Das Phänomen ist auf dem Internetkanal «Youtube» mehrfach dokumentiert: Die Dixieland Band «The New Hot Five» stellte sich einst in Autrans in Frankreich in die Nähe einer Weide und stimmte «When The Saints Go Marching in» an. Das Video zeigt, wie sich die Braunweissen gleich beim Zaun aufreihen und begeistert mitwiegen. Auch der Handörgeler aus Garmisch (D) wird millionenfach angeklickt: Er entlockt seinem Instrument auf der Weide die ersten Töne – und sofort kommt eine Kuhherde angetrabt und scheint gespannt zuzuhören. 

Die Band «The New Hot Five» spielt «When The Saints Go Marching in» für eine Kuhherde in Frankreich:

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Die Bläser der bayerischen LaBrassBanda haben gleich ihr ganzes Album «Kiah Royal»(«Kiah» ist bayrisch und bedeutet «Kühe») im Futtertenn eingespielt. Den Kühen gefiels, den Musikkritikern ebenfalls. «Lässige Rhythmen in gemütlicher Stallatmosphäre, bei der das gemächliche Kauen der Tiere förmlich zu hören ist», war unter anderem zu lesen.

Die Kühe geniessen das Akkordeon-Konzert auf der Weide:

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Ist es nun Marschmusik und Dixieland-Jazz, was das Vieh gerne hört, oder ruft etwa auch Hip-Hop grosse Begeisterung und Interesse bei den Nutztieren hervor? Wie ist es mit klassischer Musik? Es ist schwierig, die Kühe selber zu befragen, das geht nur dank Auswertung ihrer Reaktionen. Graça Pereira aus Portugal, die auf dem Meierschwiler Hof in Rotkreuz ZG um das Wohl der Kühe besorgt ist, hat im CD-Ständer des Milchzimmers ihre klaren Favoriten für die musikalische Begleitung während des Melkens. Als Erfolgsgaranten für reichlich Milch schwört die 44-Jährige auf Filmmusik von James Last zu «Mornings at Seven». Aber auch «Der einsame Hirte» von Gheorghe Zamfir mit seiner Panflöte sowie die Kuschelrock-CD mit ruhigen Titeln wie «Hey Jude» von den Beatles oder «The Sound of Silence» von Simon & Garfunkel sowie weitere Hits aus den Sechzigerjahren kämen beim Rindvieh gut an. 

Der amerikanische Farmer Derek Klingenberg spielt für seine Kühe «Royals» von Lorde auf seiner Posaune:

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Mehr Schwung mit Marschmusik
Sind Kühe also Oldies-Fans, gegenüber neueren Kompositionen aber weniger aufgeschlossen? Die Melkerin zuckt mit den Schultern. «Ich weiss nicht mal, ob Kühe musikalisch sind oder nicht. Was ich weiss, ist, dass sie sich zu bestimmter Musik gut melken lassen.»

Kühe sind Gewohnheitstiere, am liebsten ist ihnen die tägliche Routine – dann, wenn alles ganz genau gleich abläuft wie die Tage zuvor. Reichlich Futter und gepflegte Monotonie ist ihr bevorzugtes Tagesprogramm. Kühe lieben eben Langeweile. Veränderungen sind dagegen unerwünscht und stören lediglich ihre Behaglichkeit. Und wichtig: je konstanter die Fütterung, je unaufgeregter das Umfeld, desto besser die Milchleistungen.

Wenn Werner Kälin um fünf Uhr morgens den Stall seiner Braunen betritt, betätigt er den Knopf am Radio so selbstverständlich wie Lichtschalter und Aggregate. Der Marsch von der «Blaskapelle Goldküste» in der Radio-Musikwelle komme bei seinen Kühen ausgesprochen gut an. «Der Wechsel der Musikrichtung zu Techno durch seinen jungen Betriebshelfer reduziert die Milchleistung deutlich», sagt Kälin. Dies hänge möglicherweise weniger mit dem Musikstil zusammen als vielmehr mit der jeweiligen Stimmung. Das Einschieben der richtigen CD im Milchzimmer sei für die Milchmenge von Bedeutung.

Verhaltensforscher von der Universität Georgia in den USA bestätigen Kälins Beobachtung. «Die Art der Musik ist nicht entscheidend. Bei allen Experimenten zeigte sich, dass langsamere, rhythmisch gut strukturierte Titel einen Relax-Effekt haben und somit milchfördernder sind», sagt die Veterinärmedizinerin Leanne Alworth.

Gute Stimmung wird übertragen
Geteilte Meinungen auch auf dem Hof Allmig bei Haltikon SZ: Der 69-jährige Sepp Bucher glaubt, die Kühe in seinem Stall hätten am liebsten volkstümliche Musik, sein 29-jähriger Sohn Stefan Bucher findet fetzige Rockmusik passe den Kühen besser. In einem sind sich die beiden einig: «Wenn der Melker jene Musik hört, die ihm gefällt, überträgt sich dessen gute Stimmung automatisch auf die Tiere – sie sind ruhiger und entspannter.»

Eine Studie der Universität von Leicester in England wollte es vor drei Jahren genauer wissen. Mit ausgeklügelter Messtechnik suchten die Forscher einen Melkstand auf. Das Resultat war eindeutig: Bis zu drei Prozent mehr Milch durch die Wahl des richtigen Soundtracks machte bei den Kühen das akustische Rahmenprogramm – vor und während des Melkens – aus. Dabei stimulierte ein Hit die Milchdrüsen der britischen Kühe besonders: «Everybody Hurts» von der US-amerikanischen Rockband REM.

Die Begründung lieferten die Wissenschaftler gleich nach: «Musik beruhigt Milchkühe nachweislich. Jeglicher Stress zum Zeitpunkt des Melkens stört die Produktion des Hormons Oxytocin. Dieses ist wichtig für die Milchabgabe: Das Hormon bewirkt die Milchejektion, also die Entleerung der Drüsenbläschen durch Stimulation der sogenannten myoepithelialen Zellen der Milchdrüse.» – Alles klar?!