Die rasante Ausbreitung der Grünerle in den Alpen ist der Akademien der Wissenschaften Schweiz ein Dorn im Auge, denn die Büsche schaden Umwelt, Klima und Wirtschaft. Schafe könnten die Ausbreitung aufhalten, doch nicht die verbreiteten weissen Alpenschafe, sondern Engadiner Schafe.

Letztere fressen Grünerlen und Gras, wie Tobias Bühlmann, Doktorand an der Universität Basel der Nachrichtenagentur sda sagte. Dabei sind die Engadiner Schafe besonders gründlich: Sie fressen Laub und Rinde der Büsche; diese sterben ab. Das habe ein zweijähriger Versuch auf einer Alpweide gezeigt.«Danach waren die eingewachsenen Flächen wieder frei», sagte Bühlmann.

Mehr Zeit gebraucht hätten die Schafe, um die ganz überwucherten Flächen von Grünerlen zu befreien. Auch Ziegen machen Grünerlen den Garaus, wie einem Faktenblatt der Akademie zu entnehmen ist. Der Mensch ist mit seinen Methoden dagegen weniger erfolgreich, denn abgeholzte Grünerlen schlagen wieder aus. Und die weissen Alpenschafe lassen die Grünerlen links liegen.

«Die weissen Alpenschafe haben mehr Gewicht und damit mehr Fleisch, deshalb bevorzugen die Bauern sie. Die Engadiner Schafe sind aber robuster», sagte Bühlmann. In den zwei Sommern auf der Alp sei keines der 26 am Versuch beteiligten Engadiner Schafe zu Schaden gekommen.

Gieriges Gewächs
Schaden richtet die einheimische Grünerle an. Sie ist gemessen an menschlichen Massstäben eine gierige Pflanze. Wo sie in grossen Beständen vorkommt, lässt sie nur noch wenige andere Pflanzen und damit auch Tiere leben. Die Biodiversität nehme um rund die Hälfte ab, schreibt die Akademie.

Die Grünerle verbraucht zudem mehr Wasser als andere Pflanzen. Im vergangenen Jahr zeigte ein vom Nationalfonds unterstütztes Forschungsprojekt auf, dass die Grünerle mitverantwortlich dafür sein dürfte, dass die Flüsse im Sommer weniger Wasser führen. Damit entgehen auch der Stromwirtschaft grosse Erträge.

Die Büsche geben dem Boden und Wasser aber etwas zurück: viel Nitrat. Denn die Grünerle bildet mit stickstoffbindenden Bakterien eine Symbiose. Als «Stickstoffpumpe» überdüngt und versauert der Busch den Boden und belastet das Wasser mit Nitraten.

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Die Früchte der Grünerle. Bild: Simon A. Eugster/wikimedia.org/CC-BY-SA

Klimakiller
Überdies gibt die Grünerle überschüssigen Stickstoff als Lachgas in die Luft ab. Erste Messungen zeigten 35-mal höhere Emissionsraten in Grünerlenbeständen als in Wiesen, heisst es im Faktenblatt. Lachgas sei als Treibhausgas 300 Mal stärker als CO2.

«Die jährlichen Emissionen einer Hektare Grünerlengebüsch sind für das Klima etwa gleich schädlich wie der CO2-Ausstoss von 15'000 gefahrenen Autokilometern.»

Aggressiver Eindringling
Die Grünerle behauptet sich im gesamten Alpenbogen sehr erfolgreich. Ursprünglich vor allem in Lawinenzügen und Bachrunsen (durch Wasser verursachte Erosionsgräben) zu finden, hat sich die Grünerle in den vergangenen Jahren fast explosionsartig ausgebreitet. Ihr bevorzugtes Revier: aufgegebene Alpweiden.

In der Schweiz seien etwa 50'000 Hektaren Land mit Grünerlen überwachsen, sagte Bühlmann. An der Alpennordflanke betrage ihr Anteil am Gebüschwald 85,3 Prozent. Besonders betroffen seien das Urnerland, das Wallis und Graubünden.

Massnahmen des Bundes reichen kaum
Dass aufgegebene Alpweiden ein Problem sind, hat auch der Bund erkannt. Er ermuntert die Bauern deshalb in seiner Agrarpolitik 2014-17, weiter an der Alpwirtschaft festzuhalten: Sömmerungs- und Hangbeiträge wurden erhöht.

Doch das reicht nicht, wie ein Bericht der Eidg. Forschungsanstalt Agroscope vom vergangenen Jahr zeigt. Demnach geht die bewirtschaftete Nutzfläche in den Bergen mit der neuen Agrarpolitik gegenüber der AP 2011 sogar noch deutlicher zurück – besonders in der Alpwirtschaft.

Der Viehbesatz auf Sömmerungsweiden sinkt demnach bis 2017 um 10,6 Prozent. Die im Solde des Bundes stehenden Forscher kamen zum Schluss: «Unterhalb der Waldgrenze wachsen die brachfallenden Flächen ein, was mit Blick auf das Ziel der Erhaltung der natürlichen Produktionsgrundlagen und der Pflege der Kulturlandschaft kritisch zu beurteilen ist.»