Es gibt Pferde, die Spuren hinterlassen. Mit sportlichen Höchstleistungen, historischen Heldentaten oder gar übersinnlichen Fähigkeiten haben sie sich ins Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt. Monika Mansour stellt in ihrem Buch 111 Pferdepersönlichkeiten vor, die man ihrer Meinung nach kennen sollte. Alphabetisch geordnet von A wie Aiken Cura, einem berühmten Polopferd, bis V wie Valegro, dem Star unter den Dressurwallachen. Die Lektüre regt zum Schmunzeln, Trauern, Mitleiden und vor allem zum Staunen an.

Etwa, wenn es um die Geschichte von Colonels Smoking Gun beziehungsweise Gunner geht. Das Quarter Horse hatte nicht nur zwei Namen, sondern diente auch als Zuchthengst für zwei Pferderassen (Quarter und Paint Horse), obwohl es aufgrund eines Gendefekts taub war. Das hinderte den 1993 geborenen Vierbeiner nicht daran, ein echter Champion zu werden. Er gewann viele Preise in der Westernreitdisziplin Reining. Gunners Taubheit erwies sich dabei sogar als Vorteil, weil er an Turnieren nicht von Geräuschen abgelenkt wurde. Die Nachkommen des vor fünf Jahren an Hufrehe gestorbenen markant gescheckten Hengstes sind übrigens ebenfalls sehr erfolgreich und gewannen bis heute über sieben Millionen Dollar an Preisgeldern. 

Erfolgreiche Verliererin
Geradezu märchenhaft ist der Werdegang von Danedream. Auf der Frühjahrsauktion 2008 im deutschen Baden-Baden fand die zweijährige, braune Stute keinen Käufer. Ihr Züchter Gregor Baum verscherbelte das Pferd schliesslich an einen befreundeten Möbelhausbesitzer. Dies dürfte er längst bereut haben, denn Danedream räumte alle grossen Preise ab, die es im Rennsport zu gewinnen gibt. Das einstige Aschenputtel distanzierte dabei seine Konkurrenz oft um Pferdelängen. Heute lebt das englische Vollblut auf einem Gestüt in Grossbritannien und frönt seinem Dasein als Mutterstute.

Die Geschichte von Danedream im Video (Video: Spiegel TV):

[EXT 1]

Es müssen aber nicht immer Siege sein, um berühmt zu werden. Die Stute Haruurara ist das beste Beispiel dafür. Sie gilt als das schlechteste Rennpferd aller Zeiten und verlor in ihrer sechsjährigen Karriere stolze 113 Rennen. In ihrer japanischen Heimat füllten zahlreiche Fans aber genau deshalb die Zuschauertribünen. Ausgestattet mit Merchandising-Artikeln, auf denen Haruurara abgebildet war. Eine Biermarke wählte das Pferd als Aushängeschild. Mittlerweile geniesst die sympathische Verliererin ihr Gnadenbrot auf den Weiden Hokkaidos.

Nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um Leben und Tod ging es für das Kriegspferd Joey, das in Steven Spielbergs Spielfilm «Gefährten» während des Ersten Weltkrieges von dem Jugendlichen Albert getrennt wird und sich alleine auf den Rückweg macht, um seinen Freund wiederzufinden. Zwar hat die Handlung des auf die Tränendrüse drückenden Abenteuers keinen wahren Hintergrund, doch steht sie stellvertretend für die Millionen Pferde, auf deren Rücken militärische Auseinandersetzungen ausgetragen wurden.

Dazu zählt auch Marengo, das Lieblingspferd von Napoleon Bonaparte. Mit dem arabischen Schimmelhengst zog der Kaiser der Franzosen in mehrere Schlachten. Obwohl Marengo nur 1,45 Meter gross war, zeichnete er sich durch seine Ausdauer und Zähheit aus. Mehrmals wurde der Hengst verwundet, überlebte aber. Die Engländer erbeuteten ihn schliesslich als «Kriegstrophäe» und setzten ihn als Deckhengst ein – allerdings erfolglos.

Nicht ohne meine Katze
Ohne Blutvergiessen kommt ein Klassiker aus, der jedes Jahr in der Adventszeit über die Bildschirme flimmert: «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel». Die Szene, in der Schimmel Nikolaus mit Aschenbrödel im Prinzessinnenkleid über die verschneiten Felder galoppiert, bringt nicht nur die Herzen von Pferdeliebhabern zum Schmelzen. Verkörpert wurde das edle Tier zunächst vom Hengst Ibrahim. Dieser durfte wegen der Maul- und Klauenseuche jedoch nicht für Filmarbeiten in die damalige DDR einreisen. Eingesprungen ist der Araber Kalif, der bereits für andere Produktionen vor der Kamera stand und von Stuntreitern in einem Bahnwaggon zurückgelassen wurde. Dort befreite ihn eine ostdeutsche Filmcrew und verschaffte Kalif seinen grössten Auftritt in dem berühmten Weihnachtsmärchen.

Eisenbahnwaggons spielten auch im Leben der Wunderstute Kincsem eine grosse Rolle. Das 1874 in Ungarn geborene Pferd, das in nur vier Jahren 54 grosse Rennen gewann, liebte das Reisen mit dem Zug und wieherte bereits freudig, sobald sich die dampfenden Stahlkolosse näherten. Allerdings musste die Katze des Pferdepflegers dabei sein. Sonst weigerte sich die Stute, auch nur einen Huf in den Waggon zu setzen.

Eine ganz andere Marotte hatte eine amerikanische Stute. Lady Wonder (1924 – 1957) war darauf spezialisiert, Fragen zu beantworten. Über 150'000 Menschen bezahlten je drei US-Dollar und durften der vierbeinigen «Wahrsagerin» dafür drei Fragen stellen. Die Antworten erfolgten per Buchstabiermaschine, die ihre Besitzerin Claudia Fonda anfertigte und die das Tier mit Hebeln steuern konnte. Tatsächlich soll das Ross damit unter anderem geholfen haben, eine Ölquelle und die Leiche eines Jungen zu finden. Skeptiker behaupteten jedoch, dass Fonda dem Pferd Zeichen gab, den Kopf zu senken, wenn es über dem richtigen Buchstaben war. Demzufolge müsste die Frau und nicht das Pferd hellseherische Fähigkeiten gehabt haben.

Literaturtipp:
Monika Mansour: «111 Pferde, die man kennen muss», Taschenbuch, 240 Seiten, Emons Verlag, ISBN: 978- 3-7408-0444-2, ca. Fr. 27.–