Wenn sich Schweine im Schlamm suhlen, scheint es oft, als würden sie mit geschlossenen Augen zufrieden vor sich hin lächeln. Die Frage stellt sich allerdings: Trifft dieses Bild auch heute noch zu, in einer Zeit, in der die Tiere für kommerzielle Zwecke als Zucht- und Mastsauen in gros­ser Zahl gehalten werden? Nein, fand die Tierrechtsorganisation «tier-im-fokus.ch» (TIF), nachdem sie im Jahr 2014 für einen Report 1200 Fotos und über sechs Stunden Videomaterial zur Schweinehaltung in der Schweiz zusammengetragen hatte. 

Der Bericht übte harte Kritik: Schweine würden häufig nicht tiergerecht gehalten, die Rede war gar von «schockierenden Zuständen»: dreckige Ställe mit kranken, verletzten oder verhaltensgestörten Tieren. Eng, ohne Einstreu und ohne Tageslicht, so mussten gemäss TIF weit über eine halbe Million Schweizer Schweine ihr Dasein fristen. Und dies im Land mit einem der besten Tierschutzgesetze der Welt. Die Dokumentationen stammten laut TIF von Betrieben aus den Kantonen Bern, Freiburg, Waadt und Luzern. Die Vorschriften seien eingehalten worden, hiess es damals.

Das BLV äussert sich nur vage
Letztes Jahr hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) angekündigt, von 2017 bis 2019 ein «Schwerpunktprogramm Tierschutzkontrollen in der Schweinehaltung» durchzuführen. Es gibt zwei Möglichkeiten, den Fokus zu erklären: Entweder sind Probleme in der Schweinehaltung vorhanden, oder aber der Bund will mit Kontrollen präventiv vorgehen. 

Angesprochen auf die früheren Missstände und auf die Frage, ob sich die Bedingungen seither verbessert haben, äussern sich das BLV sowie das dazugehörende Zentrum für tiergerechte Haltung eher vage: Betriebe mit Schweinehaltung würden wie alle anderen Betriebe von den Kantonen regelmässig überprüft. «Diese Kontrollen sollen sicherstellen, dass die Haltung der Schweine den Mindestanforderungen des Tierschutzes entspricht», sagt BLV-Mediensprecher Stefan Kunfermann.

Das aktuelle Schwerpunktprogramm biete zudem die Möglichkeit, den Ablauf der Übergangsfrist für Vollspaltenböden (Ende August 2018) in der Schweinemast zu begleiten. Bis 2019 sollen unangemeldete Kontrollen der Kantonstierärzte mit Stichproben feststellen, ob auf den Betrieben Anpassungsbedarf bei der Bodenqualität besteht.

Halb so viele Bauern, gleich viele Tiere
Fünf Aspekte will der Bund eingehend prüfen: Anzahl und Funktionieren der Tränken, Einsperren von einzelnen Sauen während der Geburtsphase, Anbieten von Nestbaumaterial, genügend Beschäftigungsmaterial sowie die Haltung und Betreuung von verletzten oder kranken Tieren. Das BLV führt in seinem Schwerpunktprogramm detailliert aus, welche Mindestanforderungen die Betriebe erfüllen müssen. Eine lange Liste mit vielen Zahlen, die Landwirte in die Pflicht nimmt.

Rund anderthalb Millionen Schweine halten Landwirte in der Schweiz. Gemäss den «Statistischen Erhebungen und Schätzungen über Landwirtschaft und Ernährung» ist diese Zahl seit der Jahrtausendwende stabil. Stark verkleinert hat sich hingegen die Anzahl Betriebe: Halb so viele Bauern wie im Jahr 2000 halten heute gleich viele Schweine. Verschwunden sind vor allem kleine und mittelgrosse Betriebe. In der Schweiz lässt die so genannte Höchstbestandsverordnung maximal 250 Mutterschweine plus Ferkel oder 1500 Mastsauen zu. Trotzdem: Bringt die höhere Produktion Einbussen bei der Lebensqualität der Tiere mit sich?

Ja, findet tier-im-fokus.ch auch heute noch. Schweine lebten nach wie vor zu Hunderten in kargen Betonwüsten, wo sie ihre vielfältigen Bedürfnisse nicht ausleben könnten. «Kaum ein Schwein kann heute im Dreck wühlen, wie uns die Werbung suggeriert», sagt Tobias Sennhauser. Der Präsident von TIF hält fest, dass, selbst wenn sich die Tierhaltung verbessere, die Tiernutzung ein Kompromiss bleibe. Zum Schwerpunktprogramm des Bundes sagt Sennhauser: «Weil sich die Bauern nicht einmal an die gesetzlichen Mindestvorschriften halten, muss das BLV nun durchgreifen.» Es sei beschämend, dass die Tierhalter die Anforderungen an das Tierwohl nicht kennen würden.

Suisseporcs weist Kritik zurück
Etwas anders sieht die Sache Felix Grob, Geschäftsführer von Suisseporcs. Der Verband der Schweizerischen Schweinezucht und Schweineproduzenten unterstützt das Schwerpunktprogramm des Bundes und informiert darüber aktiv. «Die Kontrollen sollen die Produzenten sensibilisieren», sagt Grob. Falsch laufe bezüglich der Schweinehaltung in der Schweiz nichts. «Es gibt einige neue Vorschriften. Da kann es schon einmal passieren, dass ein Produzent sich nicht mehr ganz sicher ist, ob er in seinem Stall alle Kriterien erfüllt.» Grob weist darauf hin, dass es Kritik an der Schweinehaltung schon immer gab und wohl immer geben werde. «Tatsache ist aber, dass zwei Drittel der Schweizer Schweine in besonders tierfreundlicher Stallhaltung leben und 50 Prozent regelmässig freien Auslauf haben.»

Es herrscht nach wie vor grosse Uneinigkeit über die Qualität der hiesigen Haltungsbedingungen. Denn zwar sind Schweine genügsame Tiere. Doch ist auch jene Hälfte der Schweizer Schweine glücklich, die sich nicht regelmässig an der frischen Luft im Dreck suhlen kann?