Was für ein langer Weg von Namibia über Südafrika bis nach Hofstetten bei Brienz im Berner Oberland! Amanda, Lola, Ruth und all die anderen Burenziegen im Stall von Hanspeter Mäder haben die weite Reise natürlich nicht selbst hinter sich gebracht, aber ihre Vorfahren stammen von dort. Die Ziegen können ihre Herkunft nicht verleugnen, haben sie doch den Namen ihrer Züchter, der weis­sen Bewohner Südafrikas, bekommen: also Buren.

In Mäders Stall stehen rund 95 dieser Burenziegen und sie machen sich schon von Weitem mit lautem Meckern bemerkbar – Vorfreude pur. «Sobald sie hören, dass ich komme, rufen sie. Burenziegen sind sehr auf den Menschen fixiert, holen sich Streicheleinheiten und stehen gerne im Mittelpunkt», erzählt Mäder. Burenziegen sind im Gegensatz zu anderen Rassen auch sehr standorttreu. «Natürlich zäune ich sie jeweils ein, schon wegen der Gefahren, die ihnen von Hunden, Luchsen oder Wölfen drohen», sagt der Bauer. Aber wegen der Geissen selber wäre es nicht nötig. Zwar heisst es, dass man sich Ziegen zulegen soll, wenn man mit den Nachbarn Streit sucht. Doch Burenziegen ziehen offenbar nicht marodierend durch die Gärten des Dorfes. «Auch wenn sie vielleicht mal kurz in den nahen Wald gehen, kommen sie immer wieder zurück. Sie würden nie länger wegbleiben.» 

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Es gibt nur eine Bedingung für Standorttreue: «Der Stall, die Umgebung und die Behandlung muss ihnen passen, sonst reissen sie aus», hat Mäder schon erfahren. Er ist Präsident von Swiss Boer, der Vereinigung der heimischen Burenziegenhalter mit rund 100 Mitgliedern, welche etwa 2200 Ziegen halten. Der Verein wurde 1998 gegründet und heisst offiziell Swiss Boer. Wobei Bure oder Boer dasselbe bedeutet: Bauer.

Zuneigung wurde immer grösser
Die Bauernziegen sind weiss, haben einen braunen bis hellbraunen Kopf, dessen Zeichnung bis in den Halsbereich reichen kann. Das Tüpfelchen auf dem i ist eine Blesse im Kopf-Hals-Bereich. Ein einzelner Farbfleck am Körper mit maximal zehn Zentimeter Durchmesser wird toleriert. Burenziegen haben von Natur aus Hörner, eine sogenannte Ramsnase und auffallend hängende Ohren. Weibliche Tiere werden maximal 85 Kilo, Böcke bis 120 Kilo schwer.

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Am Anfang stand wohl eine Ziege aus der Nubischen Wüste, die in den 1930er-Jahren mit diversen Ziegenarten gekreuzt wurde. Das Resultat ist die heutige Burenziege, eine reine Fleischrasse. Ausser im südlichen Afrika ist sie weltweit von den USA bis nach Süddeutschland verbreitet. Von dort wurden um 1990 erste Tiere in die Schweiz importiert.

Mäder kam vor zehn Jahren zu seiner ersten Burenziege. Aber eins ist keins und so wurde die Herde – und ganz offensichtlich auch die Zuneigung zu den anhänglichen Tieren – kontinuierlich grösser. Aber Mäder ist Bauer und hält die Tiere bei aller Zuneigung nicht nur wegen ihrer Schönheit und Anhänglichkeit. «Es gibt Halter, die ihre Gitzi bereits im Alter von wenigen Monaten schlachten. Das brächte ich nicht übers Herz, meine Tiere kommen erst mit etwa 14 bis 16 Monaten zum Metzger», sagt er. Dann sei auch Fleisch am Knochen.

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Beliebte Trockenwürste
Seine Tiere lässt er vor allem zu Trockenwürsten und Landjäger verarbeiten. Die laufen so gut, dass er eigentlich immer zu wenig Fleisch hat. Wie kommt das? Ist doch die Beliebtheit von Ziegenfleisch in der Schweiz sehr überschaubar und das (Vor-)Urteil, Ziegenfleisch «böckele», nach wie vor gross: Der Pro-Kopf-Verzehr beträgt in der Deutschschweiz gerade einmal 70 Gramm. Zum Vergleich: Den ersten Rang auf der Beliebtheitsskala belegte 2017 das Schweinefleisch (22,2 Kilo pro Kopf), gefolgt vom Geflügel (11,8 Kilo) und vom Rindfleisch (11,0 Kilo).

Warum also gehen die Burenfleisch-Produkte Mäders weg wie frische Weggli? Das Fleisch von Burenziegen riecht definitiv nicht nach Ziege. Nicht einmal im Stall ist der sonst übliche Ziegengeruch wahrnehmbar, auch wenn dort mit Tristan ein währschafter Bock herüberschaut. Und dann erzählt Mäder etwas Seltsames: «Burenböcke riechen zwar auch, aber nur vor und nach dem Vollmond. Und auch dann nicht stark.»

Auch Geburten gehen in der Regel problemlos. Nach viereinhalb Monaten Trächtigkeit werfen Ziegen in der Regel zwei, manchmal auch drei oder gar vier Junge. «Ganz selten kommt es vor, dass eine Geiss ihre Jungen nicht annimmt. Das endet meistens tragisch», sagt Mäder. Eine fremde Mutter nehme die Zicklein auch nicht an und deshalb hätten sie schon ein paar Mal versucht, die Kleinen in der Küche mit dem Schoppen aufzuziehen. «Das funktioniert leider nicht. Wahrscheinlich fehlt einfach die Mutternähe.»

Wenn der Sommer kommt, geht ein Teil von Mäders Ziegenherde auf die Alp. Ein gros­ser Teil aber bleibt daheim. Wobei, das stimmt nicht ganz: «Ich habe immer häufiger Anfragen von Bauern und Gemeinden. Die wollen ihre Wiesen und Waldränder vor dem Verbuschen retten.» Da kommen Mäders Tiere gerade recht. Sie fressen fürs Leben gerne Stauden und Busch-Schösslinge. 

Der Abschied von den schönen Tieren fällt nicht leicht und im Hinterkopf taucht eine Frage auf: Sollte man den Schreibtisch gegen einen Ziegenstall eintauschen, den Computer gegen eine Mistgabel? Bauer Mäder, der auch mit Ziegen handelt, lacht und warnt: «Ein Geschäft macht man mit Ziegen nicht. Es ist ein intensives, aber dankbares und erfüllendes Hobby – wenn man die Tiere gernhat.»