Es ist Mittwoch, der erste Tag der Swiss Expo, und freier Eintritt für alle. Die Besucher schlendern durch die beiden Hallen, lassen sich über die verschiedenen Schweizer Milchkuhrassen informieren und fachsimpeln über Melk- und andere Maschinen oder über das Angebot an Bürsten, Nahrungs- und Futtermitteln. Unter das landwirtschaftliche Stammpublikum – gut erkennbar, weil es meist solide Schuhe, Fleecejacke und Käppi trägt – mischen sich immer wieder Nichtbauern, vor allem Familien mit Kindern.

Die zieht es in die improvisierten Stallungen im hinteren Teil der Haupthalle, wo gleich beim Eingang drei ganz kleine Kälber der Rasse «Normande» für Entzücken bei den jüngsten Zweibeinern sorgen. Die rund 400 Züchter aus ganz Europa, Nordamerika und Asien haben sich mit ihren über 1000 Rindern längst eingerichtet. Es herrscht eine Stimmung wie an einem Festival. Aus manch einem Ghettoblaster wummern die Bässe. Überall stehen Klapptische und -stühle sowie Kühlboxen. Mit geübten Handgriffen werden grosse Brot- und Käselaibe mit kleinen Messern zerteilt. Bauern und Züchter besuchen sich gegenseitig, viele haben sich seit der letzten Swiss Expo nicht mehr gesehen und bringen sich auf den neuesten Stand.

Die Atmosphäre ist eine Mischung aus geschäftigem Treiben und Ruhe vor dem Sturm. Nicht aus der Ruhe zu bringen scheint dies die Kühe und Rinder. Die meisten glotzen die Besucher etwa gleich neugierig an, wie sie angestarrt werden, derweil an ihnen herumhantiert wird. Ein Züchter aus dem Berner Oberland ist gerade dabei, den Euter seines Swiss Fleckvieh zu rasieren und einzucremen, «damit die Beaderung richtig gut zur Geltung kommt». Er erklärt, dass die Richter vor allem  auf die Euter schauen – nicht herabhängend, sondern fest und prall sollen sie sein.

Vorhang auf für den Nachwuchs
In das Styling wird viel Zeit investiert. Ob Besitzer oder eigens angestellte Kuhfitter, wie Kuhfriseure heissen: Sie rücken den Tieren mit diversen Rasierern, Cremen und Sprays sowie einem Föhn zu Leib, um die Schokoladenseite einer jeden Milchkuh hervorzuheben. Kurz geschoren und glänzend soll das Fell sein. Ist die Rückenlinie ungleichmässig, korrigiere er dies, indem er die Rückenhaare gerade schneide, erklärte ein junger Mann, der gerade an der Topline, dem oberen Rückenfell, eines Red-Holstein-Kalbs arbeitet. Clipping nenne man dies, sagt er und schert zuerst die Haare, um sie anschliessend zu einem Haarkamm hochzuföhnen. Das Ziel sei, die Kuh länger, höher und harmonischer wirken zu lassen. Zuletzt bürstet er den Schwanz, damit er voluminöser ist.

Kaum ist das siebenmonatige Kalb herausgeputzt und frisiert, nimmt es ein zwölfjähriges Mädchen am Halfter. Gemeinsam laufen sie durch die Halle nach draussen zum anderen Gebäude, wo bereits weitere Kinder und Jugendliche mit ihren Kühen auf ihre Auftritte warten. An diesem Nachmittag heisst es im Ring «Vorhang auf für den Nachwuchs.» Die Organisation «Swiss Jungzüchter» hat zum zweiten Mal zum «Showmanship» genannten, internationalen Vorführwettbewerb gerufen – und 45 Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 19 Jahren aus mehreren Ländern sind gekommen.

Um einen fairen Wettkampf zu ermöglichen, sind die Teilnehmenden in verschiedene Altersklassen unterteilt. Je älter sie werden, umso mehr fordert Richter Patrick Rüttimann von ihnen. Denn bei «Showmanships» wird nicht nur bewertet, wie gut die Vorführerinnen und Vorführer ihre Rinder und deren Vorzüge präsentieren, sondern auch, wie sie Gesten und Befehle des Richters umsetzen.

Den Anfang machen die Neun- bis Zehnjährigen. Tapfer schreitet Charline Rey, die jüngste und kleinste ihrer Gruppe, voran, hoch konzentriert ihr Jersey-Kalb führend. Kind für Kind, Kalb für Kalb betreten der Reihe nach den Ring, bis der Richter den Befehl «Stop» gibt und vor dem einen oder anderen Paar stehen bleibt. Dabei kontrolliere er die Beinstellung, erklärt Rüttimann: «Sie müssen zur Richterseite hin offen stehen.» Das Vorderbein auf seiner Seite müsse weiter vorne platziert sein, das Hinterbein weiter hinten. Wenn der Richter auf die andere Seite geht, muss das Kind dafür sorgen, dass sein Rind die Position der Beine wechselt.

Bei den meisten klappt dies sehr gut, nur ein Tier bockt heftig und dreht Pirouetten, der Bub kann sein Kalb kaum beruhigen und ist sichtlich verzweifelt. Rüttimann redet ihm gut zu. Weiter geht es: Die Kinder müssen ihre Rinder seinen Anweisungen gemäss in einer Reihe Seite an Seite positionieren, wobei die Beine schön in einem Quadrat zu stehen haben. Sanft mit ihren Füssen auf die Vorderhufe tippend, sorgen die Vorführenden dafür, dass ihre Tiere ideal stehen.

Üben, üben, üben
Dann heisst es «abtreten» und nach einer Schlussrunde ist der Wettbewerb zu Ende. Die Vorführung erinnert an Dressurreiten. In Anlehnung daran könnte man sie «Dressurgehen mit Kuh» nennen. Tatsächlich geht es auch dabei darum, das Richtige zu tun, die richtige Haltung einzunehmen und dabei auch gut auszusehen.

Die kleine Charline hat ihre Sache ausgezeichnet gemacht, sie wird Zweite. Noch besser war Jann Bürkli aus Muri AG: «Er war sehr aufmerksam und hat die Beine, vor allem die Hinterbeine, hervorragend platziert», zeigt sich Rüttimann beeindruckt ob der Leistung des Zehnjährigen mit seinem Jersey-Kalb. Auch über die Erstplatzierten der nächsten Kategorien ist der Richter voll des Lobes. Zu einer weiteren Siegerin sagt er, sie habe fast alle Techniken gezeigt und diese gut präsentiert. Andere Gewinner haben den Kopf besser präsentiert und wirklich sehr gut trainiert oder schlicht das «beste Paket mit einer beeindruckenden Eleganz» geliefert. Nach sechs Kategorien ist das Junior-Championat beendet und Rüttimann kürt den Sieger der Sieger. Es ist der 16-jährige Thibaud Saucy aus Develier JU. Die Deutsche Tabea Cramer wird Zweite, der Aargauer Bürkli Dritter. Ihre Auftritte sind die harmonischsten an diesem Tag. «Ich mag es, wenn die Vorführer natürlich sind und sie mit dem Rind eine Einheit bilden», erklärt Rüttimann.

Nicht gut sei, wenn die Nase zu hoch sei, dann sehe das Tier nämlich nicht, wohin es laufe. Diese und andere Fehler erklärt der Richter den Verlierern im kurzen Gespräch. Oder er muntert sie auf und sagt, dass es das nächste Mal besser gehe. Dass ein Tier bockt, kann passieren. Deshalb tröstet Rüttimann auch immer wieder die weiter hinten Platzierten mit den Worten, «das Tier war heute nervöser und schwerer zu führen als andere». Doch wenn das Rind dem Kind nicht gehorche, sei dies ein Zeichen, dass nicht genug trainiert wurde. Denn die einzige Losung heisse: üben, üben, üben.