Bio ist in. Rund 6000 Landwirtschaftsbetriebe produzieren in der Schweiz nach den Richtlinien der Branchen-Organisation Bio Suisse. Und immer mehr Privatpersonen achten beim Einkauf darauf, ob ein Produkt die Bio-Knospe trägt oder nicht. Doch auch bei Bio-Produkten muss die Qualität stimmen: Ist ein Salat von Raupen durchlöchert oder ein Apfel voller Schorf, schafft er es nicht ins Verkaufsregal.

Weil der Einsatz von chemisch hergestellten Pflanzenschutzmitteln nicht erlaubt ist, müssen Schädlinge in der Bio-Produktion mit anderen Mitteln bekämpft werden. Zum Beispiel mit sogenannten Nützlingen, also mit Lebewesen, die in der Natur als natürliche Gegenspieler jener Organismen agieren, die Nahrungsmittel befallen. Eigentlich ist dieses Prinzip der biologischen Schädlingsbekämpfung uralt: Katzen wurden vor einigen Tausend Jahren wohl auch domestiziert, weil sie die Vorratslager mäusefrei hielten. Im dritten Jahrhundert nach Christus wurden in China Ameisenvölker verkauft, die Bauern auf Zitrusplantagen einsetzten, um Wanzen zu bekämpfen. Und im 12. Jahrhundert entdeckte man, dass sich Marienkäfer bestens dazu eignen, Blattläuse und Schildläuse auf Gemüsen in Schach zu halten.

Schlupfwespen schützen Mais und Äpfel
Noch heute ist der Marienkäfer das bekannteste Beispiel eines Nützlings. Allerdings gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Nützlingstieren, -pilzen, -bakterien oder -viren. In der Schweiz haben mehrere Firmen das Geschäft mit solchen Gegenspielern von Schädlingen entdeckt. Eine davon ist die UFA-Samen, der Geschäftsbereich für Saatgut des genossenschaftlichen Agrarkonzerns Fenaco. Sie bietet seit einigen Jahren eine ganze Palette von Nützlingen zum Verkauf.

Das gefragteste Produkt seien momentan Schlupfwespen zur Bekämpfung des gefürchteten Maiszünslers, sagt Regina Burger, die Leiterin des Ressorts Nützlinge bei UFA-Samen. Es handelt sich um ein bewährtes System: In der Schweiz werden Schlupfwespen seit den 1970er-Jahren zum Schutz der Maisfelder eingesetzt. Ausgebracht werden die Nützlinge zum Teil mit Drohnen: Die Fluggeräte kreisen über den Maisfeldern, während mit Schlupfwespen gefüllte Kugeln per Knopfdruck abgeworfen werden. 

Neben Gemüse- und Getreidefeldern sind auch Obstplantagen Einsatzgebiete von Nützlingen; hier machen Schlupfwespen zum Beispiel Jagd auf den Apfel- und den Pflaumenwickler. Gefahr droht Nahrungsmitteln allerdings selbst dann noch, wenn sie im Lager liegen. «Produkte wie Getreide, Mehl, Tierfutter, getrocknete Früchte, Sämereien oder Heu werden oft von Motten befallen», sagt Regina Burger. Das ist nicht nur unappetitlich – in Mottengespinsten sammelt sich auch Feuchtigkeit, was Schimmelpilze wachsen lässt. So können hohe Kosten entstehen: Bauern, Tierzüchter oder Bäckereien müssen ihre Vorräte wegschmeissen, Handelsfirmen allenfalls ihren Kunden verunreinigte Lieferungen ersetzen. «Unternehmen im Lebensmittelbereich drohen auch Rufschädigungen», sagt Burger.

Deshalb werden auch in Vorratslagern immer häufiger Nützlinge eingesetzt. Einen Anteil daran habe der Bio-Boom, sagt Burger. Aber auch sonst dürften immer weniger chemische Wirkstoffe eingesetzt werden. Früher behandelte man Vorräte in Lagerhallen oder in Getreidesilos sicherheitshalber oft mit Insektiziden, doch aufgrund der Rückstände dieser Produkte verschwinden viele vom Markt. Nützlinge hingegen seien nicht nur ungiftig und sicher für Mensch, Tier und Natur, sagt Burger. Anders als bei Pestiziden bestehe bei ihnen auch nicht die Gefahr, dass der Schädling Resistenzen bilde und irgendwann nicht mehr bekämpft werden könne.

UFA-Samen bietet für Firmen, aber auch für private Tierhalter, eine Vorratsbehandlung an, bei der zwei verschiedene Nützlinge zum Einsatz kommen: die Schlupfwespen Trichogramma evanescens und Habrobracon hebetor. Sie greifen die Motten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien an. Trichogramma legt ihre Eier in die Eier der Motten, aus jedem parasitierten Mottenei schlüpft so statt einer unerwünschten Mottenlarve eine nützliche Schlupfwespe. Habrobracon legt ihre Eier auf die Mottenlarven. Die Larven des Nützlings fressen dann diejenigen des Schädlings. 

Für eine erfolgreiche Behandlung müssten allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein, sagt Juliane Preukschas, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ressort Nützlinge bei UFA-Samen. «Das A und O ist eine konsequente Hygiene im Lager. Liegen irgendwo noch Reste herum, können die Motten dort überdauern.» Zudem sei es wichtig, nicht erst dann Nützlinge einzusetzen, wenn bereits alles voller Motten sei. In ungeheizten Räumen beginne ungefähr ab April die Entwicklung der Vorratsmotten. Zu diesem Zeitpunkt sollte man im Lagerraum Klebefallen aufstellen, um dann nach den ersten Mottenfängen mit dem Nützlingseinsatz zu beginnen.

Ein Rezept gegen Lebensmittelmotten
Weil sich die Motten gerade in der warmen Jahreszeit rasch fortpflanzten, sei es wichtig, in regelmässigen Abständen neue Nützlinge auszubringen, erklärt Preukschas. Normalerweise bekämen die Kunden von Frühling bis Herbst zwischen acht und zwölf Schlupfwes­penlieferungen. Das hänge von der Lagerfläche und der Stärke des Befalls ab.

Menschen, für die das Ganze etwas unappetitlich klingt, können Burger und Preukschas beruhigen. Zum einen sind Trichogramma-Schlupfwespen bloss etwa einen Drittel eines Millimeters gross – man sieht sie von Auge kaum. Zum anderen werden nicht die ausgewachsenen Wespen verschickt, sondern kleine Kärtchen, auf die jeweils 2000 von der Schlupfwespe parasitierte, winzige Motteneier geklebt sind. «Was danach im Vorratslager oder im Futtersack abläuft, sieht man ohne Vergrösserungsglas nicht», sagt Burger. 

Die Trichogramma-Schlupfwespen könne man deshalb auch ohne Bedenken im Haushalt gegen Lebensmittelmotten einsetzen, sagt sie. Zumal die Heerscharen der kleinen Helferlein absterben, sobald sie ihre Arbeit erledigt und alle Motten getötet haben – ohne Motteneier können sich die Schlupfwespen nämlich nicht fortpflanzen. 

Die Erfolgsquote mit den Vorratsschlupfwespen sei hoch, sagen Burger und Preukschas, man habe sehr zufriedene Kunden. Es brauche aber eine tadellose Hygiene und eine Überwachung des Schädlingsdrucks. Das mache die Anwendung von Nützlingen natürlich etwas anspruchsvoller als das Ausbringen von Pestiziden. Doch beide sind überzeugt: Die Vorteile punkto Gesundheit und Umweltschutz wiegen den Aufwand bei Weitem auf.