Dolly machte den Anfang. Als Forscher das Lamm 1997 in Schottland präsentierten, war die Welt in Aufruhr: Dolly war die exakte Kopie eines erwachsenen Schafes. Ein Klon. Rund um den Globus diskutierte man über das Für und Wider der Gentechnik. Bald tat sich eine Akzeptanzschere auf: Aus Europa kam ein dezidiertes Nein, in Nordamerika aber war man den neuen Möglichkeiten, Nutztiere zu vermehren, zugetan. Das Kopieren guter Kühe ist dort heute Normalität (siehe Box).

In der Schweiz ist dies verboten, nicht aber der Einsatz von Nutztieren, die von Klonen abstammen. Dennoch regte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) den Verzicht darauf an, als 2005 erstmals Schweizer Kühe mit Sperma des Sohnes einer US-Klonkuh besamt wurden.

Die Branche ist sich einig
Keine Freude hatte auch die Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter (ASR). «Wir haben klar gesagt, ‹wehret den Anfängen› und dass wir das nicht wollen», erklärt Swissherdbook-Direktor und ASR-Geschäftsausschuss-Vorsitzender Matthias Schelling.

Tatsächlich war es einige Zeit ruhig an der «Klon-Front». Das lag auch daran, dass das Verfahren in den ersten 2000er-Jahren sehr aufwendig war. So richtig los ging es gemäss Schelling vor sechs bis acht Jahren: «Klonen ist recht einfach und mit verhältnismässig geringem Aufwand möglich geworden.» Dadurch kam auch mehr Klongenetik in die Schweiz. Der vom BLW angemahnte freiwillige Verzicht blieb Wunschdenken. Quer durch das ganze Land leben heute laut Schelling mehrere Hundert Klon-Nachkommen in verschiedenen Generationen der Milchrassen Holstein und Red Holstein.

Die Apple-FamilieAm 3. Mai 2004 kam in Wisconsin (USA) ein Kalb zur Welt, das einen weltweiten Einfluss auf die Zuchtgeschichte der Holsteiner haben sollte: «KHW Regiment Apple-Red ET» hiess die Kuh, die sich als derart herausragend entpuppte, dass sie mehrfach kopiert wurde. Darunter war auch «KHW Regiment Apple-3-Red-ETN», die 2013 für Aufsehen sorgt, als sie bei einer Ausstellung das genetisch identische Original besiegte.

Diese «Apple C» ist auch die Mutter des Stieres «Dymentholm Mr Apples Avalanche», dessen Genetik Züchter schnell begehrten. Weit über 1000 Nachkommen soll er haben. Sie sind Schaurinder, die an Shows in den USA Sieg an Sieg reihen, oder ausgezeichnete Milchkühe. Auch Schweizer Züchter konnten nicht widerstehen. Beim Holstein-Wettbewerb Anfang 2020 tauchten noch Nachfahren von ihm in den Ranglisten auf. Dies hat nun ein Ende. Und: Die «Mutter» dieser Klone, Apple, starb im Februar.

Dem soll die Branchenlösung des Schweizer Bauernverbandes (SBV), an der alle Player inklusive Besamungsunternehmen wie Swissgenetics und Select Star beteiligt sind, nun einen Riegel schieben. Gemäss Produktionsrichtlinie für das «Qualitätsmanagement (QM)-Schweizer Fleisch» gilt seit 1. Januar 2019: «Es dürfen keine Klone oder Tiere mit einem Klon in den ersten drei Generationen der Abstammung (Eltern, Grosseltern, Urgrosseltern) zur Fleisch- und/oder Milchproduktion genutzt beziehungsweise gehalten werden.» Ausgenommen sind Tiere von einer Besamung, die vor 2019 stattfand.

Die Richtlinie gilt aber auch für die Lizenznehmer von QM-Schweizer Fleisch wie IP-Suisse, Bio Suisse oder Mutterkuh Schweiz und damit für die überwältigende Mehrheit der Bauern. Umso erstaunlicher findet es Schelling, dass Klongenetik immer noch eingesetzt wurde: «Wir sagten 2018, hört auf damit, sahen aber, dass auch 2019 noch besamt wurde.» Nun zog die ASR diesen Sommer nach und verbot in ihrem Reglement per sofort das Ausstellen solcher Tiere. Für Schelling die konsequente Folge der Branchenlösung: «Man kann nicht sagen, wir wollen keine Klon-Nachkommen in QM-Schweizer Fleisch, weil dies ethisch fragwürdig ist, sie aber an Ausstellungen zeigen.»

Klone und ihre Nachfahren sind oft Spitzentiere, die gerne an Schauen gezeigt werden. Wenn ein Züchter eine solche Kuh trotz Verbot für eine Ausstellung anmeldet, wird er davon ausgeschlossen, nicht aber gebüsst. Härter sind die Sanktionen, wenn ein Landwirt gegen die Regelung von QM-Schweizer Fleisch verstösst: Der ganze Betrieb kann aus dem Programm ausgeschlossen werden und er darf Tiere, Fleisch und Milch nicht mehr darunter vermarkten.

EU-Gesetz lässt auf sich warten
Aus der Konsequenz, dass man sie nirgends mehr einsetzen darf, müssten die vorhandenen Tiere aus den Herden eliminiert werden. Denn das Ziel aller Beteiligten ist klar: «Wir wollen keine solche Genetik in der Schweiz», sagt Janina Marti, Leiterin des für QM-Schweizer Fleisch zuständigen SBV-Geschäftsbereichs Agriquali. Ein Grund: «Die Konsumenten sind dem Klonen gegenüber sehr kritisch eingestellt und wir vertreten eine naturnahe Landwirtschaft.» Entsprechend positiv seien die Reaktionen: «Auch wenn nur wenige Klongenetik einsetzen, sind sie die schwarzen Schafe, die der ganzen Branche schaden.»

Einen möglichen Schaden für Schweizer Exportprodukte zu verhindern, ist ein weiterer, gewichtiger Grund. 2015 beschloss das EU-Parlament ein Gesetz, das Klone, ihre Nachkommen und sämtliche Produkte bis hin zum Leder verbietet. Es ist immer noch nicht in Kraft. Auf eine EU-Lösung und ihre Gültigkeit für die Schweiz vertraute laut Marti auch der Bauernverband. Als sich abzeichnete, dass diese nicht so schnell kommt, habe man die Branchenlösung erarbeitet.

Man müsse vorbereitet sein für den Moment, in dem das EU-Gesetz kommt, sagt Matthias Schelling: «Dann ist ein Nachweis nötig, dass unsere Milch und unser Käse keine Klon-Genetik enthalten.» Vorderhand gelten nationale Lösungen. In Frankreich sind Klon-Nachkommen und Produkte absolut verboten. Schelling weiss von einem Fall, bei dem Embryonen inklusive Leih-Mutter eingeschläfert wurden. Italien erlaubt keine Importe von Klon-Tieren und -DNA.

In Grossbritannien gilt ein Lieferverbot für Milch solcher Kühe. Unklar ist aber, wie man Milch kontrollieren will. Das EU-Gesetz sei bisher wohl auch nicht umgesetzt, weil niemand wisse, wie man dies tun soll, sagt Schelling: «Ein Klon ist nicht unterscheidbar vom Original.» Marti ergänzt, dass Klon-Nachfahren aus den USA zwar mit «ETN» gekennzeichnet sind. «Aber wenn ein Tier in Kanada geklont wurde, trägt es diese Bezeichnung nicht zwingendermassen.»

Auch Swissgenetics-Direktor Christoph Böbner erklärt, «dass sich die Klonfreiheit von Spermadosen faktisch nicht kontrollieren lässt». Das Unternehmen verlange, wie in der Branchenlösung bestimmt, von seinen ausländischen Lieferanten jährlich eine schriftliche Bestätigung, dass die Dosen klonfrei sind. Sollte ein Lieferant sich nicht daran halten, seien der Abbruch der Geschäftsbeziehungen, Schadenersatzforderungen und ein weltweiter Imageverlust die Folgen. Denn: Ausser in Nordamerika und wenigen anderen Ländern sind Klone unerwünscht – dies vor allem in Europa und in der Schweiz.