Die Vorwürfe unter anderem in der «Sonntagszeitung» sind happig: Tiere würden vernachlässigt und gequält, ist im Artikel zu lesen. Das Rechercheteam beruft sich neben eigenen Nachforschungen auf Daten des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) aus dem vorletzten Jahr. Demnach wurden 2017 jedem siebten Schweinemastbetrieb Direktzahlungen gestrichen, was mehr als 7000 Fällen entspricht (siehe Box). 

Nachdem «Der Bund» nachdoppelte und kurz nach dem Bericht in der «Sonntagszeitung» in mehreren Artikeln über Verfehlungen von Landwirten unter anderem im Kanton Bern schrieb, reagierte die dortige Sektion des Bauernverbandes. Mit einem offenen Brief wandte sie sich an die Öffentlichkeit.

Die Reaktion des Berner Bauern Verbands
Tierquälerei toleriere man auf keinen Fall, heisst es im Schreiben vom 26. Juni. Man unterstütze zwar das konsequente Vorgehen und Sanktionieren durch die Behörden. Dass mit den Artikeln in der «Sonntagszeitung», «Bund» und anderen Medien aber alle Bauern unter Generalverdacht gestellt werden, ist für den Berner Bauern Verband nicht akzeptabel. Man unterscheide bei Vergehen im Verkehr ja auch zwischen leichten und schweren Vergehen. Bei den Landwirten hingegen würden alle über einen Kamm geschert.

Das BLW verneint dies. Es teilt auf Anfrage mit: «Die Kürzung der Direktzahlungen bei festgestellten Mängeln ist in der Direktzahlungsverordnung detailliert geregelt. Diese gelten für alle Landwirte gleich. Dabei wird beispielsweise zwischen einzelnen Kontrollpunkten differenziert und Wiederholungsfälle beim gleichen Kontrollpunkt innerhalb von vier Jahren führen zu höheren Kürzungen.»

Beschwerde beim Presserat eingereicht
«Ich will nichts schönreden, es gibt schwarze Schafe unter den Tierhaltern», sagt Sandra Helfenstein, Mediensprecherin des Schweizer Bauernverbandes (SBV). Und gegen diese müsse man auch vorgehen, denn sie würden ein schlechtes Licht auf alle korrekt arbeitenden Bauern werfen. «Hier sind wir und die kantonalen Kontrollstellen gefordert. Doch die Berichterstattung suggeriert, dass wir in Bezug auf den Tierschutz flächendeckende Probleme auf Schweizer Bauernhöfen haben». 

Tatsache sei, dass bei 87 Prozent der Kontrollen keinerlei Mängel bei der Tierhaltung festgestellt wurden. Weil der Artikel ein falsches Bild vermittle und einer Pauschalverurteilung gleichkomme, hat der Schweizer Bauernverband beim Presserat Beschwerde gegen Berichterstattung der «Sonntagszeitung» eingereicht.

Vergessenes Kreuzchen mit Folgen
Die Erhebungen des BLW lassen allerdings auch den Schluss zu, dass 13 Prozent der Höfe Mängel aufweisen. Ebendieser Zahl gegenüber hat Helfenstein Vorbehalte. «Darin eingerechnet sind auch Fälle, in denen zum Beispiel jemand vergessen hat, das Formular für einen Tiertransport korrekt auszufüllen. Das heisst dann ja noch lange nicht, dass die Tiere auch leiden», sagt sie. Damit relativiere sich der Wert. 

Dass Abstufungen bei der Erfassung und Behandlung der Fälle existieren, bestätigt das BLW. Es könne geschehen, dass ein Landwirt bei seinen eigenen Aufzeichnungen, die bei der Kontrolle überprüft werden, ein Kreuz vergessen hat. «Solche Mängel kommen vor. Sie sind aber in der Regel nicht gravierend», schreibt das Amt. Wenn beispielsweise die Dokumentation beim «Raus»-Programm, das dem Tierwohl dient, den Anforderungen nicht entspreche, gebe es eine Kürzung von 200 Franken. «Wenn hingegen die Auslauffläche nicht dauernd zugängig ist, werden die «Raus»-Beiträge für die betroffene Tierkategorie gestrichen.»

Tierschutz befürwortet regelmässige Kontrollen 
Beim Schweizer Tierschutz (STS) weiss man um die Schwierigkeiten bei der Erhebung und Interpretation von Statistiken. «Natürlich macht es einen Unterschied, ob jemand beim Ausfüllen eines Formulares einen Fehler macht, oder tatsächlich Tiere quält», sagt Mediensprecherin Helen Sandmeier.

Aus ihrer Sicht haben die ermittelten Werte aber eine durchaus positive Aussage: «Immerhin sind bei 87 Prozent der Landwirte keine Beanstandungen zu machen. Auf der anderen Seite zeigt der Wert, wie wichtig regelmässige Kontrollen sind. Und er lässt darauf schliessen, dass diese offensichtlich auch gemacht werden». Als Schikane böser Bürokraten, als welche Inspektionen immer wieder bezeichnet werden, will sie die Kontrollen indes auf keinen Fall verstanden wissen.

Die scharfe Kritik der «Bauern Zeitung»
Die «Bauern Zeitung» hingegen vertritt noch eine andere Sichtweise: Letzte Woche witterte Chefredaktor Adrian Krebs in seinem Artikel eine Verschwörung – beziehungsweise eine «massive Kampagne der Tamedia-Blätter gegen die Bauern», wie er schrieb. Er warf die Frage auf, ob deren negative Berichterstattung als Rache für einen Inseratestopp zu verstehen ist.

So weit will Helfenstein vom Schweizer Bauernverband indes nicht gehen. Sie sieht eher einen Zusammenhang mit den politischen Erfolgen des SBV und «der aktuell laufenden medialen Attacke der Tamedia-Gruppe auf die Landwirtschaft».

Höhere Strafen als Lösung?
Die Forderungen des Schweizer Tierschutzes sind indes klar: «Es braucht höhere Strafen für diejenigen, die gegen die Regeln verstossen, die Tiere vernachlässigen oder quälen. Wer bei Widerhandlungen oder Versäumnissen gegen geltende Gesetze verstösst, muss finanziell so gebüsst werden, dass es auch weh tut!». 

Mit der Beschwerde beim Presserat und einer geplanten Artikelserie in diversen Medien ist das Thema wohl noch lange nicht vom Tisch.