Das Blöken ist von Weitem zu hören: Schafe haben den Reitstall im zürcherischen Uster in Beschlag genommen. Neun Rassen präsentieren sich am Zuchtschafmarkt von ihrer besten Seite. Auf den ersten Blick dominiert die helle Wolle der Weissen Alpenschafe (WAS), der Texel und der Ile de France Suisse. Auch das Braunköpfige Fleischschaf, das Dorper und das Suffolk haben helle Körper, heben sich aber mit dunklen Köpfen und Beinen von den anderen Rassen ab. Auf den zweiten Blick stechen die dunklen Engadinerschafe und die Schwarzbraunen Bergschafe ins Auge. Die Attraktion schlechthin – vor allem für die kleinen Schaffans – sind die Walliser Schwarznasen.

Die meisten Tiere dösen eng zusammengekuschelt im weichen Heubett. Einige linsen Richtung Publikum, an Strohhalmen kauend. Eine WAS-Dame findet das Futter jenseits der Absperrung zu verlockend und knabbert an gestapelten Heuballen. Einige Abteile weiter beschäftigt sich ein Engadinerschaf aufrecht stehend intensiv mit einer an einer Leine befestigten hölzernen Wäscheklammer – allem Herumgezupfe zum Trotz wird es ihrer aber nicht habhaft. Die Ruhe selbst ist der Schwarznasen-Widder, obwohl neben ihm ein paar Schwarzbraune Bergschafe immer wieder heftig miteinander rangeln.

Aufwendige Meldungen
Die Züchter besuchen sich gegenseitig, fachsimpeln über ihre Tiere – und ein Thema kommt immer wieder auf: Die Einführung der Meldepflicht für Schafe und Ziegen in die Tierverkehrsdatenbank (TVD), um Tierseuchen besser bekämpfen zu können (siehe Box). Ab 2020 müssen Besitzer alle ihre neugeborenen Lämmer und Gitzi innert 30 Tagen mit zwei Ohrmarken kennzeichnen und bei älteren Tieren eine zweite Ohrmarke anbringen. Bei den Schafen muss eine Ohrmarke einen elektronischen Chip enthalten, bei den Ziegen ist dies freiwillig. Zu- und Abgänge in der Herde, Standortwechsel vom Hof auf die Alp und retour sowie Todesfälle und Schlachtungen – kurz alle Tierbewegungen – sind innert drei Tagen der TVD zu melden.

Kampf gegen Tierseuchen
Die TVD-Pflicht für Schafe und Ziegen geht zurück auf eine Motion des Berner Nationalrats Andreas Aebi und ist damit ein politischer Auftrag. Indem alle Tiere lückenlos erfasst werden, kann man stets zurückverfolgen, wo sie sind: Verliert ein Schaf oder eine Ziege eine Ohrmarke, liefert die andere die nötigen Daten. Diese Rück-verfolgbarkeit ist eine wichtigVoraussetzung, um bestehenden wie allfälligen zukünftigen Tierseuchen wirksamer begegnen zu können. So steht die TVD-Einführung denn auch im Zusammenhang mit der Bekämpfung der für Schafe schmerzhaften Klauenkrankheit Moderhinke.

Diese Neuerungen geben zu reden unter den Schaf- und Ziegenzüchtern, die ihre Tiere häufig als Nebenerwerb halten. Die einen sehen wegen der Um- respektive Nachmarkierungen der bestehenden Tiere einen deutlichen Mehraufwand auf sich zukommen. Andere fürchten happige Kosten für die zusätzlichen Ohrmarken oder die Chip-Lesegeräte. Und weil sie «es nicht so haben mit Computern» ärgern sich gerade ältere Züchter, dass die Meldungen nicht mehr per Papier erlaubt, sondern nur noch elektronisch und online möglich sind.

Die Änderungen treffen vor allem jene Schaf- und Ziegenzüchter empfindlich, die heute kein Herdebuch führen: «Sie sind das Melden nicht gewohnt», sagt Ursula Herren vom Schweizerischen Ziegenzuchtverband SZZV. Für Herdebuchzüchter halte sich der Zusatzaufwand in Grenzen, vorausgesetzt die Informatikprogramme funktionieren. Herausfordernd seien vor allem die kurzen, dreitägigen Fristen für Bewegungsmeldungen.

Auch Peppino Beffa, Präsident des Schweizerischen Schafzuchtverbandes SSZV, betont, dass «unsere Mitglieder Geburten bereits heute melden müssen». Für die Halter grosser Herden und für die Berufsschäfer werden das Um- und Nachmarkieren sowie die Bewegungsmeldungen aber sicher eine spürbare Zusatzarbeit sein. Weiterhin erlaubt ist laut Beffa, dass die Meldungen anstelle des Bauern der Zuchtbuchführer vornimmt. Der Halter könne sein TVD-Login weitergeben, wenn er die elektronische Datenbank nicht selber füttern könne. Für die Ziegenzüchter wäre es aber sicher dienlich, wenn schriftliche Meldungen, wie es im Herdebuch der Fall ist, weiterhin möglich wären, sagt Herren.

Weniger Geld als für Kälber
Dennoch ist da und dort zu hören, dass Schafhalter sich überlegen, «ob sie das alles mitmachen wollen». Es sei sicher zu befürchten, dass der eine oder andere aufhöre, sagt Beffa. Er sieht diese Gefahr vor allem bei älteren Schäfern, die ohnehin bereits gesundheitliche Probleme und zusätzlichen Aufwand wegen des Wolfes haben: Die TVD-Meldepflicht bringe zusätzliche Arbeit. «Wir sehen aber mit der verbesserten Rückverfolgbarkeit Chancen, dass Schweizer Lammfleisch glaubwürdiger für die Konsumenten wird und einen Mehrpreis erzielen kann.» Herren glaubt nicht, dass viele Ziegenzüchter aufhören. «Es werden aber nicht alle lückenlos melden, dafür ist das Anreizsystem zu wenig attraktiv.» Beim Rindvieh habe das Meldewesen auch erst seit der Einführung des sogenannten Entsorgungsbeitrags für tierische Nebenprodukte respektive des Geburtsbeitrages von 25 Franken pro korrekt gemeldetes Kalb gegriffen.

Tatsächlich sorgt die finanzielle Schlechterstellung der Schaf- und Ziegenbesitzer gegenüber den Rinderzüchtern, für die die TVD-Pflicht 1999 eingeführt wurde, für heis­se Köpfe. Obwohl der Aufwand für die Meldungen und das Markieren gleich gross ist wie bei Kälbern, gibt es pro Lamm und Gitzi deutlich weniger Geld: 4.50 Franken. «Die Beiträge für Schafe und Ziegen sind kleiner, da bei der Schlachtung dieser Tiere weniger Nebenprodukte anfallen als bei den Rindern», erklärt Nathalie Rochat, Sprecherin des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, den Unterschied. Schlachtbetriebe erhalten bereits heute 4.50 Franken pro Schaf und Ziege. Ab 2020 gibt es für die Schaf- und Ziegenbesitzer pro gemeldetes Lamm oder Gitzi denselben Betrag.

Kulanz im ersten Jahr gefordert
Dass die Strafgebühr für fehlende Meldungen aber für Kälber, Lämmer und Gitzi gleichermassen fünf Franken beträgt, erklärt Rochat mit den Betriebskosten der Tierverkehrsdatenbank. Immerhin: Die Strafgebühr wird im ersten TVD-Jahr 2020 noch nicht erhoben. «Wir brauchen ein Pufferjahr, in dem die Instanzen eine grosse Kulanz zeigen», fordert Beffa. Der SZZV wehrt sich ausserdem gegen das Ummarkieren der vor dem 1. Januar 2020 geborenen Geissen. Derzeit laufen Gespräche mit den Bundesämtern über die Umsetzung. «Nötig sind klare Gebrauchs- und Handlungsanweisungen bis spätestens Herbst, wenn die Tiere von den Alpen zurückkommen», sagt Beffa.