Noch etwas misstrauisch wirken die Zwergzebus, als Menschen ihren Stall betreten. Langsam treten die kleinen Kühe mit dem typischen Buckel und den meist waagerecht ausgerichteten Hörnern einige Schritte zurück, ihr Blick zeugt jedoch von Neugierde. Und schon bald kommen sie näher und lassen die fremden Gerüche auf sich wirken. Schnell ist die erste Scheu abgelegt, und sie lassen sich gerne streicheln. Das mag bei einer wilden, urtümlichen Rasse wie den Zwergzebus erstaunen. «Wenn man sich viel mit ihnen abgibt, werden sie rasch sehr anhänglich und zutraulich», sagt Urs Gmür, der gemeinsam mit seiner Frau Ursi den Zwergzebuhof im sankt-gallischen Bernhardzell betreibt. 

Als 2013 klar wurde, dass keines der Geschwister den väterlichen Hof übernehmen möchte, fiel für Urs und Ursi Gmür der Entscheid, den Betrieb mit 14,5 Hektaren Land selber weiterzuführen. Beide sind auf Bauernhöfen gross geworden, Ursi Gmür absolvierte später die Landwirtin-Ausbildung. Gemeinsam überlegten die beiden, welche Rasse sich für ihren Betrieb eignen könnte. «Meiner Frau ist nicht richtig wohl um grosse Kühe. Deshalb machten wir uns auf die Suche nach einer kleinen Rasse», sagt Urs Gmür. Eine Google-Suche brachte die beiden auf die Zwergzebu-Rinder. 

Die ursprünglich aus Sri Lanka stammende Rasse wurde bis vor einigen Jahren in der Schweiz nur in Zoos gehalten. Doch die Gmürs fanden eine Möglichkeit, ihre Stammherde – bestehend aus zwanzig Tieren – aus dem nahen Deutschland zu importieren. Mittlerweile ist die Herde auf knapp 60 Tiere angewachsen. Mit dabei sind drei Zuchtstiere und einige Kälber. 

Buckelfleisch als Delikatesse
Auf Gmürs Zwergzebuhof haben die kleinen Kühe ein Paradies gefunden. Zwischen Apfel-, Zwetschgen- und Kirschbäumen fressen sie friedlich Gras – gerne auch gröbere Halme. «Sie machen oft nicht einmal vor unseren Bäumen halt», sagt Urs Gmür. Vermutlich sind sie sich aus ihrer indischen, regenarmen Heimat auch gröbere Raufasernahrung gewohnt. Sie sind futtertechnisch ohnehin wenig anspruchsvoll und fressen Gras, Heu und sogar Stroh. Dazu erhalten sie etwas Mineralien über einen Leckstein. Mehr brauchen die sanften Kühe nicht. Kraftfutter gehört nicht auf ihren Speiseplan. 

Die Ernährung wirkt sich anscheinend positiv auf die Qualität aus. «Zwergzebu-Fleisch hat einen intensiven, aber trotzdem angenehmen Eigengeschmack. Es enthält fast kein Fett, ist kurzfaserig, fest, aber zart», sagt Gmür. Gemeinsam mit seiner Frau verkauft er das Fleisch direkt ab Hof. Bald werden sie zudem Gourmetrestaurants mit dem Zebu­fleisch beliefern.

Aus Gmürs Zwergzebus werden Schinken, Speck, Würste, Trockenfleisch, Bratwürste oder «Zalami» (in Anlehnung an Salami). Von Hackfleisch bis hin zu Filet wird aber alles angeboten. Besonders beliebt sei die Leber, sagt Urs Gmür. Und natürlich das Fleisch aus dem «Buckel», dem besonders stark ausgeprägten Kapuzenmuskel, der bei jedem Schritt etwas hin und her wackelt. Dieses wird vor allem in Form von Schinken als Delikatesse gehandelt. 

Viel Fleisch am Knochen
Zurzeit wird auf dem Zwergzebuhof etwa ein Tier pro Monat – im Unterschied zu anderen, schneller wachsenden Fleischrassen erst im Alter von zwei Jahren – geschlachtet. Kein einfacher Moment, aber einer, der fest zum Alltag eines Mutterkuhhalters gehört. 

«Ich staune immer wieder, wie viel Fleisch pro Tier anfällt, obwohl sie ja eher klein sind. Da ist richtig viel Fleisch am Knochen», sagt Gmür, der hauptberuflich einen Gewerbebetrieb für Solartechnik und Gebäudehüllen betreibt. Seine Frau kümmert sich hauptsächlich um die Rinder. Diese haben für den täglichen Umgang eine angenehme Grösse von 1 bis 1,10 Meter. Die Kühe wiegen etwa 250 Kilogramm und die Stiere zwischen 350 und 400 Kilogramm. Das ist nur etwa ein Drittel einer modernen Milchkuh. Die Kälber wiegen bei der Geburt bloss knappe zehn Kilogramm, wachsen dann aber in den folgenden Tagen sehr rasch. 

Durch die geringe Grösse und das geringe Gewicht sind die Zwergzebus ideal für die Weidepflege geeignet. Sie verursachen keinerlei Löcher und das Gras wächst durch die exakte Fressweise viel dichter nach. Wer mit der Zunge der Tiere in Kontakt kommt, merkt rasch, dass diese noch viel stärker aufgeraut ist als bei den gewohnten Schweizer Rinderrassen. Damit können sie einfacher auch härteres und dürres Gras als Nahrung nutzen.

«Es ist immer ein schöner Anblick, wenn sie aus dem Stall gelassen werden und dann in einer Einerkolonne auf die Weide gehen», sagt Urs Gmür. Zwergzebuhalter sind in der Schweiz noch rar. Bei Mutterkuh Schweiz sind erst knapp 20 Züchter registriert, beim Zuchtverband Original Zwergzebu Schweiz, wo Urs Gmür als Zuchtwart fungiert, sind es sogar erst vier. «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Zwergzebus in der Schweiz bekannter zu machen und würden uns über weitere Züchter freuen», sagt Urs Gmür. 

www.zwergzebuhof.ch
www.originalzwergzebu.ch