-Schweizer Fleisch», die mit glücklichen Tieren auf saftigen Weiden werben würden. «Dabei garantieren sie nur die gesetzlichen Mindeststandards, die leider keineswegs artgerecht sind.»

«Suisse Garantie» ist eine Herkunftsbezeichnung, die lediglich garantiert, dass die Schweizer Tierschutzverordnung eingehalten wurde. «QM-Schweizer Fleisch» bedeutet, dass die Bauern Qualitätsmanagement betreiben, also etwa die verabreichten Medikamente in einem Journal festhalten. Gemäss STS ist dies aber «sowieso vorgeschrieben», das Signet deshalb «nicht viel wert».

Langeweile auf Spaltenböden
Eine repräsentative Umfrage des STS zeigt, wie schlecht Schweizer Konsumenten über die Schlachttierhaltung informiert sind: Gerade einmal 17 Prozent der Teilnehmer wussten, dass eine weiche Liegefläche mit Einstreu in der Schweinehaltung nicht vorgeschrieben ist und 23 Prozent wussten Bescheid, dass ein regelmässiger Auslauf für Schweine nicht obligatorisch ist. 1,1 Millionen Schweine in der Schweiz verbringen laut STS ihren Alltag auf Spaltenböden und können nie an die frische Luft.

Die Signete «Suisse Garantie» und «QM-Schweizer Fleisch» und deren Werbung seien irreführend, kritisiert der Tierschutz. Er fordert, dass die Produzenten realitätsnaher informieren, wie es auf den Betrieben wirklich aussieht. Der STS will zudem ans Bundesamt für Veterinärwesen gelangen, damit dieses die Bevölkerung besser über die geltende Tierschutzverordnung informiert.

Vom guten Ruf profitieren alle
Was den STS besonders ärgert: Vom guten Ruf des Schweizer Fleisches profitieren alle Hersteller - auch jene, die für ihre Tiere nur das Mindeste machen. «Suisse Garantie» und «QM-Schweizer Fleisch» seien Trittbrettfahrer von echten Tierwohl-Labels wie etwa der Bioknospe, Coop Naturafarm oder Migros Weide-Beef. Dabei kämen diese Produzenten nicht ansatzweise an eine artgerechte Haltung heran, auch wenn sie die Gesetze einhalten würden, sagte Huber.

Konsumenten in der Pflicht
Den Vorwurf, dass ein Signet wie «Suisse Garantie» gute Tierhaltung suggeriere, streitet die Branchenvereinigung Agro-Marketing Suisse in einer Mitteilung ab. Es handle sich um ein Herkunftszeichen und stehe nicht für eine bestimmte Tierhaltungs- oder Produktionsart.

Dasselbe gelte für «QM-Schweizer Fleisch», das nur die Einhaltung der Bestimmungen sicherstelle. Auch hier werde nichts suggeriert. Zur Verteidigung der Bauern fügt Agro-Marketing Suisse an, dass viele Betriebe grosses Interesse daran hätten, an Labelprogrammen mit höheren Anforderungen mitzuwirken. Die Realität zeige aber, dass etwa beim Rindvieh nur 40 Prozent unter einem Label und damit zu besseren Preisen vermarktet werden könnten. Es liege in der Verantwortung der Konsumenten, diesen Anteil zu vergrössern.