Noch im November 2018 erhielt ein Landwirt für einen Liter konventionelle Milch 60 Rappen während der Bio-Landwirt seine Milch für 84 Rappen abgeben konnte. Die Differenz betrug 24 Rappen. Von solchen Milchpreisen können konventionelle Produzenten nur träumen. In den letzten Monaten entschieden sich viele von ihnen, auf Bio umzustellen.

Bei der Konsummilch nimmt der Anteil von Biomilch gegenüber der konventionellen seit 2011 zu. Die gleiche Tendenz ist beim Käse, beim Joghurt und bei der Butter zu beobachten. Einzig beim Konsumrahm zeigt der Bio-Anteil keine klare Tendenz. Das heisst doch, dass mehr Biomilch gebraucht wird? «Eigentlich schon», meint Eldrid Funck, Produktmanagerin Milch bei Bio Suisse. «Aber 2018 haben sich so viele Milchproduzenten zur Umstellung auf Bio angemeldet, dass wir für 2020 eine Überproduktion erwarten.» Konkret schätzt Bio Suisse eine Mengensteigerung von je 7 Prozent für 2019 und 2020. Ein Überangebot steht also einer gering wachsenden Nachfrage gegenüber. Ein Preiszerfall kann nur verhindert werden, wenn die Verwertung der steigenden Produktion gesichert ist.      

Gemäss Cemil Klein, Leiter Prozessmanagement und Nachhaltigkeit sowie Leiter des Kompetenzzentrums Suisse Biomilch bei der mooh-Genossenschaft, ist es wichtig, dass Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht bleiben. «Die Vermarktungsorganisationen müssen der Nische Biomilchmarkt Sorge tragen, damit die Preise stabil bleiben», so Klein weiter. Vermehrte Werbung, um die Anfragen zu steigern und Regelungen von Seiten der Verarbeiter sollten bestenfalls kombiniert werden.

Obligatorische Wartelisten
Bio Suisse verlangt von ihren Mitgliedern eine Pflichtmitgliedschaft in einer der sechs anerkannten Produzentenorganisationen. Dazu gehören Suisse Biomilch, der Verein Bio-Lieferanten Emmi-Biedermann, die Berner Biomilch Gesellschaft, PMO Züger/Forster, Progana und die IG Bio ZMP. Diese Pflichtmitgliedschaft soll zu mehr Transparenz bei den Milchmengen führen und genauere Prognosen erlauben. Beispielswiese können die Bio-Milchorganisationen ihre Lieferanten auf Wartelisten setzen, wann immer sie zu viel Milch haben.    

Diese Warteliste gibt es schon lange, wie Bio Suisse berichtet. Bis jetzt war sie allerdings ein Instrument, das freiwillig von den Milchorganisationen eingesetzt werden konnte. Bei zu hohen Milchmengen konnten die sechs Produzentenorganisationen alleine entscheiden, ob sie eine Warteliste einführen wollten. 2013 wurde die Warteliste jedoch erstmals und bisher das einzige Mal von Bio Suisse verordnet. Und nun ist es wieder so weit: Anfang 2019 fiel der Entscheid, ein Jahr später eine obligatorische Warteliste einzuführen. Wie Eldrid Funck von Bio Suisse erklärt, können vom 1. Januar 2020 bis am 31. Mai 2020 schweizweit keine neuen Biomilchproduzenten aufgenommen werden.

Das heisst konkret, dass ein Produzent, der den Vollknospe-Status per 1. Januar 2020 erreicht, seine Milch als konventionelle ÖLN-Milch abliefern muss. Diese Massnahme kann höchstens bis Ende 2020 verlängert werden.     Grundsätzlich erwartet man in den Sommermonaten stets weniger Biomilch, weil viele Kühe den Sommer auf einer konventionellen Alp verbringen. Ein Grossteil der Alpen sind nicht Bio-zertifiziert, die anfallende Milch muss als konventionelle verkauft werden. Der Biomilchpreis steigt folglich von Mai bis September an. Um die saisonalen Schwankungen etwas auszugleichen, ist die obligatorische Warteliste für neue Biomilchproduzenten ab Juni 2020 wieder aufgehoben. Trotzdem darf man sich fragen, wie denn die Situation für Biomilchproduzenten in Zukunft aussieht. Für Cemil Klein von mooh ist die eingeführte Warteliste ein klares Signal, dass die Produktion in der Nische Biomilchmarkt nicht beliebig ausgedehnt werden kann.

Von Milch- zu Mutterkühen
Für betroffene Landwirte ist die Situation so oder so unbequem. Klein ist überzeugt, dass die Produzenten ein gutes Marktverständnis für solche befristeten Massnahmen haben. Aber wenn der Landwirt auch im Hinblick auf bessere Preise seine Produktionsweise umgestellt hat, ist die Enttäuschung gross. Die Anzahl gemolkener Kühe nimmt schweizweit seit 2000 ab, nämlich um 16% bis 2017. Die Anzahl Mutterkühe hat sich in der gleichen Periode fast verdreifacht.    

Etienne Coigny, Milchproduzent aus Champtauroz VD, hatte den Vollknospenstatus bereits per Anfang 2017 erreicht. Seine 36 Kühe produzierten jährlich rund 400'000 kg Milch. Diese wollte er ab dem Jahresanfang als Biomilch bei der Käserei im nahen Combremont abliefern. Zu Beginn war das allerdings nicht möglich: er war der einzige Landwirt in der Gegend, der nach Bio-Richtlinien produzierte. Man vertröstete ihn und versprach, eine Lösung zu finden. Bis heute bezahlt die Käserei keinen Aufpreis für die Bio-Milch, weil sie zusammen mit konventioneller Milch abgeliefert wird. Für Coigny ein Grund, mit seinen Milchkühen aufzuhören. Bereits vor einem Jahr begann er, seine Kühe mit der Fleischrassen Limousin und Angus zu decken. Der Käserei liefert er nur noch rund 200'000 kg ab. Und Ende 2019 wird er dann vollständig auf Mutterkühe umgestiegen sein.