Von der Grösse her könnte es eine Dreifachturnhalle sein. Aber in dieser ganz neuen Halle in Montmollin im Neuenburger Jura riecht es nicht nach säuerlichem Menschenschweiss, nur ein leichter Geruch vom Mist der Munis liegt in der Luft. Kein Gerenne, kein Lärm, alles ganz ruhig – was ganz im Sinne des Besitzers ist: Stéphane Jeanneret, 37 Jahre alt, Landwirt. «Es ist still hier drin», sagt er, «das ist ein Zeichen, dass es den Tieren gut geht.» Nicht zuletzt kommt die ruhige Stimmung auch dem Geschäft zugute. Je weniger sich ein Muni bewegt, desto rascher nimmt er an Gewicht zu, und das zahlt sich im Mastbetrieb aus.

Darauf hat Jeanneret denn auch beim Planen der Stallabteile geachtet. Jedes ist in drei Bereiche aufgeteilt: einer zum Fressen mit Gummimatten auf dem Boden, einer mit Stroheinstreu zum Liegen und ein Aussenbereich mit Betonboden. Niedrige Mäuerchen und Stufen trennen diese Flächen voneinander ab, denn es soll kein wildes Hin und Her geben, die Munis sollen ungestört fressen und sich zurückziehen können. 

Mehr Platz pro Tier als vorgeschrieben
Jeanneret geht durch den Mittelgang, schiebt mit dem Gummistiefel das Maisfutter etwas näher zum Fressgitter, lässt den Blick über die Tiere schweifen: «Die meisten schlafen, das ist bestens so.» Zehn Abteile auf der linken Seite, zehn auf der rechten Seite, jedes mit Platz für 30 Munis – das gibt 600 Tiere. Hinzu kommen die 120 noch ganz kleinen, die er in seinem alten Hof im Dorf Montmollin hält. Das sind insgesamt 720 Tiere, der grösste Mastbetrieb der Schweiz.

«Es ist die Grösse, für die ich mit meinem Land die Kapazität habe», sagt Stéphane Jeanneret. Bereits zuvor war sein Betrieb gross gewesen, 350 Tiere waren es. Doch seine Berechnungen ergaben, dass er mit hundert Hektaren Mais mehr als doppelt so viele füttern könnte. «Ich werde sehen, ob es aufgeht», sagt er. Denn der Stall ist ganz neu und erst seit Mitte Monat voll besetzt.

Die weltgrössten Megafarmen

1. Mudanjiang City Farm, China (in Bau), Milchkühe, 100' 000 Tiere

 

2. Alexandria Station, Australien
Rinderzucht, 55'000 Tiere

3. Wave Hill, Australien Rinderzucht, 50' 000 Tiere

4. Almarai, Saudi Arabien
Milchkühe, 46'000 Tiere

5. Modern Dairy, China
Milchkühe, 40'000 Tiere

Der grösste Betrieb der USA ist eine Milchfarm namens Fair Oaks mit 32'000 Tieren. In Deutschland finden sich auf dem Ferdinandshof, einem Mastbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern, 18'000 Tiere, was derzeit noch Europarekord ist. In Spanien ist aber ein Milchbetrieb in Bau, der 23'500 Tiere fassen soll.

Zwei mächtige Silos stehen bereits neben dem Maschinenpark, ein drittes wird dazukommen. An Platz mangelt es nicht hier im Neuenburger Jura. Jeanneret ist denn auch grosszügig damit umgegangen, hat den Tieren mehr Platz einberaumt, als es vom Gesetz her gefordert wäre, wie er sagt.

Und doch stiess er in den vergangenen fünf Jahren, vom Beginn der Planung bis zum Einzug der letzten Tiere, auf harten Widerstand aus der Bevölkerung, besonders aus dem Nachbardorf Coffrane NE. «Dadurch habe ich zwei Jahre verloren», sagt er. 60 Einsprachen, eine Petition mit 13'500 Unterschriften, eine Demonstration, einmal wurde die Baustelle sogar versprayt.

Rémy Wenger – ein ehemaliger Einwohner von Coffrane, der sich in den Protesten engagiert hat – distanziert sich deutlich vom Vandalismus. Doch für ihn ist klar: «Diese Form von Fleischproduktion ist nicht gut.» Jeanneret betreibe Viehhaltung in industriellen Dimensionen. Es gehe nur darum, das Fleisch möglichst rasch zu produzieren. «Die Fleischproduktion wird betrachtet, als wäre es eine Autofabrik», sagt er.

Einig sind sich die Kritiker und der Landwirt nur in einem Punkt: Der Kontakt des Menschen zu den Tieren ist wichtig. Zwar sind bei einem Betrieb dieser Grösse Maschinen unentbehrlich, der Mist wird im Aussenbereich sowie auf den Gummimatten im Fressbereich automatisch von einem Schieber weggeräumt. «Automatisieren macht die Arbeit angenehmer», sagt Jeanneret, «aber man darf nicht zu weit gehen. Sonst sieht man nicht, wenn ein Tier krank ist.» Das Stroh im Liegebereich verteilen Jeanneret und zwei seiner Angestellten deshalb jeden Morgen von Hand. Das sind ungefähr 40 Minuten direkt bei den Munis. Insgesamt rechnet er für die täglichen Arbeiten im Stall ungefähr zwei Stunden zu dritt.

Der Blick auf die Munis hilft ihm auch zu erkennen, wann einer schlachtreif ist. Über eine halbe Tonne wiegt ein Stier beim Gang in den Schlachthof, rund 400 Kilogramm hat das Tier in gut einem Jahr bei Jeanneret zugelegt. «Wenn er das Gewicht erreicht hat, möchte ich ihn innert einer Woche verkaufen», sagt der Landwirt. Jeder Tag länger im Stall kostet unnötig – und das Ziel ist unmissverständlich, mit möglichst geringen Kosten möglichst viel Ertrag zu erzielen.

Betriebe werden immer grösser
So günstig wie die ausländische Konkurrenz wird aber auch Stéphane Jeanneret nicht produzieren können. Im internationalen Vergleich (siehe Box) ist sein Betrieb auch gar nicht so gross. In den USA würde er nicht zu den Megafarmen zählen, die Schwelle liegt da bei 1000 Stück Mastvieh. Für Betriebe mit derartigen Ausmassen fehlt in der Schweiz schlicht der Platz – zu dicht besiedelt das Land, zu stark zerstückelt die Landschaft. Gemäss dem Bundesamt für Statistik gibt es in der gesamten Schweiz gerade mal sechs Betriebe mit über 500 Stück Rindvieh und 18 mit zwischen 400 und 500 Stück. Diese Tiere dürften sich in fast all diesen Betrieben auf mehrere Standorte aufteilen. 

Doch die Tendenz ist auch in der Schweiz deutlich: Die rund 1,5 Millionen Stück Rindvieh verteilen sich auf immer weniger und immer grössere Betriebe. Obwohl der Durchschnitt mit 35 Tieren pro Halter noch tief ist, will die im Juni lancierte Massentierhaltungsinitiative nun sogar eine maximale Gruppengrösse gesetzlich festlegen. 

«Massentierhaltung bezeichnet die industrielle Tierhaltung zur möglichst effizienten Gewinnung tierischer Erzeugnisse, bei der das Tierwohl systematisch verletzt wird», heisst es im Initiativtext. Doch bedeuten gros­se Gruppen im Stall wirklich, dass die Tiere leiden? So klar ist das nicht. Eine Studie aus Holland, die am 1. September im Fachmagazin «Preventive Veterinary Medecine» veröffentlicht wurde, fand keinen klaren Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit von Mastkälbern und der Herdengrösse. Und auch eine im Frühjahr im «Journal of Dairy Science» publizierte Studie zu Milchkühen in deutschen Freilaufställen kommt zum Schluss, dass die Herdengrösse kein plausibler Faktor für das Tierwohl ist.