Vor allem in der angelsächsischen Kultur sind Rentiere untrennbar mit Weihnachten verbunden. Sie ziehen den Schlitten von Santa Claus, der an Heiligabend vom Nordpol losfährt. Mit unserem «Sami­chlaus» hat dieser Weihnachtsmann nichts zu tun, die Vorstellung vom Weihnachtsmann auf dem Rentier-Schlitten setzt sich in den letzten Jahren allerdings auch bei uns immer mehr durch. Rudi, das Rentier, kennt mittlerweile jedes Kind. Erfunden hat die Figur des Weihnachtsmannes angeblich 1829 der Amerikaner Clement Moore in einem Gedicht. Der Rentierschlitten wurde erst 1868 in einer Zeichnung im Harper’s Magazine dargestellt. Ursprünglich zogen acht Rentiere den Schlitten – jedes trug einen eigenen Namen. Rudolf «Rudi» war eines von ihnen. 

Innerhalb von einem Jahrhundert wurde das Rentier das, was für Ostern der Hase ist. Dass der Weihnachtsmann mit seinen Rentieren in Lappland wohnt, geht auf eine Geschichte zurück, die der finnische Radiomoderator Markus Rautio 1927 seinen Zuhörern erzählte. Demzufolge traf ein Wanderer in einer kalten Winternacht am Fusse des Berges Korvatunturi (auf Deutsch: Ohrenberg), auf den Weihnachtsmann. Der erklärte ihm, er lebe und arbeite mitsamt seinen Rentieren, Elfen und Wichteln in diesem Berg, der wie ein Ohr geformt sei, damit er die Wünsche aller Kinder auf der ganzen Welt hören und erfüllen könne. Da aufgrund dieser Geschichte immer mehr Menschen nach Finnisch-Lappland pilgerten, um an dem Berg nach dem Weihnachtsmann zu suchen, wurde am Ende des Zweiten Weltkrieges kurzerhand das gut 250 Kilometer südwestlich gelegene Rovaniemi zur zweiten Heimat von Santa Claus ernannt. 

Warum ausgerechnet Rentiere den Schlitten des Weihnachtsmannes ziehen, lässt sich über dessen Namen erklären. Joulupukki heisst in Finnland Santa Claus. Joulu meint das nordische Weihnachtsfest (Julfest) und dieses war schon immer mit dem Rentier verbunden. Es ist, wie andere Teile der Weihnachtsbräuche auch, erst nachträglich mit dem christlichen Fest verbunden worden.

Kontakt zum Rentiergeist
Das uralte Julfest hatte ursprünglich eine ganz andere Bedeutung: Sibirische Völker verehrten den sogenannten Grossen Rentiergeist. Mit einem polnischen Kriegsgefangenen kam 1658 die Kunde von diesem Brauch erstmals nach Europa. Er berichtete, dass zum Julfest, am 21. Dezember, dem kürzesten und dunkelsten Tag des Jahres, Schamanen sich mit dem Gift von Fliegenpilzen berauschten. So konnten sie mit dem Grossen Rentiergeist Kontakt aufnehmen. 

Die richtige Dosierung für den Fliegenpilzsud zu finden, war nicht einfach. Eine zu hohe Konzentration des Giftes kann sogar zum Tod führen. Die Lösung brachten die Rentiere, welche diese Pilze gern verzehren. Wie sie es schaffen, sich dabei nicht zu vergiften, ist noch immer ihr Geheimnis. Was sie dann aber von sich geben, enthält die richtige und für den Menschen ungefährliche Dosis für den angestrebten Rauschzustand: Urin. Getrunken bescherte er den Menschen das Gefühl des Fliegens. Die Bezeichnung Fliegen-Pilz bezieht sich darauf und auch die rot-weisse Kleidung des Weihnachtsmannes hat hier ihren Ursprung. Vielleicht hat sogar die rote Nase von Rentier Rudi damit zu tun. 

Weitere erstaunliche Fakten zum Rentier gibt es hier.

Literaturtipp: Josef H. Reichholf: «Einhorn, Phönix, Drache. Woher unsere Fabeltiere kommen», S. Fischer Verlag, ISBN 978-3-596-18722-5, ca. Fr. 12.–