Kürzlich wurden im Bauch einer toten Kuh in Indien 45 Kilogramm Plastik gefunden. Da indische Kühe oft auf der Strasse leben und Abfall fressen, gelangt so Plastik ungewollt in ihre Mägen (siehe Kasten). Doch dieses Problem gibt es nicht nur in Indien – auch in der Schweiz verschlucken Kühe mitunter Abfall, der auf der Wiese landet. Offizielle Zahlen zu dadurch entstandenen Verletzungen oder Erkrankungen gibt es zwar nicht, der Bauernverband wie auch die In­teressengemeinschaft «Saubere Umwelt» (IGSU) kämpfen jedoch seit Jahren gegen das gewollte oder ungewollte Liegenlassen von Müll, kurz: Littering. 

Für Jacques Bourgeois, Präsident des Schweizer Bauernverbands, ist klar: «Littering ist in der ganzen Schweiz ein Problem.» Nicht nur an beliebten Spazierwegen, sondern auch entlang viel befahrener Strassen komme es häufig zu Littering. «Die Leute neigen heute dazu, ihren Abfall einfach dort hinzuwerfen, wo er gerade anfällt. Also auch munter aus dem fahrenden Auto», sagt Bourgeois. 

Fast Food als Ausgangspunkt
Der Bauernverband hat deshalb 2013 in Zusammenarbeit mit der IGSU eine Anti-Littering-Kampagne lanciert. Tafeln vor Feldern, Plakate für Schulen, Stände an Messen sowie eine Minibroschüre sollen die Gesellschaft für dieses Problem sensibilisieren. «Unsere Tafeln sind in der ganzen Schweiz gut sichtbar, der Messestand wird regelmässig gebucht und die Broschüre erfreut sich grosser Nachfrage. Aber wie gross der Effekt wirklich ist, ist schwierig einzuschätzen», sagt Bourgeois. Die IGSU zieht eine positive Bilanz ihrer Kampagne: «Obwohl die Bevölkerung weiter wächst, der Nutzungsdruck im öffentlichen Raum steigt und der Unterwegskonsum zunimmt, wird das Littering-Ausmass von der Bevölkerung als stabil wahrgenommen – ebenso von Städten und Gemeinden.»

Dass es in der Schweiz überhaupt zu einem Littering-Problem gekommen ist, hängt insbesondere mit dem Aufkommen der Unterwegsverpflegung zusammen. Hinweis darauf gibt eine Studie des Bundesamtes für Umwelt aus dem Jahr 2011. Essens- und Getränkeverpackungen verursachen in den Gemeinden über die Hälfte der Reinigungskosten. Ein weiterer hoher Anteil sind weggeworfene Zigarettenstummel mit 36 Prozent – dies aber auch aus dem Grund, weil der Aufwand höher ist, um diese Kleinteile von Rasen, Kies oder Hecken zu entfernen. 

Der Berner Bauer Andreas Kunz lebt an einer viel befahrenen Strasse in Ersigen bei Burgdorf. Auch er konnte eine Zunahme von liegen gelassenem Abfall auf seinen Wiesen feststellen. «Unsere ganzen Hausparzellen liegen an der Dorfstrasse, wo reger Verkehr herrscht und Schüler passieren. In den letzten Jahren hat die Belastung enorm zugenommen», sagt Kunz. Einen Tierverlust habe er wegen des Abfalls zwar noch nie verzeichnen müssen, dies hänge aber mit der Bewirtschaftungsform zusammen.

Ärger über Respektlosigkeit
Seine Ökowiesen werden nicht geweidet, sondern nur drei Mal pro Jahr als Dürrfutter oder Trockengras konserviert. «Gemäht wird mit dem Motormäher, sodass bereits der meiste Abfall von Hand aufgelesen wird. Das Bearbeiten mit den Heumaschinen bringt den Rest meistens auch noch zum Vorschein», sagt Kunz. Zudem lege er seinen Kühen und Pferden das Dürrfutter einzeln von Hand vor, als letzte Kontrollinstanz. Anders sei dies bei Wiesen, die eine vollmechanisierte Futterkette haben. Andreas Kunz stört vor allem der unnötige Mehraufwand: «Unser Leid und Ärger ist die Respektlosigkeit, welche uns Arbeit und Kosten beschert.» Kosten zum Beispiel dann, wenn er wegen eines überfahrenen Objektes einen platten Reifen ersetzen muss. 

Die Plastikkühe Indiens
In Indien ist das Problem mit abfall-fressenden Kühen grösser als in der Schweiz. Einerseits, weil in vielen Teilen Indiens ein funktionierendes Abfallentsorgungssystem fehlt und Müll oft direkt auf der Strasse landet, andererseits aber auch, weil Kühe in Indien als heilig gelten und deshalb nicht nur auf Kuhweiden zu finden sind, sondern sowohl in kleinen Gassen als auch auf befahrenen Strassen frei herumspazieren. Hier fressen sie versehentlich Plastik, etwa, weil sie zugeknotete Plastiksäcke mit Gemüseresten finden und um an den Inhalt zu gelangen den ganzen Sack fressen. In vielen Städten gibt es inzwischen ein Verbot für den Gebrauch von Plastiksäcken, doch dies ist erst ein kleiner Schritt in Richtung Verbesserung.Nicht nur Kühe leiden in Indien unter Littering, sogar ein Elefant wurde Opfer des Plastiks. Aber auch Fische, Vögel, Wildschweine und Schildkröten fressen Plasti..

Doch wie gefährlich ist Littering für die Kühe selbst? Laut Adrian Steiner, Leiter der Nutztierklinik in Bern, ist Littering überraschenderweise nur unter gewissen Bedingungen eine Gefahr: «Nur kleine, sehr spitze oder sehr scharfe Teilchen, vor allem aus Metall, können die Kuh verletzen.» Zu solchen Verletzungen komme es immer wieder, zum Beispiel, wenn die Kuh versehentlich einen Nagel fresse – was notabene häufiger auf dem Hof passiere und weniger auf der Wiese, wo selten ein Nagel liegen bleibt.

Hundekot ist nicht gefährlich
In diesen Fällen muss der Kuh ein Magnetstab durch den Rachen eingeführt werden, sodass sie diesen schluckt. Das metallene Objekt bleibt daran kleben und kann so aus ihr herausgezogen werden. Dies sei aber keine neue Methode und laut Steiner habe die Anzahl solcher Fremdkörperverletzungen bei Kühen in den letzten Jahren auch nicht zugenommen. Einige Bauern würden ihren Kühen gar präventiv ein Magnet zu schlucken geben, sodass ein allenfalls gefressener Nagel automatisch daran kleben bleibt.

Natürlich funktioniert diese Methode bei verzehrtem Plastik nicht, doch dies sei auch gar nicht nötig, sagt Steiner: «Kleine runde Plastikteilchen sind für Kühe unproblematisch.» Einzig ganze Plastiksäcke wären gefährlich, da diese den Verdauungstrakt blockieren könnten. «Dieses Problem kennt man aber eher in Afrika oder Asien», sagt Steiner. 

Auch Hundekot – oft gerne als «Krankmacher» von Kühen beschuldigt – ist laut Steiner ungefährlich: «Normalerweise frisst die Kuh das Gras rund um einen Hundekot ohnehin nicht. Macht sie es doch, hat dies keinen Einfluss auf ihre Gesundheit.» Ein Problem wäre es erst, wenn sie kilogrammweise davon fressen würde. Aber: «Hundekot gehört nicht auf die Wiese, Hundehalter müssen das Geschäft ihrer Tiere entsprechend entsorgen.»

Littering ist also weniger für die Kühe, sondern viel mehr für die Bauern ein Problem, da dies einen viel höheren Reinigungsaufwand und Kosten verursacht. Doch die Botschaft, Abfall führe zu kranken Kühen, funktioniert natürlich besser. Und letztlich gilt: Abfall und Hundekot gehören weder auf die Strasse, noch auf die Weiden.