Der Mann wurde für Vorwürfe verurteilt, die gar nicht im Strafbefehl standen. Damit hat die Berner Justiz gemäss einem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts das Anklageprinzip verletzt. Dieser Grundsatz sieht vor, dass in der Anklage beziehungsweise im Strafbefehl die vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit und Art festgehalten werden müssen. Das war vorliegend nicht der Fall. 

Der Mann war im Februar 2018 von der Staatsanwaltschaft mit einem Strafbefehl wegen Tierquälerei in Bezug auf drei Schafe verurteilt worden. Weil der Schafhalter das Verdikt nicht akzeptierte, zog er den Fall ans Regionalgericht Berner Jura-Seeland weiter. 

Das Regionalgericht verurteilte ihn in Bezug auf ein Schaf wegen Unterlassens fachgerechter Klauenpflege zu einer bedingten Geldstrafe von vier Tagessätzen zu 80 Franken. Das Obergericht bestätigte dieses Urteil – nicht aber das Bundesgericht. 

Die Gründe für die Rechtsprechung
Die Lausanner Richter führen aus, dass der vom Obergericht festgehaltene Sachverhalt nicht mit dem angeklagten Sachverhalt überein stimme.

Im Strafbefehl, der die Anforderungen einer Anklageschrift ebenfalls erfüllen muss, stand, der Schafhalter habe die Klauen seiner Schafe nicht regelmässig gepflegt und beschnitten. Deshalb sei es bei drei Schafen zu Erkrankungen gekommen. Ein Schaf habe wegen der Entzündung Mitte September 2016 geschlachtet werden müssen.

Dass dem Mann eine vorsätzliche Tatbegehung vorgeworfen wurde und nicht etwa eine fahrlässige, ergibt gemäss Bundesgericht sich lediglich aus den im Strafbefehl aufgeführten gesetzlichen Bestimmungen, nicht aber aus dem Sachverhalt.

Ebenso wenig sei dem Strafbefehl zu entnehmen, wann der Schafhalter die Erkrankung festgestellt haben soll und wie er hätte handeln müssen. Auch hatte der Tierarzt festgestellt, dass die Herde gut versorgt und gehalten werde, so dass nicht von einer Vernachlässigung der Klauenpflege gesprochen werden konnte.