ür die einen ist Pferdefleisch eine kulinarische Spezialität. Für die anderen hat es auf dem Teller ebenso wenig zu suchen wie Hunde- oder Katzenfleisch. Zwar ist es vergleichsweise gesund, es enthält mehr Eisen und weniger Fett als beispielsweise Rindfleisch. Und doch essen Schweizerinnen und Schweizer nur sehr wenig davon. Rund 330 Gramm betrug der Konsum pro Kopf laut Statistik der Branchenorganisation Proviande im Jahr 2018. Das ist nicht viel mehr als ein einziges dickes Steak in zwölf Monaten. 

Und nicht mal das können wir aus einheimischer Produktion decken. Weniger als 10 Prozent davon stammt aus der Schweiz. Zum Vergleich: Bei Schweinen oder Kälbern beträgt der Inlandanteil weit über 90 Prozent. Am meisten Pferdefleisch bezog die Schweiz im letzten Jahr gemäss Proviande aus Argentinien, gefolgt von Kanada. Das sind beides Länder, die in den vergangenen Jahren wegen schlechten Umgangs mit Pferden in den Schlagzeilen waren.

Seit 2013 hat der Tierschutzbund Zürich immer wieder Schockierendes aus der Pferdefleischproduktion in Übersee berichtet. Die Rede war unter anderem von verletzten und sterbenden Tieren ohne medizinische Unterstützung und von 18-stündigen Transporten. Der Begriff «Qualproduktion» machte die Runde. Seither nahm der Konsum von Pferdefleisch Jahr für Jahr ab, innert sechs Jahren halbierte er sich.

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="0dbef3a4-0e42-4629-b5e7-8951825a186c" data-langcode="de"></drupal-entity>
  Grafik: Corinne Bärtschi

Krematorium statt Schlachtbank
Die Detailhändler reagierten, indem sie auf Lieferanten aus Übersee verzichteten. Coop bezieht sein Pferdefleisch nun aus Frankreich und Spanien, heisst es auf Anfrage. Migros bietet es nur noch aus Spanien sowie zu einem kleinen Teil aus Schweizer Nischenproduktion an. Die Schweizer Produktion sei aufgrund des Angebots für den Detailhandel aber praktisch bedeutungslos. 

Tatsächlich ist in den vergangenen Jahren hierzulande nicht nur der Konsum von Pferdefleisch zurückgegangen, auch die inländische Produktion schrumpfte in gleichem Mass. Dies, obwohl die Tierschutzgesetze hier weit strenger sind und ihre Einhaltung auch besser kontrolliert wird als in Übersee. 

Eigentliche Pferdefleischproduzenten gibt es in der Schweiz nicht. Einzig die Freibergerzüchter sortieren jeweils im Herbst Fohlen aus, die sie für die Schlachtung verkaufen. Viele Pferde, die in der Schweiz gehalten werden, landen am Ende ihres Lebens nicht auf der Schlachtbank, ihre Kadaver werden stattdessen verbrannt. Das hängt auch mit dem Gesetz zusammen: Seit 2011 muss jedes Pferd entweder als Heim- oder als Nutztier registriert werden, und nur das Fleisch von Nutztieren darf verwendet werden. 

Bei Privatpferden ist es jedoch üblich, sie als Heimtiere einzutragen. Für diese sind mehr Medikamente zugelassen als für Nutztiere, und es entfällt die Pflicht, über die medizinischen Behandlungen Buch zu führen. Für viele Besitzerinnen und Besitzer ist ohnehin klar, dass ihr Tier nie zu einem Lebensmittel verarbeitet werden darf. Lieber bezahlen sie für Tötung und Entsorgung, als das Tier einer Metzgerei zu verkaufen. 

Label für Schweizer Pferdefleisch
Letztes Jahr wurde nun aber im Jura ein Projekt gestartet, das die Situation auf dem Pferdefleischmarkt verändern soll. «Viande chevaline suisse» («Schweizer Pferdefleisch») heisst es schlicht. Projektleiterin Nadège Koller von der Fondation Rurale Interjurassienne erklärt: «Ziel ist es nicht, die Pferdefleischproduktion in der Schweiz zu erhöhen. Vielmehr soll die Fleischmenge, die aus dem vorhandenen Tierbestand genutzt wird, erhöht werden, und der Konsument auf Schweizer Pferdefleisch sensibilisiert werden.» Dazu wurde gemeinsam mit dem jurassischen Pferdezuchtverband und dem Schweizer Freibergerverband ein Label ins Leben gerufen, das für faire Preise auf dem Fleischmarkt steht: «Viande Chevaline Suisse L’Originale». 

Konkret erhalten die Tierhalter unter diesem Label einen Franken mehr pro Kilogramm Pferdefleisch, was sie motivieren soll, mehr Pferde als Nutz- statt als Heimtiere einzutragen. «Derzeit finden Metzgereien, die Schweizer Pferdefleisch verkaufen möchten, oft keine regelmässigen Lieferanten», sagt Koller. Doch auch bei den Metzgereien gibt es Handlungsbedarf. «Mit Rezepten wollen wir die Metzger dazu animieren, nicht nur die edlen Teile wie Filet und Entrecôte zu verwenden, sondern das ganze Tiere zu verwerten», sagt Koller. Und nicht zuletzt sollen auch Konsumenten angesprochen und informiert werden, damit sie vermehrt schweizerisches statt ausländisches Pferdefleisch essen. Das Projekt läuft bis 2021 und ist zur Hälfte vom Bund finanziert.

Bislang verkaufen sieben Metzgereien aus dem Kanton Jura und dem Berner Jura das Fleisch unter dem neuen Label. Nun soll das Projekt gemäss Nadège Koller zunächst auf die gesamte Romandie ausgeweitet werden. Das ergibt Sinn, denn die Haushalte in der Westschweiz kaufen laut einer Auswertung des Bundes im Schnitt doppelt so viel Pferdefleisch wie jene in der Deutschschweiz. Mittelfristig soll das Projekt dann aber die ganze Schweiz abdecken.