Für Ueli Niederhauser, genannt Gänse-Ueli, aus dem bernischen Mittelhäusern, Martin und Monika Zehnder aus Zimmerwald und Ilias Eker von der Bettwaren-Manufaktur in Rickenbach bei Wil ist die Weiterverarbeitung von Gänsedaunen ein Herzensprojekt.

«Es kann doch nicht sein, dass die Federn und Daunen der Weidegänse einfach so entsorgt werden und die Geflügelhalter dafür noch bezahlen müssen», sind sie sich einig. Stattdessen wollen sie aus den anfallenden Daunen ein hochwertiges Produkt schaffen, das in den Schweizer Schlafzimmern für Wärme sorgen soll.

«Noch ist der Rohstoff aber bei weitem nicht in genügendem Ausmass vorhanden», sagt Heinz Utiger von der Firma Kyburz Bettwaren in Bern. Daunen und Federn aus Schweizer Gänsen würden den Bedarf der Schweizer Bettwarenbranche nur zu zwei Prozent decken. Zudem sei heute auch immer der Preis massgebend.

Schlafen unter Daunen
Rund 80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer schlafen unter einer Daunendecke. Dafür gibt es gute Gründe. Kein anderes Füllmaterial ist dermassen flauschig, isolationsfähig, atmungsaktiv und nimmt die Feuchtigkeit so gut auf wie Daunen. Zudem sind speziell grosse, hochwertige Daunen sehr leicht.

Doch woher stammen die Daunen in unseren Bettwaren überhaupt? Ein Thema, das die Konsumenten immer wieder bewegt. Früher wurden die Gänse lebendig gerupft. In der EU ist das inzwischen gesetzlich verboten. Hingegen sprechen Tierschutzverbände von einem Schlupfloch, indem es Betrieben erlaubt ist, die Tiere während der Mauser abzubürsten.

Weil kaum alle Tiere zur gleichen Zeit in der Mauser sind, sollen die Halter von sehr grossen Betrieben die Tiere alle zur gleichen Zeit abbürsten, was für die Tiere eine schmerzhafte Prozedur bedeutet und dem Lebendrupf gleichkommt. Osteuropäische Länder werden daher häufig genannt, von China vermutet man noch schlechtere Bedingungen in Sachen Tierschutz. Zudem werden Gänse oft zwangsgemästet, um ihre Stopfleber als «Foie gras» teuer zu verkaufen.

Wer produziert Gänsedaunen?
Der weltweit grösste Produzent von Gänsedaunen ist China, gefolgt von Ungarn, der Ukraine und Polen, heisst es beim Verband Schweizer Bettwarenproduzenten VSB weiter. Das Gütesiegel des VSB verlangt, dass nur Federn und Daunen von toten Tieren verwendet werden, diese mit biologisch abbaubaren Waschmittel gewaschen und bei 100 Grad Celsius keimfrei getrocknet werden. Zudem gibt es zahlreiche EU-Normen, die eingehalten werden müssen.

Sammelt die Federn bei Schlachthäusern ein Gänse-Ueli ist in Sachen Weidegans ein Pionier. Er war Gründungsmitglied beim schweizerischen Verein Weidegans.ch und ist Mitglied der Schweizer-Gänse GmbH. Heute leben zwischen 450 bis 500 Weidegänse bei ihm auf dem Hof, die er im Spätherbst zwischen dreieinhalb bis sieben Kilogramm ab Hof und an die Gourmetgastronomie sowie über die Gänse GmbH an einen Grossverteiler verkauft.

Im ersten Jahr hat auch er die Federn seiner Tiere entsorgt, dann aber kam dem Tüftler die Idee, diese zu trocknen. Er suchte einen Bettwarenhersteller, der ihm die trockenen Federn wäscht, reinigt und kalibriert. Daraus hat sich ein Geschäftsmodell entwickelt, das nachhaltig ist, und garantiert keinen Lebendrupf aufweist.

So fährt Ueli Niederhauser nun jeweils im Spätherbst zu den Schlachthäusern und führt Federn und Daunen von zirka 3000 Gänsen aus der ganzen Schweiz zu sich auf den Hof. Dort trocknet er die Federn, die Firma Billerbeck Bettwaren in Fischbach-Göslikon verarbeitet sie weiter und schliesslich kommen sie ins Lager der Bettwarenfabrik Kyburz in Bern, wo Duvets und Kissen auf individuellen Wunsch der Kunden hergestellt werden. Ein Teil der Daunen und Federn bleibt bei der Schweizer-Gänse GmbH.

Der Absatz harzt noch
Auf dem Hof von Martin und Monika Zehnder aus Zimmerwald leben ebenfalls Weidegänse und auch sie gehören zur Schweizer-Gänse GmbH. Monika Zehnder ist zuständig für die Vermarktung der Bettwaren, welches mit dem Label «Federleicht» gekennzeichnet sind und die Nachverfolgbarkeit der Gänsedaunen gewährleistet. Der Verkauf erfolgt vorwiegend online. Ein Ganzjahresduvet mit 740 Gramm Daunen kostet knapp 1250 Franken. «Wir verkaufen zwischen 15 und 20 Duvets pro Jahr, das ist zu wenig», sagt sie. Deshalb sei es im Moment so, dass ein relativ grosser Bestand an Gänsedaunen bei der Bettwarenfabrik Kyburz lagert.

Weidegänse in der Schweiz
Wie viele Weidegänse derzeit in der Schweiz gehalten werden, kann sowohl vom Bundesamt für Statistik wie auch vom Aviforum nicht klar eruiert werden. Der Verein Weidengans.ch geht von ungefähr 5000 Weidegänsen aus. Ob bei dieser Zahl die 2000 Rheintaler-Ribelgänse mitgezählt sind, ist ungewiss. Der Import von frischen Gänsen aus dem Ausland hat sich von 2012 von 22,5 Tonnen bis ins Jahr 2018 mit 11,6 Tonnen fast halbiert. Hingegen sind die gefrorenen Gänse nur leicht zurückgegangen. Im Jahr 2012 wurden 18,6 Tonnen importiert, im Jahr 2018 waren es immer noch 15,6 Tonnen. Der Inlandanteil wird vom Aviforum auf ungefähr 60 Prozent beziffert.

Für Ilias Eker, Gründer und Geschäftsführer der Eker-Daunenmanufaktur in Rickenbach, sind Daunen von Schweizer Weidegänsen von aussergewöhnlich hoher Qualität. Die gemessene Bauschkraft der grossflockigen Daunen erreiche Spitzenwerte im weltweiten Vergleich. Ähnlich hochwertig seien nur noch Eiderdaunen aus Island. Deshalb suchte und fand er fast eher zufällig seine Geschäftspartner im nahen St.Galler-Rheintal. Im Auftrag von Robin Geisser, Geflügel Gourmet AG, Mörschwil ziehen drei Landwirte, unter ihnen Peter Eugster aus Lüchingen, auf eigens dafür angepflanzten Ribelmaisfeldern ungefähr 2000 Gänse gross.

Von Robin Geisser werden die Gänse als Ribelmaisgänse vermarktet. Wie Peter Eugster vom Gehrenhof ausführt, enthält mehr als die Hälfte des Futters Ribelmais. Die Tiere tummeln sich später im Maisfeld und fressen die Kolben direkt ab den Pflanzen.

Weidegänse wecken Emotionen
Ungefähr 100 Duvets pro Jahr Ilias Eker und seine Geschäftspartner wurden sich einig und starteten eine grosse Werbeaktion für Schweizerdaunen. «Konsumentinnen und Konsumenten wollen Geschichten über die Produkte die sie kaufen», sagt der Geschäftsmann. «Und wenn wir die stolzen, schneeweissen Weidegänse auf ihrem Weideland zeigen können, weckt dies Emotionen.» Er zeige die Gänse, wie sie leben, wie sie fressen und sich auf den Feldern wohlfühlen und damit kann ich den Menschen zeigen, woher das Produkt, das sie später in ihrem Bett warm hält, stammt.

Zur Reinigung und Kalibrierung will sich der Geschäftsmann nicht äussern und verweist auf das Geschäftsgeheimnis. Er versichert aber, dass die Ware in der Schweiz verarbeitet wird. 

Bei den Vorbereitungen des Schweizerdaunenprojekts hat Ilias Eker mit den Pionieren im Bernbiet Kontakt aufgenommen und auch erfahren, dass im Moment zuviel Daunen am Lager ist und dass der Verkauf stottert. Er hat der GmbH und deren Verantwortlichen anerboten, die Daunen abzunehmen. Im Moment sei aber noch nichts spruchreif, sagen sowohl die Berner wie auch Eker. Ein Problem könnte sein, dass die GmbH ihr Label «Federleicht» nicht abgeben möchte. Zudem habe man den eigenen Verarbeitungsweg organisiert und deshalb brauche man noch Zeit, um zu entscheiden, ob man die Verhandlungen aufnehmen wolle, hört man von der Bernerseite.

Bundesamt verlangt Bio für Nicht-Bio
Auch bei Robin Geisser ist noch nicht gewiss, ob er im kommenden Jahr die Ribelmaisgänse überhaupt noch produzieren lässt. Er steht im Moment im Clinch mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. Das Amt fordert eine Gänsehaltung, die sich am Bio-Standard orientiert – auch von Nicht-Biobauern.

Da es sich bei Gänsen um begehrte Edelstücke für die Gastronomie handle, müsse die Haltung auch einen höheren Standard haben wurde ihm vom BLV geschrieben. Die Anforderungen an die Haltung dürfen nicht mit dem Standard in der EU verglichen werden. Der Vergleich müsse eher mit Bio Suisse oder KAG-Freiland gemacht werden.

Im Streit zwischen Geisser und dem BLV geht es um die Frage, wie oft, wo und wann die Gänse baden dürfen. Geissers Gänse baden zweimal pro Tag: am Morgen und am Abend, im Stall. Der Bund verlangt hingegen, dass Gänse auch draussen auf der Weide schwimmen können und das auch im Winter und zwar in grösseren Becken oder in Teichen. Geisser ärgert sich, dass sich der Bund bei den Richtlinien an der Hobbyhaltung orientiert. Dies sei für grössere Herden wegen der Flächenvorgabe schlicht nicht umsetzbar, erklärt Robin Geisser.

Keine Ribelmaisgänse, keine Daunen 
Bei seinen drei Bauernbetrieben habe man extra die Tränken für die Gänse so montiert, dass sich die Gänse jederzeit den Kopf duschen können, weil das wichtig und richtig sei, sagt er. Aber grosse Wasserflächen können nicht realisiert werden. Geisser hofft auf eine Einigung, zeigt sich aber nicht kompromissbereit. «Wenn das BLV will, dass Schweizer Produzenten wieder mehr Gänse aus dem EU-Raum kaufen sollen, die im Normalfall weder Wasser zum Schwimmen, noch Weide oder Auslauf zur Verfügung haben, ja dann ist das halt so.»

In dem Fall würde er im kommenden Frühjahr keine Gänse mehr auf die Felder im Rheintal bringen und so würde natürlich auch die Daunen von den Ribelmaisgänsen auf der Strecke bleiben. Eker müsste seine Idee vom Duvet mit Schweizerdaunen beenden, bevor es richtig durchstarten konnte. Die kleineren Gänseproduzenten können dem Streit getrost zuschauen, sie betrifft es nicht. Bei ihnen auf den Höfen haben die Weidegänse die erforderlichen Wasserstellen, doch sie können bei weitem nur einem kleinen Teil der wachsenden Nachfrage nach Schweizer Weidegänsen nachkommen, geschweige denn, der möglicherweise wachsenden Nachfrage nach Bettwäsche aus Daunen von Schweizergänsen.