Es ist in der Tat eine bunte Truppe, die sich auf dem Homberg im Oberbaselbiet tummelt. 49 braune, schwarze, gescheckte, lang- und kurzhaarige Kühe, Ochsen und Kälber haben auf dem Lebenshof Villa Kuhnterbunt einen Platz gefunden. 

Initiantin Bea Gutzwiller begrüsst die Tiere, sie kennt all ihre Namen und Lebensgeschichten. Da ist Viola mit Felix. «Es ist ihr erstes Kalb, das sie behalten darf und das sie aufwachsen sieht», sagt sie. Und da ist Azzuen, ein sechsjähriger Ochse. Er ist sehr verschmust. Er wurde mit der Flasche aufgezogen, nachdem seine Mutter im siebten Trächtigkeitsmonat notgeschlachtet werden musste. Der Metzger reanimierte Azzuen und konnte so das Leben des ungeborenen Kälbchens retten. Als Azzuens Besitzerin 2015 ihren Betrieb altershalber aufgeben musste, bat sie um einen Platz in der Villa Kuhnterbunt. «Auf diese Weise kommen viele Kühe auf unseren Hof», sagt Gutzwiller. «Interessanterweise sind es weniger Tierschützer oder Vereine, sondern viele Landwirte, die uns anfragen.» Bauern, die eine enge Beziehung zu einer alten Kuh aufgebaut hätten und dieser einen Lebensabend in Würde gönnen möchten. 

Schnell Ort und Mitstreiter gefunden
Eine Hofauflösung gab denn auch den Startschuss für das Gnadenhof-Projekt. «Ich sah die Bilder der Tiere, die in den Schlachthof kommen sollten. Das Bild einer Jersey-Kuh, wie sie dastand, abgemagert und an einer Kette angebunden, hat sich mir besonders eingebrannt.» So beschloss Gutzwiller, Odyssee, so der Name der alten Kuh, zu kaufen – und zu retten. Sie habe sich schon immer eine Kuh gewünscht. «Auf dem kleinen Hof, auf dem ich aufwuchs, gab es zwar viele Tiere, aber Kühe hatten wir keine.» 

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="851d2623-fb3b-41ba-84b6-9e88cc8c4712" data-langcode="de"></drupal-entity>
Das Team der Villa Kuhnterbunt: Lukas und Simone Hess sowie Bea Gutzwiller mit
Hund und Büsi.
  Bild: Yvonne Vogel

Die 39-Jährige konnte Odyssee zunächst in der Ostschweiz platzieren. Ihr Wunsch war, das Tier in der Nähe halten zu können. Einerseits um es oft zu besuchen, andererseits auch um eine Beziehung zur Kuh aufzubauen. So suchte sie Hof und Mitstreiter für ihr Projekt. Im Sommer 2014 gab sie ein Inserat in der «Tierwelt» auf und war erstaunt über die vielen Antworten, die sie darauf erhielt. Mit Lukas und Simone Hess wurde sie alsbald einig. Deren Hof auf dem Homberg schien bestens geeignet, nicht zuletzt wegen der Nähe zu ihrem Wohnort Niederdorf BL. 

Das Landwirtepaar Hess war zu jener Zeit auf der Suche nach einer Alternative zu seinem Fleischproduktionsbetrieb. «Wir haben immer versucht, etwas zu erfinden», sagt Lukas Hess. «Wir leben hier in der Bergzone 1 auf über 700 Meter über Meer. Da kann man nicht alles machen.» 13 Jahre lang hielten sie Strausse, danach Schafe und einige Hochlandrinder. Doch die beiden wurden die Produktionsbedingungen leid – «die schlechten Preise, für Fleisch wie für Milch», klagt Lukas Hess.

Bunte Truppe schafft Herausforderung
So gründeten sie zusammen mit Bea Gutzwiller den Verein Villa Kuhnterbunt und stellten alsbald um: Aus dem Produktionsbetrieb wurde ein Gnadenhof. Und dieser wuchs immens schnell. Nebst den Rindern leben heute zwei Zwergponys, 34 Schafe, 15 Katzen, einige Hühner und ein Hund auf dem Hof. Dazu kommen noch einige Pensionspferde. 20 der 49 Rinder sind ebenfalls in Pension auf dem Hof, die andern gehören dem Verein. Finanziert wird dieser über Spenden und Tierpatenschaften. So wurde beispielsweise Kalb Felix von der Stiftung «Tierbotschafter» übernommen. Gutzwiller, Mutter einer fünfjährigen Tochter, arbeitet ehrenamtlich auf dem Hof mit. Zwei- bis dreimal die Woche fährt sie auf den Homberg. 

«Die Finanzierung war ein Riesenstress», erzählt die ausgebildete Ergotherapeutin und Tierpflegerin von den Anfängen. Dafür sei die Lage auf dem Hof entspannter geworden, so Lukas Hess. Der Produktionsdruck falle weg. Aber es habe andere Herausforderungen gegeben – respektive gebe sie noch. «Wir haben hier alle möglichen Rassen und Grössen.» Eine zusammengewürfelte Herde, die sich zuerst finden, Hierarchien ausfechten musste. «Und wir mussten zunächst auch lernen, damit umzugehen. Es war ein bisschen wie Kinder hüten», ergänzt Simone Hess. 

Jedes Tier ein eigener Charakter 
Im Winter sind die Tiere in Gruppen aufgeteilt. Auf der einen Seite die Robustrassen Grauvieh und Schottische Hochlandrinder. Auf der anderen Seite die übrigen: Swiss Fleckvieh, Holsteinkühe, Jersey, Limousin, Angus, Braunvieh und viele Kreuzungen. Im Sommer sind alle Tiere zusammen auf der Weide. «Ausser die Alten, also jene, die schlecht zu Fuss sind. Die dürfen in der Nähe das Stalles bleiben», sagt Gutzwiller. 

Gibt es denn viele gesundheitliche Probleme? Bei den Robustrassen praktisch keine, sagt Lukas Hess. Bei den anderen die üblichen Klauenprobleme, dazu auch immer mal Verdauungsstörungen. Weil die Tiere nichts mehr leisten müssen, bestehe auch die Gefahr der Überfütterung. «Zudem sind viele Tiere, die zu uns kommen, ‹ausgelutscht›. Vom vielen Kälber- und Milchproduzieren», ergänzt Gutzwiller. «Wenn ein Tier sehr krank ist und wir fürchten, dass es leiden muss, dann schläfern wir es ein. Wie bei einem Hund oder einer Katze.»

Denn in der Villa Kuhnterbunt werden die Rinder wie Haustiere gehalten und betrachtet. «Unsere Tiere sollen stellvertretend für ihre Artgenossen in der Lebensmittelproduktion ein Gesicht bekommen, eine Geschichte erzählen und so für mehr Sympathie, Verständnis und Achtung für ihre Art werben», lautet die Idee der Villa Kuhnterbunt. Und deren Bewohner, die Kühe und Rinder, dürfen einfach da sein, mit ihren individuellen Charakteren. Wie Felix, der Glückliche, der bei Kuhmama Viola aufwachsen darf. Wie Azzuen, der anhängliche Geniesser. Und wie Odyssee, die Lebenserfahrene, deren Reise auf dem Baselbieter Homberg ein glückliches Ende gefunden hat. 

Tag der offenen Tür: Samstag, 25. März von 13 bis 16 Uhr (bitte anmelden). 
www.villakuhnterbunt.ch