Im Unterland tun die ersten Wiesenblumen und die Vögel gerade so, als sei der Frühling bereits angebrochen. Hier oben in Langwies im Schanfigg auf 1400 Metern, dem Tal zwischen Chur und Arosa, hockt steif und starr der Winter und leistet Widerstand. Den Mutterschafen und den Lämmern der Rasse Lacaune von David und Paula Zippert macht das nichts aus. Sie haben sich einfach einen Wollpullover wachsen lassen, man könnte neidisch werden. Aber die beiden Bündner Schafbauern halten die Tiere ja nicht wegen der Wolle, sondern weil sie Milch und – weniger wichtig – auch Fleisch geben.

Heute halten die Zipperts 120 Mutterschafe, die pro Jahr je 250 bis 300 Liter Milch geben. «Aber wir verarbeiten nur 150 Liter, weil wir die Lämmer die ersten zwei Monate saugen lassen – aus Liebe zu den Tieren, aber auch aus ökonomischen Überlegungen», sagt die ausgebildete Bio-Bäuerin Paula Zippert, die einst Drogistin gelernt hat. «Wir wollen so naturnahe wie möglich wirtschaften und da gehört das Säugen einfach dazu. Ausserdem können wir einen Teil des Nachwuchses als Mastlämmer verkaufen.»

Unterschiede zu Kuhmilch
Auf das Milchschaf gekommen sind die beiden aus der Situation heraus: «Mein älterer Bruder übernahm den elterlichen Hof, aber ich wollte ebenfalls Bauer werden, Milchbauer, um präzise zu sein», sagt der gelernte Landwirt David Zippert. Er konnte Land und ein paar Ställe pachten, molk im Jahr 2000 zum ersten Mal im Leben ein Schaf und startete zwei Jahre später mit gerade mal fünf Tieren. Mutig! «Nein, nicht mutig», sagt der Bauer. «Wenn du nichts hast, hast du auch nichts zu verlieren.»

Die beiden merkten schnell, dass sie mit Schafkäse eine Marktlücke füllten. «Dank der Nähe von Chur einerseits, Arosa mit seinen Hotels und den Läden andererseits, stieg die Nachfrage ständig und heute produzieren wir pro Jahr zusammen mit einem Lehrling und einem Angestellten dreieinhalb bis vier Tonnen Käse», sagt David Zippert. Diese Menge nimmt der lokale Markt plus ein paar Marktfahrer im Unterland gut auf.

Die Schafmilch, die in der eigenen Sennerei zu 250 Gramm schweren Käsli verarbeitet wird, unterscheidet sich wesentlich von Kuhmilch: Der Eiweissgehalt ist bei etwa sieben Prozent, der Fettgehalt bei rund acht Prozent. Kuhmilch kommt bei beiden Werten auf etwa die Hälfte. Ausserdem hat Schafmilch eine andere Eiweiss-Zusammensetzung. «Menschen mit Kuhmilchallergie vertragen Schafmilch darum oftmals besser. Auf jeden Fall kaufen ein paar Betroffene bei uns Milch ein», sagt Paula Zippert.

Ein Blick auf die gesamtschweizerische Statistik zeigt, dass die Zipperts auf das richtige Pferd respektive Schaf gesetzt haben: Die Produktion von Ziegen- und Schafmilch ist im Vergleich zur Kuhmilch gering, nahm aber in den letzten Jahren stetig zu und entwickelte sich zu einem interessanten Nischenmarkt. Wurden gemäss Bundesamt für Landwirtschaft im Jahr 2002 noch 1031 Tonnen Schafmilch verkäst, waren es im Jahr 2017 bereits knapp 2000 Tonnen. Für die Zipperts ist das  – zumindest vorderhand – kein Grund, ihren Betrieb auszubauen. «Würden wir mehr produzieren, müssten wir wohl neue Absatzmöglichkeiten suchen und uns mit Marketing herumschlagen», sagen die beiden. 

Die Sache mit dem Wolf
Doch dafür haben sie keine Zeit. Denn auf dem Hof in der Bergzone vier leben ja nicht nur die Tiere, da sind auch Joos und Evi, die beiden zwei- und einjährigen Kinder. Und demnächst steht noch eine Änderung an: «Wir erhalten zwei Herdenschutzhunde, welche wir in die Herde integrieren müssen», sagt Paula Zippert. Denn der Wolf kommt auch ins Schanfigg. Bis jetzt hat er sich zwar noch nicht fest angesiedelt, war sozusagen nur auf der Durchreise. «Einmal ist er in den Stall gelangt, es sah nicht schön aus», sagt die Bäuerin und schluckt leer.

Aber gegen den Wolf hetzen mögen die beiden nicht: Sie überschlagen sich nicht
gerade vor Freude, dass er wieder kommt, aber seine Rückkehr sei nun mal eine Tatsache, sagt Paula und ergänzt: «Sind verhaltens­auffällige Tiere unterwegs, sollte ein Abschuss allerdings schneller und unkomplizierter möglich sein als heute. Aber wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben.» Und darum eben kämen die beiden Hunde, welche die Herde beschützen werden.

Je länger man mit Paula und David Zippert redet, desto mehr festigt sich die Überzeugung, dass sich hier zwei gefunden haben, die ganz ähnlich denken, die gleichen Ziele haben und sich, die Natur und vor allem ihre Tiere lieben. Denn nähert man sich normalerweise einer Schafherde, macht sich diese schnell zur Flucht bereit. Allenfalls stellt sich eine mutige Aue noch schützend vor ihren Nachwuchs.

Ganz anders bei den Tieren der Zipperts: Neugierig kommen sie heran, mustern und beschnuppern die Fremden, drängen sich gar um die Familienmitglieder. «Das ist eben auch etwas Schönes mit den Schafen», sagt David Zippert. Es gehe ja nicht immer nur um Milch, Käse oder Fleisch. Es gehe auch um die Beziehung mit den Tieren. «Wir verbringen viel Zeit mit ihnen und sie mit uns. Das schafft ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis und ist beglückend.»

Sehnsuchtsort Alp
Irgendwann wird es dann der Frühling auch noch bis nach Langwies und auf die Berge ringsherum schaffen. Das ist eine Zeit, auf die sich nicht nur die Schafe, sondern die ganze Familie freut. Denn dann geht es nicht mehr lang und sie ziehen mit Kind und Kegel, Sack und Pack und vor allem mit der Schafherde auf die Bodenalp bei Mädrigen.

Das kleine Maiensässdörfchen liegt etwa eine Stunde Fussmarsch von Arosa entfernt auf der rechten Talseite. Vor allem Paula Zipperts Augen leuchten, wenn sie davon erzählt: «Es geht dort oben einfach zu und her. Die Tage sind lang und arbeitsreich. Doch etwas Schöneres als auf einer Alp aufzuwachsen, kann ich mir für die Kinder gar nicht vorstellen.»

Erhältlich ist der Weissschimmel-Weichkäse in lokalen Coop-Filialen, im Manor Chur und an Alphüsli-Ständen in Schweizer Städten.